Astrale Welten

 


Vorwort von Univ. Doz. Dr. phil. Wolfgang Herbert

Universit�t Tokushima/Japan

Integrativ- und kunstwiss. Fakult�t

           "Warum ist �berhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?" lautet die urmetaphysische Frage, die schon Leibniz und Schelling vorgebracht und Heidegger zum permanenten Denkstachel zugespitzt hat. Warum nur hat sich das - plotinisch gesprochen - EINE in einem �berbordenden efflux in die Vielheit ausgegossen? Ist es pure Freude an Form, Gestalt(ung), Tanz, kosmisches Spiel (lila wie die Inder zu sagen pflegen) oder der Wunsch sich selbst zu erleben, nicht undifferenziertes, in sich ruhendes Subjekt, reines qualit�tsloses Sein zu bleiben, sondern sich im Objekt (Selbst)Erfahrungsm�glichkeiten zu schaffen? Alle diese anthropomorphisierenden Sprechweisen �ber den letzten Grund, das Tao, Brahman, En-sof, die Nicht-Zweiheit, Leerheit und wie der unbeholfenen Signifikanten mehr heissen, verweisen auf die Beschr�nktheit unseres Denkens, das letztlich vor dem Mysterium versagt und versiegt.

            Aber die Frage betrifft analog die Seele, die - wie in allen mystischen Traditionen interkulturell und einhellig bezeugt - wesensgleich ist mit dem EINEN, und die den Abstieg in die Welt des Materiellen, Grobstofflichen, Sinnlich-Wahrnehmbaren genommen hat - aus F�rwitz, aus dem Willen, sich selbst zu geh�ren, sich in die Leidenschaften (cupiditates) verstrickend, wie die Neuplatoniker meinen? Und nun, in der Gegenbewegung, getrieben vom Eros, sucht sie die Wiedervereinigung mit dem G�ttlichen, die Aufhebung aller Dualit�t, die unio mystica. Und f�r dieses Bestreben stellt Yoga eine der �ltesten Weganleitungen, Praktiken und Techniken bereit. "Yoga" - so Eliade - komme etymologisch von der Wurzel "yuj", "zusammenbinden", "anspannen", die auch im lateinischen jungere, jugum, im englischen yoke und deutschen "Joch" etc. enthalten ist. Yoga ist die "experimentelle Erkenntnis" des Heiligen, ein Weg zur Vereinigung mit dem G�ttlichen, er umfasst demgem�� viele, sehr diverse Praktiken. Yogis hie�en die Weisen, Mystiker, Heiligen, aber auch die Magier, Orgiastiker, Fakire, Hexen(meister) und Zauberer. Vielleicht hat Kali von all jenen ein bisschen was - eine genuine Yogini ist sie zweifelsfrei. Und �ber yogi(ni)sche Reisen der Seele in h�here Welten bis zur kosmischen Einheit gibt es Spannendes und Erstaunliches zu lesen in dem hier vorliegenden mitrei�enden, schonungslosen und mutigen Erlebnisbericht.

            Aus der Geschichte der Religionen und (als deren Kern) Mystik kennen wir zahllose pl�tzliche, geradezu �berfallsartige Metanoia-Erlebnisse, Transformationen, Einbr�che des Ganz Anderen. So sehr also Kali gewisserma�en "von sich selbst" (oder dem Potential ihres Selbst) �berrascht war, so sehr ist sie in guter Tradition, auch wenn die religi�sen Genies, Heroen, Virtuosen und wie sie sonst noch genannt wurden, eine Ausnahme- und Pioniererscheinung darstellen m�gen. Gnade, Geschenk, Talent, Schicksal/Karma, Erw�hltsein, Berufung etc. sind �berkommene Erl�uterungsversuche f�r ihr Auftreten.

