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Rudolf Raimund Ballabene (1890-1966)
(von Alfred Ballabene)

Rudolf Raimund Ballabene wurde am 19. Februar 1890 als jüngstes unter zehn Kindern geboren und verlebte die ersten Jahre in seinem altadeligen Elternhaus in Zurndorf, Burgenland, damals noch Ungarn. Sein Vater war Chemiker und leitender Direktor der Dynamit-Nobel-Fabrik in Zurndorf. Der Blick aus allen Fenstern schweifte über Gärten und wogende Kornfelder, denn das Haus lag abseits des Dorfes. Hier während seiner Kindheit entstand die tiefe Liebe und Verwurzelung mit der durchsonnten Weiträumigkeit und den schlichten und dennoch abwechslungsreichen Dorfidyllen des Burgenlandes.

Nachdem sein Vater in die Dynamit-Nobel-Fabrik nach Zamky versetzt wurde, wechselte der damalals Zehnjährige in das k. und k. Stifts-Gymnasium zu St. Paul in Kärnten. 1905 und 1906 besuchte er ein Gymnasium in Preßburg. Aus dem Jahr 1909/1910 finden sich Zeugnisse aus einer Handelsakademie in Prag, wohin seine Eltern mittlerweile abermals übersiedelt waren (8, 12). Sein Vater leitete dort inzwischen eine Fabrik von Dynamit-Nobel, mitten im Wald (9). Friedrich Hölzlin, der Schauspieler, schreibt darüber (1):

An der Hochschule in Prag inskribierte R.R.Ballabene Germanistik und Philosophie und wandte sich der Journalistik zu, nur deshalb, weil ihm sein Vater den Malerberuf verboten hatte: ,,Mit der linken Hand willst Du malen. Du Narr" lachte sein Vater, als er, der Linkshänder, den Wunsch äußerte, auf die Kunstakademie zu gehen (9).

Neben dem Studium widmete er sich weiterhin (von 1909 bis 1914) der Schauspielkunst, was vom Vater offenbar eher toleriert wurde als das Malen. 1913 gehörte er zum Ensemble des Königlich Deutschen Landestheaters in Prag, in welchem er kleinere Rollen spielte. Uber diese Zeit schrieb Friedrich Hölzlin (1):

Das Leben von R.R.Ballabene hätte mit dem Theater seinen weiteren Verlauf genommen, hätte ihn der erste Weltkrieg nicht aus dieser Bahn geworfen. Er kämpfte im österreichischen Heer als Offizier (2) und wurde wegen seiner Tapferkeit mehrfach ausgezeichnet.

Als der Krieg zu Ende war und die Monarchie in Trümmern lag, versuchte Ballabene nach seinen Vorstellungen am Wiederaufbau zu arbeiten und schlug die politische Laufbahn ein. Es war ein kurzes Intermezzo, von dem er sich später distanzierte und zu keinem Gespräch darüber zu bewegen war (3). Zusätzlich zu den Enttäuschungen brachte es ihm nach einem Umsturz: das Gefängnis ein (4), aus dem er erst nach Jahren, auf Fürsprache kirchlicher Autoritäten, frei kam.

Krank und entwurzelt suchte er seine Bekannten in Prag auf. Friedrich Hölzlin war sein bester Freund und blieb es auch durch sein weiteres Leben. Über diese Zeit schrieb Hölzlin (1):

Dem Theater widmete sich R.R.Ballabene in jener Zeit in erster Linie aus Liebe hierzu; seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Journalist.

Am 16. Mai 1928 heiratete R.R.Ballabene seine Frau Elvira, geb. Wassermann (5), die sich Zeit seines Lebens als Managerin seiner Bilder betätigte. Nach seiner Heirat widmete er sich ganz der Malerei (10). ,,Ungewöhnlich schnell erwarb er sich einen guten Ruf als Landschafter, als Maler von Prager Motiven und von überaus wirkungsvollen Blumenstücken sowie von Pferdebildern." (13)

Die künstlerische Laufbahn Ballabenes, der sich als Maler in Prag bereits einen geachteten Namen erworben hatte. geriet während des zweiten Weltkrieges in Schwierigkeiten. In einem Brief nach Köln (6) schrieb der Künstler:

1941 erlitt der Maler den Verlust aller seiner Bilder, gerade zu jenem Zeitpunkt, als diese für eine Ausstellung vorbereitet waren (14).

