Ein Reiter am Himmel
Endlose Weite von Schnee und Eis,
glitzernd im Sonnenlicht,
und hellblauer Himmel,
beides vereint am Horizont.
Bedeutungslos werden Raum und Zeit.
Staunend erhebt sich der Blick zum Himmel,
durch die Lüfte jagd ein Reiter,
weit wallend sein Umhang,
dunkel sein Ross,
glitzernd vom Schweiß aus tausend Diamanten.
Ein Rudel silberner Wölfe im Gefolge,
alle im stillen Jubel,
aufgehend in der Weite,
die Unendlichkeit ist nah.
Erstaunt blickt der Reiter zur Erde;
er sieht die Menschen im einsamen Land,
den Blick zu ihm erhoben.
Jäh wendet er sein Pferd.
Zu ihnen hinab geht sein Flug.
Chaos im Rudel der Wölfe,
zu schnell war der Reiter.
Ein Lachen,
unhörbar für die Ohren,
überwältigend stark für die Herzen.
Die Erde erbebt vor Freude,
aus dem Eis wächst ein Teppich aus Blumen,
a us Liebe entstanden
für Odin,
den Vater der Menschen und Götter.
Odin und Lokis Zauberwerk
Du wanderst durch Städte einer veränderten Welt,
geliebter Odin, Vater der Götter und Menschen.
Ich fühl Dich nah und frage mich,
ob Dir der Lärm und Trubel hier gefällt?
Welch Zauber, nichts ist wie einst geblieben!
Die Menschen sind voll Zweifel und voll Ängste,
Weisheit, Stärke, die Du lehrtest, haben sie vergessen.
So leben sie ohne Ziel, verwirrt und sind getrieben.
Es ist Lokis Werk, er hat die Welt geprägt,
doch dient er, Odin, im Geheimen Dir,
er duldet keine Trägheit, verändert stets und prüft.
Sein Zeichen ist die Unrast, welches die Welt nun trägt.
Die Menschen haben ihren Weg verloren;
noch merken sie es nicht,
doch wenn die Not am größten ist,
wirst, Odin, Du in ihren Herzen neu geboren!
Geliebter Odin, der Du lehrst die Schwächen zu besiegen,
der Du das heilige Wasser hast getrunken,
der Du Vergangenheit und Zukunft kennst,
ich seh’ Dich lächeln und zufrieden.
Odins Blick
Strahlend, forschend aus endlosem Raum
fühl ich auf mich gerichtet einen machtvollen Blick.
Er durchleuchtet meiner Seele Tiefe,
weckt mich aus meinem Alltagstraum.
Ich lausche, lass meine Gedanken schweigen,
um auszuloten meinerseits die Kraft.
Ich balle meinen Willen und blick zurück,
auf dass der Ursprung jener Kraft sich mir möcht zeigen.
Ich höre fröhlich Lachen über die Verwegenheit,
den Mut des kleinen menschlich Wesens,
das sich entgegenstellt, als wär es seinesgleichen,
das ohne Furcht zu widerstehen ist bereit.
Auch ohne, dass er seinen Namen mir genannt,
hab ich erspürt die Quelle von dem tiefen Blick.
Odin ist's, er konnt sich nicht vor mir verbergen,
sein Wesen ist mir allzusehr vertraut und wohl bekannt.
Die Rabenfeder
Den Feldweg geh ich, in Gedanken an vergangne Zeiten,
träumend von Igor, meinem nachtschwarzen Pferd,
das ich über der Schwelle im Jenseits nur kann reiten.
Dort werd ich mit ihm weiter ziehn durch Raum und Zeit,
durch Nebelwelten und Regenbogensphären,
bis auch jene Illusion wir abzulegen sind bereit.
Dann sind wir beide frei geworden von dem Traum,
der Freude, Leid und Leben schafft und Leben nimmt,
sind jenseits dann von Zeit und Raum.
Nun bin ich ohne Pferd und geh zu Fuß,
gehüllt in meinen braunen Reitermantel.
Ich denk an Odin, send' ihm einen Gruß!
Da seh’ ich eine Rabenfeder auf dem Wegesrand.
Ich bück mich, freu mich über Odins Zeichen,
stecke auf den Hut die Feder, winke mit der Hand.
Ich fühle mich in tiefer Liebe Dir verbunden,
du bist mir immer nah und zeigst es mir
durch eine schwarze Feder, die ich gefunden.