            Aber noch einmal zur�ck zum Makrokosmos: Evolution und Involution, Aufstieg und Abstieg, Efflux und Reflux, das Eine und die Vielen, Leerheit und Form, Nirvana und Samsara: ineinander �bergehende Bewegungen, letztlich und jenseits aller Dualit�t eins und ungeschieden. Die Emanation geht �ber viele Stufen bis hinunter in unsere Welt der Materie: und "durch die Geschichte hindurch" bis ins 18. Jahrhundert (so Arthur Lovejoy) war die Auffassung einer hierarchischen Abstufung des Seins "die dominante offizielle Philosophie des gr��eren Teils der Menschheit." Mit der Vormachtstellung der modernen Wissenschaft hingegen wurde nur noch eine ontologische Ebene relevant: die physische, durch die Sinne und deren instrumentelle Verl�ngerungen perzipier-, mess- und quantifizierbare[1]. Der Kosmos wurde buchst�blich eingeebnet, d. h. auf eine Ebene reduziert. Hatten die Alten noch gewusst das Niedere durch das H�here zu erkl�ren, so wird heute alles Seelisch-Geistige zum Epiph�nomen des Materiellen heruntergestutzt oder �berhaupt geleugnet. Wieder einmal m�chte ich eine Denkfigur Plotin's als Beispiel nennen - meine Vorliebe f�r diesen Mystikerphilosophen (204-270 n. Chr.) beruht darauf, dass praktisch der gesamte westliche mystische Unterstrom aus seiner Quelle gespeist worden ist. Zum Verh�ltnis zwischen K�rper und Seele vermerkt Plotin mehrfach, da� diese Verbindung nicht so zu fassen sei, da� die Seele sich im K�rper, sondern geradezu umgekehrt, der K�rper sich in der Seele befinde. Er erl�utert dies an der Mischung von Licht und Luft. Die Luft ist durchlichtet, solange sie unter den Strahlen des Lichtes liegt, wobei auch hier gelte, dass die Luft im Lichte und nicht das Licht in der Luft sei.

            Von den sp�tantiken ("westlichen") Denkern bis in die Neuzeit war eine mehrstufige Vermittlung zwischen der Seele (die letztlich als Teil oder F�nklein der Weltseele gedacht war) und dem K�rper die plausibelste Erkl�rung f�r die Frage, wie Seelisches (und somit G�ttlich-Reines) mit der Materie in Verbindung stehen k�nne: die Existenz von "K�rpern" verschiedener Dichte wie �therischer, astraler oder pneumatischer Natur war ihnen eine Selbstverst�ndlichkeit: sie war zugleich die Beschreibung der gro�en Verschachtelung des Seins in ihrer individuellen Form. Die Bezeichnung "astral" stammt �brigens von den Neoplatonikern, die davon ausgingen, dass die g�ttliche Seele in ihrem Abstieg in grobstofflichere Ebenen sich in entsprechend immer dichtere "Gew�nder" h�lle: eines davon, von leuchtender Substanz ist das "sternengleiche", also astrale - ein Terminus der sich in der Esoterik (durch)gehalten hat.

            In den �stlichen mystischen Traditionen waren die feinstofflichen Bereiche von jeher Zentrum des Interesses - genannt seien nur die vedantische Lehre der F�nf-H�llen (kosha), die sich um die Seele (atman) legen, die Lehre der verschiedenen Bewusstseinsebenen (vijnana) im Mahayana-Buddhismus oder die diffizile Bewusstseins- und Evolutionshierarchie bei Aurobindo. Nebenbei bemerkt: In Traditionen, in denen �ber meditative Praktiken oder die feinstoffliche Physiologie in Lehrer-Sch�ler-Linien gesprochen wird, hat sich ein exakter Fachwortschatz herausgebildet, der ein Zur-Sprache-Bringen und Evaluieren mystischer Erlebnisse durchaus m�glich macht. Nachdem diese �berlieferungslinien in Asien am ausgepr�gtesten etabliert sind, wird oft auf deren Terminologie Bezug genommen (daher vergn�gt sich Kali auch - wiewohl widerwillig - mit dem Lernen von Sanskrit-Vokabeln - zuweilen muss sie dennoch ihre eigenen Bezeichnungen einf�hren).

