Ressort Kundalini

Die Kundalini nach derYoga Tradition

© copyright Alfred Ballabene, Wien



 


Die Schöpfung von Mikrokosmos und Makrokosmos

Die detailliertesten Beschreibungen der Kundalini finden sich im indischen Yoga. Dort wird die Kundalini, als göttliche schöpferische Kraft (Shakti) verstanden und inklusive der Nebenerscheinungen genau beschrieben. Gleichzeitig wird die Kundalini in ein mythologisch-religiöses Weltbild eingekleidet. Diese Darstellungsweise ist für viele faszinierend, für andere naiv und dogmatisch, je nachdem, ob die- oder derjenige romantisch oder sachlich veranlagt ist. Wie immer die Kundalini interpretiert wird, entzieht sie sich in ihrer geheimnisvollen Wirkungsweise allen Erklärungsmodellen. Die Kundalini oder die höchsten Wirkungsarten der Kundalini als eine göttliche Wirkkraft zu deuten entspricht meines Erachtens den Gegebenheiten noch am besten.

Wie immer, wenn jemand auf diesem Gebiet mitreden will, so muß er/sie über die wichtigsten Anschauungsweisen jener Tradition, welche die in der gesamten Esoterik geläufigen Begriffe wie Kundalini und Chakra prägte, Bescheid wissen. Deshalb sollen die Grundprinzipien jener indischen Anschauungen hier kurz skizziert werden.

Nach indischer Mythologie erschuf der Gott Shiva den Kosmos, - gemeint sind damit sowohl die materiellen als auch die transzendenten Welten, durch den heiligen Laut OM. OM war die erste Bewegung (Schwingung). Durch weitere Differenzierung entstand die Vielfalt der Strukturen (Formen), die Vielfalt der Materie (Gunas, dazu gehören auch die unterschiedlichen Qualitäten feinstofflicher Materie), sowie alle psychischen Qualitäten wie Rein und Unrein (im Abendland spricht man üblicherweise von Gut und Böse, was subjektiv intolerant ist und innere Spannungen erzeugt). Diese Kräfte werden Tattwas genannt und in 36 Kategorien eingeteilt.

Der Laut OM wird als Ausdruck einer lebendigen Kraft verstanden, die aus Shiva hervor ging und als Shakti, seine Gemahlin, dargestellt wird. Shiva erschuf und erschafft in einem andauernden Schöpferakt die Vielfalt der Welten. Dies vollzieht er durch seine Shakti. Shiva wird in Bildern und Statuen dargestellt als der tanzende Shiva, wobei der Tanz den schöpferischen Akt (Bewegung) symbolisiert. Manchmal finden sich Darstellungen in welchen Shiva mit Shakti vereinigt ist (tibetisch Yab-Yum); dies bedeutet den höchsten Bewußtseinszustand, der dann erreicht wird, wenn die Shakti (Kundalini) im Menschen das höchste Chakra, das Shiva Chakra (Sahasrara Chakra) erreicht. Hierzu muß sich die Kundalini, die beim nicht erwachten Menschen im untersten Chakra (Mulhadhara Chakra) schläft, die Wirbelsäule empor erheben (aufsteigende Kundalini).

Shiva, Tl. 1
Shiva, Tl. 2
Shiva, Tl. 3
Shiva, Tl. 4
Shiva, Tl. 5

 


Der tanzende Shiva bei der Erschaffung des Universums, umgeben von einem Flammenkreis
(Symbol der inneren magischen Hitze = Kundalini-Shakti)
Die Glocke symbolisiert den heiligen Laut OM



 

Jener oben erklärte Vorgang der Schöpfung vollzieht sich in jedem Lebewesen. Die kosmischen Kräfte, die in der Mythologie Shiva und Shakti genannt werden, werden im Menschen als Bewußtsein und magische Lebenskraft verstanden. Der Mensch gilt als Mikrokosmos, der nach den gleichen Bauprinzipien wie der Makrokosmos gestaltet ist.

 


Shiva = Bewußtsein
Shakti = Lebensdynamik


 

Wie schon vorher erwähnt wird im Yoga die magische Wirkkraft Shakti Kundalini genannt. Sie ist jene Kraft, die über die Geheimnisse und Kräfte des inneren Menschen verfügt. In der Terminologie besteht keine strenge Trennung zwischen den beiden Begriffen Shakti und Kundalini. Einmal wird von Shakti gesprochen, dann wieder von Kundalini oder von Kundalinishakti. Die Tibeter verwenden statt dem Begriff Shakti die Bezeichnung Dakini.

Da sich die Kundalini in verschiedenen Aspekten äußert, z.B. als Hitze und weiters in verschiedenen Chakras als Zwischenstation nach außen und innen wirkt, werden verschiedene Zuordnungen getroffen, die als diverse Dakinis (gilt auch für Shakti) auf den Meditationstafeln oder Tankhas dargestellt werden (z.B. Vajra Dakini) - die diversen Dakinis oder weiblichen Gottheiten (ind.) sind demnach verschiedene Manifestationsformen der Kundalini.

 


vajradakini

Tibetische Darstellung der himmelstürmenden Vajra Dakini
(gemeint ist die Manifestation der Erleuchtung verschaffenden Kundalini)




 

Die Kundalini und ihr Wirken durch die Chakras

Als Shiva durch den magischen Laut OM den Kosmos erschuf, mit der Shakti als wirkende Kraft, entstanden zuerst die höchsten himmlischen Ebenen. Aus diesen, in sich ständig fortsetzenden Schöpfungsprozessen entstanden die tieferen Ebenen bis zur materiellen Ebene, der tiefsten Manifestation von Shiva und Shakti. Alle diese Schöpfungsebenen sind mit Bewußtseinszuständen gekoppelt. Diese Bewußtseinszustände finden sich im Menschen wieder und sind bei diesem in den Chakras lokalisiert.

 


     

Die sechs Chakras im Menschen
(das siebente ist bereits außerhalb des Menschen und Symbol des Shiva-Bewußtseins)



 

Um wieder in Einheit mit dem höchsten Shivabewußtsein zu kommen und den Kreislauf der Geburten zu beenden, muß der Yogi durch geheime Übungen (Kundalini Yoga, Hatha Yoga, Kriya Yoga etc.) sein Bewußtsein von Chakra zu Chakra immer höher emporheben (verfeinern). Es ist dies der rückläufige Schöpfungsprozess. Dies geschieht dadurch, daß die im untersten Chakra (Mulhadhara Chakra) schlafende Kundalini erweckt wird (durch Atemübungen und Hitze- und Lichtimaginationen) und stufenweise in immer höhere Chakras (Bewußtseinszustände) gehoben wird.

 


Die schlafende Kundalini



HP Ballabene