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Intelligent Design oder Kreationismus Version 2.0

Nobby * schrieb am 1. August 2006 um 18:55 Uhr (737x gelesen):

Denke das ist ganz interessant ;-).

Gruss
Nobby

Schöpfung vs. Evolution

von Kristian Büsch

Vor allem in den USA tobt seit Jahren ein erbitterter Streit um den Biologieunterricht in Schulen. Kurz gesprochen verneinen Kreationisten und Anhänger der These des Intelligent Design die Evolutionslehre. Geht es nach ihrem Willen, wird Darwin aus den Schulbüchern verbannt. Seit einiger Zeit verlagert sich dieses Schlachtfeld nun auch nach Europa.
In Italien wurde Darwins Entstehung der Arten erst nach massivem Widerspruch wieder in den Lehrplan aufgenommen, in Deutschland lud unlängst Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus den bekannten Evolutionskritiker Siegfried Scherer zu einer Diskussionsrunde in die Erfurter Staatskanzlei ein. Erst nach heftigen Protesten und der Absage des ebenfalls eingeladenen Kasseler Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera machte die Staatskanzlei einen Rückzieher.
Am Anfang war ein ... höheres Wesen
Was neuerdings unter dem Begriff Intelligent Design durch die Medien geistert, ist eigentlich ein alter Bekannter. Die Kreationisten – und nichts anderes verbirgt sich hinter dem Begriff des "intelligenten Entwurfes" – bestreiten, dass es so etwas wie die Evolution gegeben hat. Ihrer Ansicht nach ist das heutige Leben viel zu komplex, als dass es sich durch "Zufall" herausgebildet haben könnte.
Nun hat Darwin nicht behauptet, dass die Entstehung der Welt in ihrer heutigen Form irgendetwas mit Zufall zu tun hat, das spielt in dieser Diskussion allerdings auch keine Rolle. Intelligent Design vermutet, dass eine übernatürliche Intelligenz bei der Schaffung des Menschen und auch aller anderen Geschöpfe ihre Hand im Spiel gehabt hätte. Was diese höhere Intelligenz ist, wird nicht näher ausgeführt, auch wenn die Implikation klar ist, dass es sich um Gott handelt.
Im Gegensatz zu früheren Attacken auf die darwinistischen Ideen vermeiden die Kreationisten vom Intelligent Design-Schlage in diesem moderateren Gewand es also tunlichst, Gott explizit mit ins Spiel zu bringen. Fans und Freunden von Heinrich Bölls Werken wird das bekannt vorkommen, in "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen" plagen einen Kulturpapst plötzlich Zweifel und er besteht darauf, dass das Wort Gott aus seinem kürzlich aufgenommenen Interview herausgeschnitten und durch "jenes höhere Wesen, das wir verehren" ersetzt wird; ganze 27 Mal.
Im Prinzip macht Intelligent Design genau dasselbe, wenn es jene höhere Intelligenz postuliert – einen Schöpfer, der das Leben erschaffen hat. Was sie nicht erwähnen ist, dass es ganz handfeste Gründe dafür gibt, dass Gott plötzlich aus dem Spiel ist. Die Kreationisten wollten Darwin aus dem Biologieunterricht verbannen und durch ihr theistisches Weltbild ersetzen.
Die kreationistische Lehre – wie ein Gericht in Louisiana 1987 urteilte – diene jedoch religiösen und nicht wissenschaftlichen Zwecken, habe an Schulen also nichts verloren. Aus dieser Schlappe hat man gelernt, das Wort Gott taucht im Weltbild des Intelligent Design nicht mehr auf.
Kreationismus, Version 2.0