            Die gro�e Kette des Seins ist vielfach beschrieben worden und je nach Denker und Kultur hat sie verschieden viele Stufen und Namen: Stoff, K�rper, Geist, Seele und GEIST = Absolut-Eines sind wohl die universell zu findenden wesentlichen Dimensionen. Auf den h�heren Ebenen der Seele k�nnen Feinabstufungen getroffen werden - ich halte mich hier beispielhaft und selektiv an Ken Wilber (und weitgehend auch an seine Terminologie):

.) In eine psychische Stufe (naturmystisch, Eingang in transpersonale und spirituelle Reiche), von manchen mit dem astralen Bereich identifiziert: dort wo sich "PSI-Ph�nomene" abspielen wie ASW, Hellsehen, Psychokinese, des weiteren au�erk�rperliche Erfahrungen und Astralreisen, Aurasehen und Manifestation anderer paranormaler Kr�fte (z. B. in der indischen Tradition von Patanjali als siddhis beschrieben).

.) Die subtile Stufe ist die Heimat der "G�tter", h�herer Pr�senzen, spiritueller F�hrer und engelhafter Wesen, symbolischer Visionen, innerer Lichtwahrnehmungen, der Gl�ckseligkeit und Entr�ckung, der Bereich der Gottheitsmystik.

.) Dar�ber hinaus geht die kausale Ebene der Leerheit, des Abgrundes, der formlosen Mystik, der Visio Dei, des Savikalpa-Samadhi, des Gott-Bewusstseins bei Wahrung eines letzten Restes von Subjektempfinden.

.) Der allgegenw�rtige Urgrund aller Stufen/Ebenen/Reiche/Dimensionen ist ein nicht-dualer: die Einheit von Leerheit und Form, reine Bewusstheit, die Soheit, Sein an sich, Nirvikalpa-Samadhi: Einssein ohne Geschiedenheit und Sahaja-Samadhi: best�ndiges Gewahrsein des Einen jenseits aller Zweiheit: letztes Ziel (des Yoga) und Reich der nicht-dualen Mystik.

            Diese Stufen sind auch als seelische Aufstiegsleiter verstehbar oder g�ttliche Abstiegs- bzw. Emanationsform, wobei auch hier - entgegen dem materialistischen Alltagsverst�ndnis - das Umkehrprinzip gilt: je h�her, desto "realer", d. h. ein mehr an Bewusstsein und Bewusstheit bis zur h�chsten Ebene, die nach indischer Diktion nur noch reines Sein, reines Bewusstsein und reine Seligkeit (satchitananda) IST. Aus einer seelischen oder mystischen - letztlich auch ontologischen - Sicht sind daher die h�heren Dimensionen die jeweils wirklicheren, wobei sie nicht auf die niederen reduziert oder von ihnen her erkl�rt werden k�nnen.

            Warum so ausschweifend alle diese Dinge referieren? Sie bieten uns eine ausgesprochen wichtige Folie und Orientierungshilfe f�r ein Verst�ndnis der Erlebnisse von Kali und ein alternatives Denkschema zum szientistischen Weltbild: gegen dieses anzuschreiben braucht Courage - und die hat Kali allemal. Obig er�rterte h�here Bewusstseinsbereiche sind unterdessen in der transpersonalen Psychologie (vorl�ufig) kartographiert worden und Gegenstandsbereich ihrer systematischen Forschungen. Sie hat sich in den USA als eigene und ernstzunehmende und ernst genommene Disziplin etabliert, die w�nschenswerterweise einen Paradigmenwechsel einl�uten m�ge[2]. Was wir bei Kali zu lesen bekommen, sind somit keine frei schwebenden Phantasmagorien, sondern Beschreibungen seelischer Realit�ten eigener und h�herer Ordnung, die empirischer Einsicht und Erforschung zug�nglich sind - bei Einhaltung der Zugangsbedingung = yogische/ kontemplative Praxis. 

