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Träne schrieb am 22. November 2002 um 10:37 Uhr (682x gelesen):

> Liebe "Träne"

> Ich bin dir sehr dankbar für deine Nachricht auf dieser Seite, da ich das Gefühl habe, dass ich andere an dem, was ich glernt habe und lernen nusste, nun teilhaben lassen darf und vielleicht auch helfen kann.
> Vor 4 Jahren nahm sich ein enger Freund das Leben. "Wegen mir". Er selbst litt an Depressionen und seine Hilferufe und Anzeichen des bevorstehenden Suizids habe ich zwar wahrgenommen, aber gehandelt habe ich nicht. Ich befand mich zu dieser Zeit selbst in einer Situation, in der ich mir den Tod herbeiwünschte und sah meinen Freund als eine Art Seelenverwandten, mit dem ich diese Gefühle teilen kann. Das mag sich sehr eigenartig anhören, aber so fühlte ich damals.
> Dann nahm er sich das Leben. Ich habe mir oft Vorwürfe gemacht und bereut, dass ich nichts unternommen habe, hatte starke Schuldgefühle und ständig war die eine Frage in meinem Kopf: WARUM? In den folgenden 3 Jahren ging es mir psychisch sehr schlecht. Ich hatte Depressionen, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Verfolgungswahn. Es war die Hölle. Zum Trauern kam ich nicht. Ich hatte Wut auf ihn, ich hatte Wut auf mich.
> Während der gesamten Jahre hatte ich immer das Gefühl dass er immer da ist. Sehr nah sogar. Diese Gefühl habe ich gehasst. Es hat sich so angefühlt als wäre er 1 Schritt schräg hinter mir. So als würde er immer hinter oder neben mir gehen. Ich hatte angst davor. Ich dachte mir o.k., das ist halt ein Gefühl, das ich wegen dem großen Streß habe. Aber es verlor sich über die Tage, Monate und Jahre nicht. Auch dann nicht wenn es mir mal verhältnismäßig gut ging.
> Ich bin kein religiöser oder gläubiger Mensch. Auch wenn sich das nun folgende für dich so anhören mag. Es sind die Erfahrungen die ich gemacht habe und zuweilen heute noch nicht ganz glauben kann.
> An einem Abend, als ich allein in meiner Wohnung saß und es mir sehr schlecht ging, habe ich begonnen, ihn "innerlich" anzuschreien, dass er mich anschauen solle, dass er sehen soll, was er angerichtet hat, dass er mein Leben zerstört hat und dass ich ihn hasse. Und es war wirklich sehr eigenartig, er sprach mich dann an.Ich kann es kaum erklären, wie. Es war seine Stimme und ich sah ihn auch aber ich nahm ihn nicht akkustisch und visuell wahr, sondern es war, als wenn er direkt in mein Herz "hineinsprach". Ich studiere z.Zt.Psychologie und weiß daher, dass ich mir das nicht eingebildet habe und dass es auch keine Halluzinationen waren.Jedenfalls sagte er die ganze Zeit, dass ich ihn gehenlassen solle. Dass er weitergehen müsse. Seine Mimik war dabei sehr unglücklich. Es täte ihm leid und er wisse, dass er einen Fehler gemacht habe, aber dass es auch in Ordnung ist dass er jetzt da ist, wo er ist. Er sagte mir dass er eine neue Aufgabe habe, da wo er ist und dass er weitergehen muss. Es war alle sehr eigenartig. Es war als würde man sich mit jemandem unterhalten, der wirklich da ist und einem Antwort gibt. An meinen Gefühlen und an meinem Zustand änderte sich jedoch nichts. Erst als ich nach diesen 3 Jahren meinen Lebensgefährten kennenlernte. Mit ihm hat das eigentlich nichts zu tun. Aber in dieser Zeit hatte ich oft "Kontakt" zu dem damaligen Freund. Nicht ich sprach diesmal zu ihm sondern er zu mir. Es war ganz anders. Er sagte nur, dass er mir danken würde und dass jetzt alles in Ordnung sei. Er lächelte und sagte dass er jetzt da sei, wo er hingehöre,dass er