In ihrer Selbstdarstellung beschreibt die Bewegung ihr Konzept so: Bestimmte Phänomene des Universums und des Lebens erklären sich am besten, wenn man dahinter eher eine Intelligenz, einen Plan vermutet, als einen so planlosen Prozess wie zum Beispiel die natürliche Auslese. ID (Intelligent Design) ist demnach eine Wissenschaft, die nach einem Muster sucht – einem Hinweis auf den großen Plan, der hinter allem steckt.
Man betätigt sich in einer ganz Reihe von Forschungszweigen, zum Beispiel der Anthropologie, Forensik, der Geheimschriftanalyse und natürlich der Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI). Wiederum nach eigener Aussage ist ID kontrovers, eher wegen der Implikationen seiner Forschungsergebnisse als wegen deren Gewicht. Wissenschaftliche Forschung solle objektiv sein ohne Rücksichtnahme auf mögliche Verwicklungen ihrer Ergebnisse, ganz ausdrücklich und besonders bei der Entstehung der Arten, handele es sich hier doch um eine Wissenschaft, die unausweichlich mit Religion in Konflikt kommt.
Diese Eigendarstellung ist höchst interessant. Obwohl hochgradig verklausuliert, lesen wir hier Kreationismus pur: Die treibende Kraft hinter allem ist ein höheres Wesen, dass sie damit keine kleinen grünen Außerirdischen meinen, dürfen wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen. So ganz nebenbei erklären sie wissenschaftliche Forschung, wie sie bisher betrieben wird, für ketzerisch und motiviert von bewusster Irreleitung der Massen, da sie angeblich die Konsequenz der eigenen Ergebnisse fürchtet, die ja auf einen Schöpfer hinauslaufen würde.
Es ist diese bewusste Verschleierung der eigenen Absichten, die Intelligent Design als Strömung so gefährlich macht. Wenn man so nebulös über Muster im Universum schwadroniert; über subtile Pläne, die sich durch bloßen Zufall nicht erklären lassen, bedient man eine geheime Sehnsucht in uns, das große Mysterium; eine Strategie, die schon Scientology recht erfolgreich verfolgte.
ID schmeichelt uns, erlaubt es, ganz beruhigt an Gott zu glauben, der am Ende schon alles richten werde. Der Mensch ist mehr als nur ein Produkt jahrmillionenlanger Evolution, wir sind keine "nackten Affen", wie es Desmond Morris einst und so trefflich formulierte.
In Deutschland wurde die Debatte um den Kreationismus an Schulen lange eher belächelt. Tatsächlich macht es unser Schulsystem, das Lehrpläne staatlich reguliert, eher unwahrscheinlich, dass Darwin aus dem Biologieunterricht verbannt wird. Das Beispiel Italien zeigt aber, dass der Streit Europa erreicht hat. Immerhin wurde Darwin zeitweise und auf Weisung der amtierenden Bildungsministerin aus den Schulbüchern verbannt. Sind wir dagegen immun?
Vor drei Jahren gewann der Münchener Mikrobiologe Siegfried Scherer mit seinem Werk "Evolution – ein kritisches Lehrbuch" den deutschen Schulbuchpreis. Ob man es glauben mag oder nicht, doch ein stark kreationistisch geprägtes Buch gewann hierzulande einen verdächtig seriös klingenden Buchpreis. Nun muss man anmerken, dass dieser "deutsche Schulbuchpreis" vergeben wird von einem Kuratorium, das Werke auszeichnen soll, die "Ehrfurcht vor Gott" vermitteln, doch wer weiß das schon?
An Unwissenheit kann es beim thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) nicht gelegen haben. Er hielt seinerzeit die Laudatio auf Scherer, der übrigens nicht einmal versuchte, eine offizielle Zulassung für sein "Lehrbuch" zu bekommen. Als Althaus nun versuchte, Scherer ein Podium zu verschaffen in Form einer Veranstaltungsreihe in der Erfurter Staatskanzlei, brach ein Proteststurm los.
Zwar bestreitet der Pressesprecher der thüringischen Staatskanzlei, dass man Lobbyarbeit für die Kreationisten betreibe, ein etwas fader Nachgeschack bleibt aber schon. Dass man lediglich ein Forum schaffen wollte, wo Vertreter verschiedener Theorien ihren Standpunkt zur Entstehung des Lebens diskutieren können, mag man nicht so recht glauben in Anbetracht der Tatsache, dass der Chef dieser Staatskanzlei den Autoren Scherer als ein "sehr gutes Beispiel für werteorientierte Bildung" gelobt hat.
Nun ist freie Meinungsäußerung natürlich nicht verboten und es sei jedem frei gestellt, zu glauben was er will, der Staat allerdings hat eine gewisse Verantwortung. Kirche und Staat sind aus gutem Grund getrennt. Es kann nicht angehen, dass ein amtierender Ministerpräsident seine Position ausnutzt, um einen persönlichen Kreuzzug zu führen. Cornelia Pieper (FDP), die Vorsitzende des Forschungsausschusses im Bundestag, kritisierte denn auch, die Äußerungen des Ministerpräsidenten seien "nicht nachvollziehbar".
Talibanisierung des Biologieunterrichts

Im US-Bundesstaat Missouri können ab 2006 Lehrer entlassen werden, die sich weigern, Evolution und Intelligent Design gleichwertig zu unterrichten. Prominenter Unterstützer dieses Gesetzes ist der amtierende US-Präsident George W. Bush.
Die Neue Zürcher Zeitung nannte das Phänomen die "Talibanisierung des Biologie- und Wissenschaftsunterrichts". Laut einer bei dieser Gelegenheit präsentierten Gallup-Umfrage glauben mittlerweile stolze 57 Prozent der Amerikaner an das von den Kreationisten postulierte "Schöpfer-Modell", gerade einmal ein Drittel der Befragten akzeptiert die Evolutionslehre.
Nun mag man denken, dass Amerikaner per se nicht besonders helle sind, doch sind solche Zahlen Angst einflößend. Die USA sind auch kulturell eine Hegemonialmacht und wer das nicht glaubt, schaue in eine beliebige Fernsehzeitung. Sollten die Kreationisten Hollywood erobern, kennen wir Dinosaurier bald nur noch aus Jurassic Park.
Eine jüngste veröffentlichte Erhebung des Pew Research Center gibt an, dass 64 Prozent der Amerikaner die Vermittlung kreationistischer Lehren an der Schule wünschen. Ein amerikanischer Museumsdirektor hat kürzlich ein Handbuch für Museumsführer herausgegeben, die nicht wissen, wie sie auf die verbalen Angriffe bibeltreuer Darwin-Feinde reagieren sollen. Es ist ein Dokument der Hilflosigkeit, dass beweist, wie weit es mittlerweile gekommen ist.
Ob man diesen Auswüchsen noch lange mit Humor begegnen kann wie der Physiker Bobby Henderson, der eine Religion gründete, die ein fliegendes Spaghetti-Monster als Schöpfer von Himmel und Erde verehrt, ist fraglich. Besonders in der Internetgemeinde ist Henderson natürlich eine Kultfigur und es gibt mittlerweile echte Pastafarians. Am immer größer werdenden Einfluss der Kreationisten in ihrer neuen Epiphanie des Intelligent Design ändert das nichts.
Heißt es also bald wieder"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und sie ward eine Scheibe"? Ganz privat glauben viele Darwinisten mittlerweile bestimmt, dass von einem "intelligenten Entwurf" schon allein deswegen keine Rede sein könnte, weil er auch die Kreationisten des amerikanischen Bible Belt hervorgebracht habe.



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