Re: Jung'scher Schatten
Rebecka schrieb am 27. März 2004 um 7:56 Uhr (637x gelesen):
Thelema, liebste Myrrhe!
Ich betrachte den Begriff "Schatten" aus Blickrichtung Jung'scher Psychologie und analytischer Therapie. Danach wird dieser nicht direkt "an uns herangetragen", sondern es handelt sich um ein konstruktives Wechselspiel.
Weder deterministisch, noch indeterministisch, wenn Du so willst.
Mit einem sicheren Sinn für unsere Entwicklung erschaffen wir Wirklichkeiten, die uns dazu bringen, jenen Lerninhalt zu begreifen, um den es geht. Aus radikalkonstruktivistischer Sicht sind wir die Konstrukteure unserer Welt.
Aus tiefenpsychologischer Sicht ist es jener Sinn für's Drama, der uns wieder und wieder vor die Neurose führt, bis sie schwindet (leider ist dieses "Schwinden" oftmals der Tod selbst).
Aus jung-psychologischer Sicht ist es der Schatten, der uns regiert; und dies umso mehr wir versuchen, ihm zu entkommen.
So - an diesem Beispiel hier - will vielleicht jemand aus Schuldgefühlen heraus kein Fleisch mehr essen, fühlt sich aber sozial abgelehnt für diesen Gedanken (und das geschieht ja auch nicht gerade selten, denn der Fleischesser ist oft sehr aggressiv und behandelt den Vegetarier oder gar Veganer immer mit den Worten "Fanatiker" und anderen Weniger-Nettigkeiten). Eine noch vorhandene profunde Unsicherheit erschafft nun genau jenes Verhalten, für das es Ablehnung gibt: eine gewisse Radikalität in den Äußerungen. Die Unsicherheit bezieht sich nämlich nicht einfach nur auf das Selbstwertgefühl im Allgemeinen, sondern auch darauf, kein Fleisch mehr zu essen (innere Eltern-Stimmen lehnen dies antisoziale Verhalten ab).
Deshalb wird so jemand dann laut, und er zieht die "Fanatiker"-Schreier natürlich immer an - die im Grunde genommen das gleiche Problem nur anders herum haben. So finden sich auf dem Spielfeld des Lernens zwei einander gleiche Parteien; sie erschaffen sich eine Auseinandersetzungsatmosphäre, verlagern den inneren Druck nach außen, um dort mit ihm umgehen zu lernen.
Im Laufe der Jahre wird daraus entweder eine schwere neurotische Verhärtung (sowas nennt man ganz gern mal "Ich" oder "Charakter") oder aber jemand, der begreift, dass alle Aggression automatischen Charakters Schwäche und Anzeichen für profunde Unsicherheit und somit Neurose ist.
Agape
Rebecka :D

Beitrag ist archiviert
Diskussionsverlauf:
- Rebecka ~ normen - 26.03.2004 15:14 (43) [neu]