Odins Opfer
Vom Drang besessen zu erkennen und verstehn das Leben,
um aller Welten Weisheitstiefen auszuloten,
bist abgestiegen Du zu Mimir, an des Weltenbaumes Wurzel
und hast Dein Aug im Austausch hingegeben.
Mit einem Auge nun durchwanderst Du die Welt,
die Deinen Blick nicht mehr vermag zu bannen,
mit ihrem Zauber Dich nimmermehr kann umgarnen,
sie hat für Dich die Kraft verloren, die uns gefangen hält.
Das andre Auge hast verloren nur zum Schein,
in des Brunnen Tiefe ruht es wohl,
doch bleibt es nach wie vor mit Dir verbunden,
verwurzelt mit der verborgnen Seite von dem Sein.
Neun Tage bist an der Esche Du gehangen,
die Zeit, sie blieb für Dich wohl stehn,
die Illusionen fielen ab durch Schmerzen,
der Weltenzauber hält Dich nimmermehr gefangen.
Du hast gelitten, warst durch den eignen Speer verletzt,
hast durchgestanden tausend Qualen,
mit grenzenlosem Mut Dich hingegeben,
hast die Erde mit Deinem Blut benetzt.
Deinen Körper hast Du geopfert, Deinen Geist befreit,
gezeigt, dass innerer Fortschritt heißt sich zu verschenken.
Ich merk es, Du erwartest Gleiches nun von mir!
Ich fürchte mich und frage mich: bin ich dazu bereit?
Die wilde Jagd und neues Leben
Es heult der Wind, es peitschen Eis und Regen,
es türmen drohend schwarz die Wolken sich,
eine wilde Schar mit einem Reiter an der Spitze,
Blitze schleudernd, sieht dahin man fegen.
Das ist ein neuer Aufbruch durch der Elemente Kraft,
die hinwegfegt Totes und Verwelktes,
und Altvertrautes, das erstarrt ist, nieder reißt.
Durch dieses Toben Odin neues Leben schafft.
Doch wehe wenn die wilde Jagd tobt in der Seele innen!
Was ruht, sich nicht bewegt, dem Eis des Winters gleicht,
doch was uns aufwühlt, lässt nach neuen Wegen suchen.
Schmerzvoll zerbricht das Alte, neu musst du beginnen.
Vergeblich suchen wir nach Licht und fühlen uns verloren.
Doch wenn das Tal der Dunkelheit durchschritten,
dann öffnet sich die Sonne warm in unsren Herzen,
beglückt und wohl erstaunt auch fühlen wir uns neu geboren.
Odin, Wanderer, zeig mir den Weg
Als Kind ging wohlbehütet ich durchs Leben,
dachte später Gärten zu gestalten an des Vaters Seite.
Ich reiste durch die Länder, um hierfür zu lernen,
doch ward mir eine andre Zukunft vorgegeben.
Zurück gekehrt zerfiel die Hoffung auf ein Heim,
wer andrer nahm den Platz an meiner Stelle.
Auch war ich ohne Freunde durch die Jahre in der Ferne,
ich fand verloren mich und bitterlich allein.
Ich ahnte nicht, dass ich jetzt ungebunden war und frei.
Gleich einem Vogel dessen Welt ein Käfig war
und dem des Himmels helle Weite unbekannt,
fand ich verloren mich und wusste nicht was wahre Freiheit sei.
Frei zu sein von Bindung, Haus und Habe,
wenngleich auch ohne Schutz und wohlgemeintem Rat,
sind wir genötigt uns auf Selbstvertrauen zu stützen,
auch sind unsre Hände leer, um zu empfangen Odins Gabe.
So war es Brauch und vorgeseh’n durch alle Zeiten:
um Odin gleich zu wandern, sei frei von jeder Last,
mit Einsamkeit und Stille als Begleiter,
lernst du dich öffnen und dich weiten.
Noch war ich nicht so weit und suchte im System,
hoffte zu finden Weisheit, Können, wie gelehrt in Büchern
und ahnte nicht, dass dem der auserwählt,
der Weg ist schwer und nicht bequem.
Und in meiner Seele Odins Stimme immer wieder rief:
„Sei frei, geh nicht auf ausgefahrnen Wegen,
verschlungen ist der Pfad, kennt weder fern noch nah,
lass die Weisheitslehren, wende den Blick nach innen tief.“
Doch ich begriff den Sinn von Odins Rufen kaum.