Am 15.Sept.1943 erfolgte das Verbot der künstlerischen Berufsausübung:

R.R. Ballabene malte illegal weiter. Ein notdürftiger Lebensunterhalt war dadurch möglich. Wie das abgelaufen ist kann man aus dem Buch von Peter Demetz "Mein Prag, Erinnerungen 1939 bis 1945", Seite 200, entnehmen. (Paul Zsolnay Verlag, Wien, 2007; ISBN 978-3-552-05407-3 )

Unter den von damals noch erhaltenen Dokumenten befindet sich eine Bestätigung über einen Krankenhausaufenthalt vom 24.4.1944 bis 17.5.1944 des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses des Protektorates Böhmen und Mähren auf den Königlichen Weinbergen (Unterteilung für Infektionskrankheiten). Darüber erzählte Elvira Ballabene folgendes: Durch Kontaktpersonen erhielten wir den Hinweis. daß ein Transport nach Auschwitz vorgesehen sei und alle Mischehen auf der Liste stünden. Ein guter Bekannter verschaffte dem Meister einen Krankenhausaufenthalt, durch welchen er als transportunfähig erklärt wurde.

Nach dem Krieg war das Leben in Wien keineswegs einfach, wenngleich auch der Druck der Verfolgung wegfiel. In einem Brief nach Köln (6) schreibt der Künstler:

Trotz all der Schwierigkeiten gelang es Ballabene durch seine Kunst das Auskommen zu finden; hinzu kam auch Unterstützung von Seiten des Burgenlandes, das seinen Sohn nicht vergaß. Zu den Unterstützungen durch das Burgenland gehörten monatlich zugesandte Förderungen, gelegentliche Bildankäufe und die Möglichkeit durch Vorträge und Filmvorführungen im Rahmen der burgenländischen Kultur- und Fremdenverkehrswerbung zu einem geregelten Einkommen zu gelangen. Daß es sich dabei um keine hohen Beträge handeln konnte, ist insoferne verständlich, als das Burgenland damals das finanzschwächste Bundesland war, das zudem am stärksten unter Kriegsschäden zu leiden hatte. Man kann sich das heute, wenn man durch das Burgenland fährt schwer vorstellen. Gerade der Umstand aber, daß das Land zu jener Zeit entwicklungsmäßig hinter den anderen Bundesländern zurückstand (die Unternehmen hielten sich mit Investitionen in dem russisch besetzten Land zurück) und die finanzielle Not des Malers führten zu einer besonderen Aussage der Kunst: der Maler studierte bei seinen Vortragsreisen, die ihn durch das Land führten, die noch naturbelassenen Schönheiten des Landes und die damals noch unberührte Dörflichkeit und hielt sie in Bildern fest. Das Burgenland machte ihn auf seine Motive aufmerksam, erweckte die unvergessenen Kindheitsträume des Künstlers zu neuem Leben und formte ihn solcherart zum burgenländischen Maler, der er zeitlebens blieb.

Bei allen finanziellen Schwierigkeiten mangelte es dem Maler nicht an Anerkennung. Es erfolgten mehrere Ausstellungen; die erste bereits am 24. März 1946 durch die Gemeinde Wien, in den Ausstellungsräumen in der Dorotheergasse im 1. Bezirk. Eine schriftliche Beurteilung einiger seiner Gemälde durch den damaligen Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen, Hofrat Dr. Alfred Stix, im Jahre 1949 bereitete dem Künstler viel Freude (16).

Ab Mitte der Fünfzigerjahre waren genügend Sammler im In- und Ausland, um dem Künstler ein bescheidenes aber sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Die folgenden Jahre waren reich an Schaffenskraft und die Bilder gewannen zunehmend an Reife.

In den letzten Jahren des Künstlers akkumulierte sich die visionär-halluzinative Schaukraft des Malers, so daß äußere Welt und innere Projektionen sich derart überlagerten, daß der Maler in einer anderen als der von uns gesehenen Welt lebte. Die Bilder bekamen eine transzendent-visionäre Aussage, wobei psychisch-dynamisches Geschehen in den Vordergrund rückt. Die dargestellten Figuren sind nicht mehr seine Mitmenschen, skizziert im Kaffeehaus oder bei seinen Fahrten durch das Burgenland, sondern sind Aspekte seiner Persönlichkeit oder Gestalt gewordene, verselbständigte Erinnerungen. Alles nicht statisch, sondern einer ständigen Veränderung unterworfen, in permanenter Wechselwirkung mit dem Künstler. Für diesen bewegten sich die Figuren als lebendige Gestalten in den Bildern, als wären diese eine Art Spiegel. In langen Zwiegesprächen sah man den Künstler oft davor stehen, lachend, scherzend, wobei er wie eine Art Dolmetscher seiner Frau Ananda und seinem Adoptivsohn Alfred (7) den Charakter und die Wesensart der jeweiligen Gesprächspartner schilderte.

Die von ihm in Bildern erschaffene Welt war zum Leben erwacht, sie erfreute ihn und ängstigte ihn, sie war eigenständig und außer Kontrolle des Malers, der vom Künstler zum Magier wurde.

Am 22.Aug.1968 verstarb der Künstler, der noch eine Woche vor dem Koma sein letztes Bild malte.