            Als kleinen Exkurs m�chte ich noch eine Passage einf�gen, die eine bemerkenswerte Umkehroptik anbietet und gewisse "vision�re" Erfahrungen von Kali interpretierbar macht. Zum "Realit�tsgehalt" der G�tterschau schreibt/zitiert einer der luzidesten Vordenker der transpersonalen Psychologie, Ken Wilber, trefflich:

 

                "Lex Hixon hat eine Form der Tiefenstruktur des feinstofflichen Bereichs beschrieben, die "Ishta-Deva" genannt wird. Ein Ishta-Deva ist nichts anderes als eine hochentwickelte archetypische Gottes-Gestalt, die durch gewisse Meditationen evoziert wird (und die dadurch auftaucht) und mittels des Prozesses der h�heren Phantasie oder des vision�ren Bildes unmittelbar vom geistigen Auge wahrgenommen wird. Mir ist v�llig klar, da� manche nun sagen werden, der Ishta-Deva sei 'nur ein geistiges Bild' und er existiere nicht wirklich. Doch damit entwertet man gleichzeitig alle anderen Produkte des Geistes, denn ebenso gut k�nnte man sagen, die Mathematik sei nur ein Produkt des Geistes und existiere deshalb nicht wirklich. Nein, der Ishta-Deva ist wirklich - mehr als wirklich - wenn er aus dem Grund-Unbewu�ten auftaucht.

                Hixon beschreibt: 'Die Form oder Pr�senz des Ishta-Deva ... scheint von pulsierendem Leben erf�llt, ein Strahlen des Bewu�tseins. Wir projizieren den Ishta-Deva nicht. Die urspr�ngliche Strahlung, die die Form des Ishta-Deva annimmt, projiziert in Wahrheit uns und alle Ph�nomene, die wir als Universum bezeichnen.' Dieses hochentwickelte Symbol bewirkt schlie�lich den Aufstieg des Bewu�tseins zur Identit�t mit jener Form: 'Allm�hlich erkennen wir, da� die G�ttliche Gestalt oder Pr�senz unser eigener Archetyp ist, ein Abbild unserer eigenen essentiellen Natur.'"[3]

 

            Durch die von Kali als "Entspannung" bezeichnete psychosomatische Ruhigstellung und erweiterte Bewusstseinsradareinstellung wird sie transparent f�r Einbr�che aus dem (kollektiven) Unterbewusst- ebenso wie �berwusstsein, sie macht (Aus)Fl�ge in psychisch-astrale und subtile Ebenen, vielleicht auch archetypische und magisch-mythisch-schamanische Bereiche: die Verortung kann letztlich nur der/die Erlebende selbst vornehmen. Die dortigen Wahrnehmungen und Erkenntnisse sind oft symbolisch-bildhaft verschl�sselt: das Mehr an Sinn als linear-sprachlich vermittelt werden kann, das ein Symbol in sich tr�gt, ist einfach die ad�quateste Art der Vermittlung zwischen h�heren seelischen Ebenen und dem rationalen Alltagsbewusstsein. Auch die Tunnelreisen sind vielleicht so zu lesen: der Tunnel als griffiges Symbol f�r einen bevorstehenden Bewusstseinsebenenwechsel - wobei wir uns eigentlich von den gewohnten Raum- und Zeitvorstellungen oder astronautischen Metaphern verabschieden m�ssen: auf den h�heren Ebenen herrschen andere Gesetze, die beste Analogie und Vorstellungshilfe bietet wohl die Raum-Zeit-Relativierung im Traumzustand.

