Re: Ich habe meine geliebte Mutter verloren
Peter schrieb am 15. Oktober 2000 um 20:03 Uhr (371x gelesen):
Hallo Marietta,
zunaechst mein aufrichtiges Mitgefuehl. Aber das Leben ist oft eine sehr harte Schule, und wir sind hier, um zu lernen.
> Am 6.10.00 habe mich meine sehr kranke Mama tot in der Wohnung aufgefunden, ich mache mir keine Vorwürfe mehr ob ich sie hätte retten können wenn ich etwas früher bei ihr gewesen wäre aber ich komme mit der Realität nicht ganz klar.
Das ist schon mal ganz gut. Es wuerde auch nichts bringen, sich in dieser Hinsicht unnoetige Vorwuerfe zu machen, denn wir koennen den irdischen Tod nicht verhindern, er ist ganz einfach ein Teil unseres Lebens.
> Wir beide haben es nie geschafft uns abzunabeln, haben täglich mehrmals telefoniert und uns oft gesehen. Von Wut bis großem Schmerz ist in meinem Gefühlsleben alles vorhanden. Ich rede oft mit ihr und sehr oft wird die Unterhaltung von anderen Gedanken in meinem Kopf unterbrochen.
All diese Reaktionen sind ganz normal und auch sehr verstaendlich, besonders waehrend der ersten Tage und Wochen nach dem Tod eines lieben Angehoerigen. Die Wut und der Schmerz kommen vermutlich daher, dass Du etwas hergeben musstest, und das faellt Dir sehr schwer. Du moechtest Deine Mutter fuer Dich behalten, obwohl Du weisst, dass das nicht geht. Das aber ist nicht die wahre Liebe, es ist eher eine Eigenliebe, Egoismus. Du musst auch an Deine Mutter denken, sie hatte ihr Leben erfuellt, war fuer Euch da, hat Dich geboren, und sie hat es verdient, dass sie jetzt gehen durfte! Also versuche bitte, sie gehen zu lassen! Wenn Du sie richtig liebst, dann laesst Du sie jetzt auch gehen!
> Warum hatte ich Angst vor ihr und konnte sie nicht ein letztes Mal in den Arm nehmen?
Auch das ist normal. In unserer westlichen Gesellschaft ist der Tod etwas sehr unangenehmes, und wir versuchen ihn staendig zu verdraengen. Wir haben Angst vor dem Tod, vor Toten, wollen sie nicht sehen, nicht beruehren... Mach Dir deswegen keine Gedanken.
> Es gibt Tage an denen ich denke am Verlust meiner geliebten Mama zu zerbrechen, ich spiele sogar mit dem Gedanken nicht zu ihrer Beisetzung zu gehen weil ich glaube das ich es nicht ertragen kann. Ich weiß einfach nicht wie ich mit ihren Tod leben soll, sie war meine Lebensaufgabe, ich war immer für sie da und sie für mich und plötzlich ist diese Leere in mir, sie fehlt mir soooooooo sehr.
Dies ist ein gewaltiger Umstellungsprozess, und er ist auch sehr schmerzhaft. Wahrscheinlich kann man da keinen Rat geben, das muss jeder selbst durchmachen, selbst er"leben". Es ist eine sehr schmerzhafte Lektion zur Erlangung unserer eigenen Reife.
> Sogar mein Vater leidet sehr und trinkt (wieder) obwohl die Ehe ziemlich
> beschissen war bis auf die letzten 2 Jahre aber sie waren 48 Jahre verheiratet.
Auch Dein Vater hat sehr grosse Umstellungsschwierigkeiten, was ja nach so vielen gemeinsamen Jahren mehr als verstaendlich ist.
> Kann mir jemand helfen wie ich mit der Situation vor allem auf der Beerdigung besser umgehen kann? Wäre es schlimm wenn ich nicht den letzten Weg mit ihr ginge? Für Hilfe bin ich sehr Dankbar.
Ich kann Dir keinen Rat geben, ich kann Dir hoechstens sagen, was mir geholfen hat. Zuerst musst Du verstehen, dass Deine Mutter nicht 'tot' ist, sie ist somit auch nicht aus Deinem Leben verschwunden. Die Seele Deiner Mutter lebt ewig, nur eben nicht ewig auf unserer Erdebene. Deine Mutter ist also nicht 'tot', sie ist nur "umgezogen"! Ihr irdischer Aufenthalt war beendet, und sie lebt jetzt im Jenseits weiter. Und Du kannst auch mit ihr weiterhin in Verbindung sein, kannst mit ihr reden, denn sie hoert Dich, kannst ihr alles zeigen, denn sie sieht Dich! Und wenn Du Dich entspannst und tief in Dich hinein hoerst, dann kannst Du sie moeglicherweise auch fuehlen und hoeren!
Was die Beerdigung betrifft, so musst Du verstehen, dass hier nur der inzwischen nicht mehr benoetigte physische Koerper beigesetzt wird. Sie braucht ihn nicht mehr, er hat seinen Zweck erfuellt! Es ist auch nicht ihr "letzter Weg"! Das ist so eine ganz falsche Ansicht und dumme Redewendung, voll aus irdischer Sicht, denn Deine Mutter hat noch einen SEHR langen Weg vor sich, und es ist hoechstens der letzte Weg ihrer nicht mehr benoetigten irdischen Huelle. Ob Du an der Beerdigung teilnimmst, ist eigentlich Dir ueberlassen. Ich meine, es ist nicht notwendig, wenn es Dir zu schwer faellt. Aber Du musst bedenken, dass Du Dir dann moeglicherweise spaeter deswegen wiederum Vorwuerfe machst, wenn Du nicht dabei warst. Auch solltest Du psychisch sehr stabil sein, denn es wird sicher Menschen geben, die das falsch oder nicht verstehen werden, und Dir deshalb u.U. Vorhaltungen machen werden. Aber wichtig ist es nicht, weder fuer Dich, noch fuer Deine Mutter!
Wenn Du aber verstehst, dass Deine Mutter weiterlebt, und dass Du weiterhin mit ihr in Verbindung bist, dann wird die Beerdigung ihres physischen Koerpers eine zweitrangige Angelegenheit, und vielleicht kannst Du sie dann auch eher ertragen?
Ich wuensche Dir viel Kraft und Licht, und bitte melde Dich, wenn Du Fragen oder Probleme hast!
Alles Liebe Dir,
Peter

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