Wer bin ich?


Wer bin ich? So stellt ich die Frage
Von allem Anfang mich.
Wer bin ich?
Frag ich bis zum letzten Tage
Und meine Seele spricht:
,,Ich bin ich",
Ich bin die Form, die sich vergeistigt
Ich bin der Geist, der Form annahm
Ich bin die Lust vom Schmerz gepeinigt
Ich bin der Schmerz, den Wollust überkam.
Ich bin die Schöpfung, die Geschöpf sich nennet,
Ich bin der Wille, der sich selbst entwillt
Ich bin das Eine, das vom Ich sich trennet
Ich bin der Tod, aus dem das Leben quillt.

von R.R. Ballabene


Anmerkungen:

(1)
Friedrich Hölzlin: ,,In Erinnerung an den Meister Rudolf Raimund Ballabene". Broschüre in Heftform, im Oktober 1968 an Ananda Ballabene adressiert.

(2)
R.R.Ballabene: ,,Die blaue Teekanne", Kapitel ,,Standschützen":

(3)
In einigen Gedichten läßt er seine Erfahrungen über diesen Lebensabschnitt durchblicken:

(4)
Wurde unter der Regierung Horthy mehrere Jahre eingekerkert.

(5)
Elvira Ballabene war das uneheliche Kind der Tochter eines Oberrabbiners. Ihre Mutter war nach den Erzählungen Klavierlehrerin bei einem tartarischen Großfürsten, in dessen Sohn sie sich verliebte und von dem sie die Tochter bekam. Aus Standesgründen konnte nicht geheiratet werden und es wurde die Mutter gebeten die Herkunft des Kindes zu verschweigen. Nach damaligen Gesetzen konnte der Vormund des Kindes nur ein Mann sein, weshalb dieses dem nächsten männlichen Verwandten, nämlich dem Großvater in Obhut gegeben wurde. Die Mutter lebte nicht in dieser jüdischen Gemeinde und so wuchs das Kind elternlos und in einer Großfamilie auf, mit nur dem Großvater als Bezugsperson, der sich dem Kind nur wenig widmen konnte. Vom Rest wurde sie nur als Schandfleck der Familie betrachtet und hatte zeitlebens darunter gelitten. Sobald Elvira großjährig war, verließ sie diese Gemeinde und trat zum Christentum über.

6)
Brief von R.R.Ballabene am 29.Sept.1958 an den Regierungspräsidenten in Köln, Abteilung 14 (Härtefonds für Geschädigte im Ausland) geschrieben.

(7)
Die Adoption erfolgte erst nach dem Tod des Künstlers, jedoch lebte Alfred Ballabene (damals um die dreißig Jahre) während der letzten Jahre des Künstlers mit ihm und seiner Frau in dessen Atelier-Wohnung und hatte bei ihm den Status eines Sohnes.

(8)
Die Ballabenes waren ursprünglich italienische Bankiers (Lombardei) und wohnten durch spätere Jahrhunderte in Prag, wo sie zu den Patriziern der Stadt zählten.

(9)
Aus der ,,Sudetendeutsche Zeitung", 9.Jahrg., Folge 45, München, 7. November 1959. Dort steht auch:

10)
Ebenda.

11)
R.R.Ballabene: ,,Aus der Zeit der Verfolgung", Kapitel ,,Die arische Großmutter"

12)
,,Prager Nachrichten", XIX, Nr.10, Oktober 1968, Seite 16; Herausgeber R.Hemmerle, München: Verlag R.Lerche.

13)
Ebenda

14)
Diese Koinzidenz dürfte nicht zufällig gewesen sein. Es sieht vielmehr so aus, als hätten einige Leute der Gestapo oder einer übergeordneten Instanz Gefallen an den Bildern gefunden und sich diese auf illegale Art zugelegt. Der Meister (15) erzählte mir folgendes: Nachdem er einige Tage in Haft war und gelegentlich verhört wurde, legten sie ihm einen Schein vor, in welchem er sich erklären mußte, die Bilder der Gestapo zu überantworten. Sie sagten ihm kurz und bündig, wenn er herauskommen wolle, müsse er unterschreiben. Er tat dies, bekam noch eine kräftige Ohrfeige und konnte gehen. Zu Hause angekommen fand er keine Bilder mehr vor.

15)
Die Bezeichnung ,,Meister" ist eine Gewohnheit, die R.R.Ballabene aus der Tschechoslowakei mitgenommen hatte. Die Tschechen apostrophieren jeden Künstler mit ,,Meister".

16)
Schriftliches Gutachten vom Generaldirektor der staatl. Kunstsammlungen, Hofrat Prof.Dr. Alfred Stix, vom 16.Dez.1949, mit der Angabe des Schätzwertes von 14 Ölgemälden.



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