Ich glaubte, was die Weisheitslehren mir versprachen,
glaubte, dass man den Fortschritt könnte zäh erringen.
Geduldig lehrte Odin mich zugleich das Sehen durch den Traum.
In klaren Träumen zeigte mir er ungeahnte Weiten,
wie groß und wunderbar der Schöpfung Welten,
wie groß die Not durch Irrungen der Seelen,
dass selbst zu überwinden wären weite Räume, ferne Zeiten.
Auch lehrte er mich zu versenken tief im Stillen,
zu Lauschen nach dem feinen Raunen allen Lebens,
zu achten auf den Fluss der inneren Kräfte,
von Wünschen unbeirrt zu stärken meinen Willen.
Und weiter lehrte Odin mich ekstatisches Entzücken,
und einem Maler gleich das Schöne zu erschauen,
zu horchen auf die Harmonie der Wechselspiele
und sprengte meine Fesseln durch Entrücken.
Nach langen Zeiten hab ich erkannt und will es nun bekunden:
Einst rief ich laut: „zeig mir den Weg, oh Wandrer Odin“.
Er zeigte mir, dass keinen vorgezeigten Weg der Sucher kennt.
Es gibt ein Lernen und ein Wachsen nur, hab ich gefunden.
Sleipnir
Sleipnir, schneller als ein Adler, bestes aller Pferde,
mit Deinem Reiter Odin durchquerest Du die Lüfte,
durchbrichst die Grenzen zwischen Götterwelt und Erde.
Ekstase ist's, was hoch Dich in den Lüften hält,
wild ist Dein Flug und nicht zu bremsen,
weißer Schaum aus Deinem Maul zu Boden fällt.
Aus Deinem Schaum entsprießen Pilze leuchtend rot.
Ein Geheimnis bergen sie, einst heilig, nun vergessen,
sie brachten Götterflug, doch oft auch nur den Tod.
Odins Knotenträger wisse, es braucht Schulung und viel Mut.
Tief in Versenkung musst hinab du gleiten,
dann wird die Seele frei, derweil dein Körper ruht.
Auch ohne Pilz kannst du den Seelenflug erlangen,
was dich macht frei ist Sehnsucht und Erhebung,
dann bist nimmermehr im Körper du gefangen.
Und wenn die Seele frei, dann flieg!
Erhebe dich, erkunde fremde Seelenwelten,
als Odins Kind hast Du errungen einen Sieg!
Aus „Eine Kette aus roten Perlen“,
gratis ebook: http://www.paranormal.de/ebooks/
Warum ich Odin liebe
Bilder ziehn vorbei und ich kann sehn,
wie Menschen beten und die Götter preisen
und auf den Knien um Gnade flehn.
Hoch oben ihre Götter thronen,
fernab der Welt und sehr erhaben,
um als Herrscher ihre Diener zu belohnen.
Nur einer ist es, der aus der Reihe schlägt,
der seine schöne Götterwelt verlässt,
und uns sich zugesellt, was mich zutiefst bewegt.
Als Wandrer zeigt er, dass er die Menschen liebt,
mit ihnen spricht und Anteil nimmt
und um zu helfen, sich in manches Haus begibt.
Ich liebe Dich, denn nirgends sonst ich eine Gottheit sah,
die scherzte, sang und zechte
und mit Humor den Menschen war so nah.
Die wilde Jagd:
Grelle Blitze durchzucken die Nacht.
Sleipnirs Hufe donnern über die Wolken.
Odins Stimme jauchzt vor Freude,
verwoben mit dem Dröhnen des Sturms.
Enthoben eilt er durch die Lüfte.
Ekstase, welche die Grenzen verwischt,
die Grenzen zwischen Tod und Leben.
Welch Glück, ohne Grenzen zu sein!
Die wilde Jagd:
Welch Schrecken unter den Menschen.
Sie verkriechen sich hinter dicken Mauern.
„Hüte dich vor der Nacht“ rufen sie,
„schließe die Türen, bleib in der Hütte!“
Wie fürchten sie die Nacht der wilden Jagd,
die an den Wänden ihrer Illusionen rüttelt!
Aus „Der Tod und sein Lehrling“, SSE Verlag, Wien, 2008, ISBN 978-3-901975-37-0
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