            Kali's Entwicklung geht von deftigen PSI-Erscheinungen (z. B. Steckdosenpyromanie) �ber psychospirituelle Transformationen (energetische Erscheinungen, am genauesten bekannt und �berliefert als Ph�nomene der Kundalini) zu oben genannten "Reisen" in andere Welten bis zu Begegnungen mit G�tterarchetypen und hohen Verschmelzungszust�nden. Die (nicht immer behaglichen) Begleiterscheinungen sind transkulturell und -historisch bezeugt und �blicherweise beschrieben als Hitze, Lichterscheinungen, hochfrequente Energien, die Auswirkungen bis tief in die Physis haben. Hautr�tungen, Zittern und Beben, erh�hte (zuweilen gesenkte) K�rpertemperatur bis hin zu von au�en wahrnehmbarem Leuchten oder gar Stigmata etc. sind z. B. auch bei christlichen Mystikern �berliefert. Dabei hatten diese die Konzeption der Kundalini nicht als Erkl�rungsinstrument verf�gbar. Die Kundalini oder Shakti - vor allem im tantrischen Yoga von zentralem Stellenwert - ist letztlich eine psychisch-subtile Energie, die, wenn sie in den K�rper f�hrt, wie ein Starkstrom an ihm r�ttelt, reibt und z�ndelt und damit die f�r die Sinne entsprechend "�bersetzten" Wahrnehmungen von z. B. Hitze oder Licht hervorruft. Letztlich sind dies - nicht notwendigerweise auftreten m�ssende - Sekund�rerscheinungen einer Hebung des Bewusstseinsniveaus, die sich �ndern und abschw�chen, wenn diese vollzogen ist. Kali's Bericht bietet in dieser Hinsicht eine interessante Ph�nomenologie, die dazu einl�dt, �hnlichkeiten und Singularit�ten im Vergleich mit anderen Beschreibungen solcher Erlebnisse aufzusp�ren. Ich halte ihr spirituelles Journal f�r ein wertvolles Dokument f�r eine komparative Mystik-Forschung.

            Die Versprachlichung ihrer letztlich jenseits der Sprache liegenden Einblicke und Erfahrungen m�gen wir uns vielleicht anhand eines Reiseberichts vorstellen (und dies gilt auch f�r andere Berichte �ber mystische Erlebnisse): wenn ein Dutzend Menschen durch dieselbe Landschaft gegangen ist und ihnen dann ein Report abverlangt wird, wird jede/r Einzelne die deskriptive Verdichtung anders vornehmen, den Erlebnisschwerpunkt und Wahrnehmungsfokus je verschieden legen nach Naturell, Interessen, Erwartungen, kulturellen Pr�gungen etc. . Im Bereich der Mystik spielen religi�se Grundannahmen, philosophische Anschauungen, verf�gbare Konzeptionen, Sozialvertr�glichkeit und vieles mehr eine Rolle in der Art, wie sie vermittelt werden k�nnen. �berdies d�rfen wir uns auch die transpersonalen Bereiche als unendlich vielf�ltig und bunt und gestaltbar vorstellen - auch wenn ich oben von derselben Landschaft sprach - so wird jede/r wohl etwas Anderes erleben - und letztlich bleibt es so unauslotbar und divers wie die Sch�pfung selbst. Deshalb sind mystische Erfahrungsschilderungen, da sie naturgem�� Interpretationen sind, an ihrer Oberfl�che so verschieden - obgleich ihnen dieselbe Tiefenstruktur zugrunde liegt. Bei aller damit angedeuteten subjektiven Note, die sie immer bergen, bleibt ihr psychischer - und ebenenspezifisch ontologischer - Realit�tsgehalt unangetastet.

            Kali's Aufzeichnungen erlauben ebenfalls viele Lesarten. Man/frau mag darin finden: einen Schamanenreisebericht, Seelenfl�ge durch eine Archetypenlandschaft, ein Initiationswegjournal, das Tagebuch einer mystischen Transformation, ein spirituelles Logbuch, Geschichten aus dem Kosmos der Psyche, Anekdoten aus jenseitigen Welten - wer all dem nichts abgewinnen kann, soll sie als Beschreibung einer potentiellen oder virtuellen Realit�t lesen. Spannend und mitrei�end bleibt die Lekt�re allzumal. Kali schreibt eloquent und pr�zise, ihr Stil ist voller Verve und Brio und ein selbstironischer, witziger, ja blasphemischer Schalk sitzt ihr stets im Nacken. Die Selbstdistanz, zu der Kali immer wieder findet, verleiht dem Werk Authentizit�t und Frische. "Freiheit ist eine absolute Vorbedingung f�r Erkenntnis" sagt Vayu, Kali's spiritueller Lehrer und Mentor, irgendwo im Text. Ich w�nsche allen potentiellen LeserInnen, dass sie frei an den Text herangehen m�gen: aufgeschlossen und nicht eingekapselt in ihre Vorurteile und mitgebrachten Weltanschauungen. Daf�r garantiere ich ein packendes, anregendes und seelisch bereicherndes Geistesabenteuer. Eine Prise Skepsis sei dabei dennoch anempfohlen (diese W�rze liefern Kali und Vayu subtextuell ohnedies st�ndig mit): sie erst n�mlich macht "Erkenntnis" zu einer wirklich selbst errungenen.  