mich jetzt auch loslassen könne, dass er aber trotzdem noch da sei-bei mir. Es war eigenartig. Seit diesem Moment, hatte ich weder Hass-Gefühle, noch irgenwelche Beschwerden noch stellte ich mir die Frage WARUM. In diesem Moment war es wirklich so, als sei alles in Ordnung, als sei nie etwas schreckliches passiert und ich hatte keinerlei Fragen. Seitdem ist es so, dass wir täglich miteinander reden und er mir z.B.einen Rat gibt oder dass wir gemeinsam lachen, dass ich ihm erzähle, was ich den ganzen Tag so gemacht habe und dass er dann lächelt und sagt, dass er doch eh dabei war. Unsere Freundschaft hat sich weiterentwickelt obwohl er ja eigentlich tot ist. Ich habe ihn gefragt, warum wir miteinander reden können, warum er da ist, wie das geht -er ist doch schon tot! Ich weiss, das ganze hört sich sicherlich sehr unglaubwürdig an und unecht, aber es ist halt so.
> Er gab mir auch Antworten auf die o.g.Fragen. Er sagte dass es Illusion sei, dass mit dem Tod auch das Leben enden würde, dass es auch kein Jenseits gäbe, so wie Menschen sich es vorstellen. Es gäbe wohl soetwas wie eine Zwischenwelt in der es weder das Gute noch das Schlechte gibt, dass es dort auch keine Gefühle der Verzweiflung, Wut und Glücklichseins gibt, sondern lediglich tiefe Harmonie. Er sagte auch dass es Illusion sei, wenn Menschen meinen, dass die Toten einfach so weg sind. Er beschrieb das so, als wenn zwischen den Lebenden und den "Toten" eine Art Glaswand ist, dass die Toten immer um uns herum sind, wir sie nur nicht (visuell) sehen können. Er sagte auch dass wir miteinander kommunizieren können, halt nur nicht verbal sondern (so wie ich es selbst auch erlebe) auf einem anderen Kanal, von Seele zu Seele. Ich fragte ihn auch, warum er damals so ganz nah (körperlich spürbar) bei mir war und er sagte dass er dort, wo er jetzt ist eine Aufgabe hatte und noch hat. Die Aufgabe damals war, mich zu begleiten und mir durch meine "Hölle", die ich durchgemacht habe, zu helfen. Heute ist die Aufgabe eine andere. Er begleitet mich immer noch, aber eher freundschaftlich und beratend. Manche mögen soetwas als "Schutzengel" bezeichnen, ich nenne es eher Begleiter. Als ich ihm sagte dass ich es bereue ihm nicht geholfen zu haben, sagte er dass ich das nicht gekonnt hätte, dass es sein Entschluss war und ich keinerlei Einfluß gehabt hätte. Dass jeder seinen eigenen Weg geht, im Leben und dass es im Schicksalsweg eines jeden liegt, welche Ereignisse man beeinflussen kann und muss und welche nicht. Er sagte immer wieder, dass es ihm leid täte. Damit meinte er nicht seinen Entschluss, sondern die Folgen, die es für mich hatte. Er sagte mir auch immer wieder, dass alles gut ist, dass alles in Ordnung ist, dass es in Ordnung ist, wo ich jetzt bin und wo er jetzt ist. Alles habe seinen richtigen Platz gefunden.
> Auch wenn das alles jetzt sehr unglaublich schein oder unglaubwürdig, so hoffe ich doch, dass dir meine Schilderungen etwas weiterhelfen. Ich hätte dir noch vieles vieles mehr zu erzählen, auch bezüglich der Dinge, die du geschrieben hast. Es würde mich daher sehr freuen, wenn du vielleicht an meine e-mail-Adresse schreibst. Vieles ist auch zu privat, als dass ich es hier schreiben könnte. Ich möchte dir sehr sehr gern in deiner Problematik weiterhelfen, weil ich nachvollziehen kann, was du fühlst.
> Wenn du die Kraft hast mir zu schreiben, können wir den Weg vielleicht gemeinsam gehen. Ich danke dir.

> In tiefer Verbundenheit
> Solveigh



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