            Erkenntnisse spiritueller Natur hingegen geschehen nach einem ihnen eigenen Modus, sind nur durch Nachvollzug der entsprechenden Erfahrungen zu erlangen, nur durch die Schulung des "inneren Auges der Kontemplation" schaubar, nur durch meditatives Training einholbar. Schon Vy�sa, ein Kommentator zu Patanjali's "Yoga-sutras" aus dem 7. Jh. n. Chr. bemerkt, dass die Natur der h�heren Ebenen nur die Yogapraxis selbst enth�lle. "Der Yoga mu� erkannt werden mittels des Yoga; der Yoga manifestiert sich durch den Yoga."[4] In diesem Sinne m�ge Kali's Bericht auch eine Ermunterung zur eigenen Erprobung einer spirituellen Praxis bieten, f�r die ich den hoffentlich zahlreichen LeserInnen "Gute Reise" w�nschen m�chte! Allen, die schon auf Pilgerschaft sind, diene das Buch als Kompass, Atlas, Reisef�hrer, Spiegel und auch als Vademecum, um T�cken, Fallen und Tiefen auf dem Wege zu erkennen. Wo der spirituelle Pfad hinf�hrt, zeigt uns Kali auch - ich sage das jetzt mit dem Risiko, pathetisch zu klingen: zu mehr Liebe, Mitleid, Altruismus, Hilfsbereitschaft, Toleranz, G�te ... schlicht: zu einem besseren Mensch-Sein. Und dies ist letztlich das, worin sich echte religi�se Erfahrung offenbart und bew�hrt. Auch in dieser pragmatischen Hinsicht darf Kali's Bericht als authentische Wiedergabe einer inneren Verwandlung gelten. Er ist zugleich von religionswissenschaftlicher, transpersonal-psychologischer wie praktischer Relevanz und besticht sowohl durch die Spannbreite der spirituellen Erfahrungen wie auch durch die - in der Popul�resoterik so oft schmerzlich fehlende - Klarheit, heitere Skepsis und Rationalit�t, mit der diese vermittelt werden.

 

Univ. Doz. Dr. phil. Wolfgang Herbert

Universit�t Tokushima/Japan

Integrativ- und kunstwiss. Fakult�t



[1]Dazu (auch das vorstehende Zitat) siehe: Huston Smith: Forgotten Truth. The Common Vision of the World's Religions. San Francisco: Harper 1992 [1976], 4ff.

[2]Als �berblick sei z. B. empfohlen: Scotton, Bruce W., Allan B. Chinen and John R. Battista (Eds.): Textbook of Transpersonal Psychiatry and Psychology. New York: Basic Books 1996, worin etwa auch �ber Kundalini-Erscheinungen v�llig selbstverst�ndlich und matter-of-factly berichtet wird.

[3]Ken Wilber: Das Atman-Projekt. Der Mensch in transpersonaler Sicht. Paderborn: Jungfernmann Verl. 2001 [1980], 107-8 (Hervorhebungen und Ortografie laut Orig.)

[4]Zitiert in einem der immer noch besten B�cher zum Thema: Mircea Eliade: Yoga. Unsterblichkeit und Freiheit. Frankfurt a. M.: Insel 1988, 47

 

 

 

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