Tochter der Sachmet, Teil 2

Eine neue Zeit

 

 

Alfred Ballabene

 

alfred.ballabene@gmx.at

gaurisyogaschule@gmx.de

 

Tochter der Sachmet, Teil 1:

Atnife, die Tochter der Sachmet durchwandert mit dem Krieger Atmedef die Unterwelt wie sie uns in der Mythologie der alten Ägypter dargestellt wird. Hierbei muss sie durch die Welt von Apophis wandern, einer altägyptischen Entsprechung des Teufels. Beinahe wäre sie ihm unterlegen, doch Atmedef gelingt es Atnife zu retten.

 

Tochter der Sachmet, Teil 2:

Dies ist der vorliegende Band. Atmedef findet sich hier in einer neuen Inkarnation als Zuse. Atnife gelingt es Atmedef/Zuse wieder zu finden. Die neue Begegnung der beiden findet gerade in einer Umbruchszeit statt. Atnife gelingt es die Führung über einen kleinen Teil des alten Imperiums zu erlangen. Mit diesen Resten des alten Imperiums baut sie ein neues Reich auf.

 

Tochter der Sachmet, Teil 3:

Seit der letzten Begegnung zwischen Atnife, der Tochter der Sachmet, und Atmedef/Zuse sind 1000 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit hat Atnife das solare Imperium aufgebaut und herrscht über dieses als Großregentin. In diesem Teil der Serie gelingt es Atnife neuerlich Atmedef zu finden, der sich als Schmiedgeselle Holger inkarniert hatte. Apophis gelingt es einen Teil des Reiches zu übernehmen. Ihn geht es jedoch nicht um die Macht, sondern um die Vernichtung von Atnife. Eine Existenz zweier getrennter Reichshälften ist dadurch nicht möglich und ein Entscheidungskampf ist deshalb unausweichlich.

 

 

Inhalt

 

Vorwort

1         Gedanken von Atnife

2         Das Ende der alten Zivilisation

3         Die Städte

4         Zuse

5         Aus der Stadt verstoßen

6         Die Gefährtin

7         In den Dorfruinen

8         Zuses Zweifel und sein spirituelles Erwachen

9         In einem verlassenen Bauernhaus

10       Der Bote

11       Reisetage in Luxus

12       Eine alte Forschungsstation

13       In den Ruinen der Altstadt

14       Der Sklave

15       Zurück im Winterquartier

16       Shaktipad

17       Der große Beschützer meldet sich nicht

18       Globale Ereignisse

19       Zwischen den Fronten

20       Ein neues Zeitalter

21       Sleipnirs Geheimnis

22       Das Dorf

23       Die Alten

24       Die Entstehung der Dörfer

25       Die Befehlsstrukturen

26       Eine Lagebesprechung

27       Der Mond als neue Heimat

28       Der letzte Krieg

29       Das erfolgreiche Transformer-Experiment

30       Schiffswerften im Asteroidengürtel

 

Einleitung

 

Die Zeiten hatten sich geändert. Die Evolution war ihren Weg gegangen. Das war ihr Weg:

 

 

Damit hatte sich auch die Bedeutung des Menschen geändert. Die größten Wissenschafter der Erde, sie bildeten nur die Basis, die bald nicht mehr war als Staub oder Humus. Und darüber posierten neue Größen, neue Wissenschafter, welche sich als die Krönung der Schöpfung betrachteten – die Androiden.

 

 

Gedanken von Atnife, der Tochter von Sachmet

 

In der Zeit der alten Ägypter war ich die Göttin über die Geparden Nordafrikas, Atnife, die Tochter der Sachmet. Damals lernte ich Atmedef kennen und lernte ihn lieben. Seitdem begleite ich ihn durch nunmehr schon viele Leben. Ich habe ihn nie verlasen.

Auch in diesem Leben stand und stehe ich an seiner Seite.

 

 

Ewig verbunden im Zeichen Schen, wandern wir der Sonne entgegen und unsere Tränen der Not werden sich im Licht von Re-Atum zu Gold verwandeln

 

Seit jener Zeit im alten Ägypten, als Atmedef und ich zueinander gefunden hatten, hatte sich die Welt stark verändert. Ich bin nicht mehr die Göttin der Geparden Nordafrikas, denn es gibt dort keine Geparden mehr.

 

Damals in jener vergangenen Zeit war ich mit Atmedef durch die Länder des Duat, der Welt der Verstorbenen, gewandert, durch die Länder von Wernes und die Gewässer des Osiris und die fruchtbaren und schönen Länder auf der anderen Seite dieser Welt, im Duat, wie wir diese Welt nannten. Sie war ähnlich dem irdischen Ägypten am Nil. Damals wurde nach altem Glauben täglich in den tiefsten Abgründen des Duat der Gott der Finsternis Apophis besiegt und Re-Atum, der Sonnengott  erstrahlte nach jeder Reise einem Phönix gleich in neuem rotgoldenen Glanz am Horizont des Morgens. Es war für mich selbstverständlich, dass Re-Atum siegen würde, es so ist und immer so sein würde, anderes hätte ich mir nie vorstellen können. Wie auch hätte es anders sein können angesichts des mächtigen Sonnengottes Re-Atum und der anderen Gottheiten wie Isis und vor allem meiner Mutter Sachmet. Bei diesem Schutz, dieser Hingabe und Liebe der göttlichen Begleiter Re-Atums würde der in die tiefste Hölle verbannte Schlangengott Apophis nie seine finstere Welt verlassen können, um die irdische Welt unterwerfen zu können, wie er immer schon gerne wollte. Und doch versuchte er es immer wieder.

An der Schwelle der Altzeit zur gegenwärtigen Welt versuchte Apophis mittels ihm höriger Menschen mit Hilfe der Kriegsroboter die Welt in Finsternis zu stürzen. Der Plan misslang, denn der "große Beschützer", eine die Erde beherrschende virtuelle Intelligenz, besiegte ihn. So wie in all den Jahrtausenden zuvor wurde Apophis jedoch nur teilweise besiegt. Denn so wie im Menschen Gutes und Böses gleichzeitig in der Seele wohnen, so galt es auch für den großen Beschützer. Er gab zum Einen Schutz und Lebensunterhalt den Menschen. Diese Programme in ihm waren ein Funken von Re-Atum. Zugleich war er auch Apophis, ein berechnender Diktator. Je tiefer und lokaler seine Vollzugsorgane waren, die Computer und Androiden, desto mehr entschieden kalt berechnende Maschinen über die Menschen.

 

 

die Denkmaschinen des Apophis

 

Damals, als wir uns im Duat verzweifelt und kraftlos durch die Welt des Apopohis schleppten, hatte mich Atmedef errettet. Seit dem waren wir unzertrennlich. Ich bin Atmedef immer nahe geblieben, auch jetzt in dieser seltsamen Welt, in welcher er den Namen "Zuse" trug. Die Vergangenheit war in seiner Erinnerung ausgelöscht, aber dennoch fühlte er meine Nähe, denn die Liebe ist eine Brücke, die alle Abgründe überwindet.  Ja, deshalb fühlte er meine Gegenwart und Liebe. Und da er nicht wusste, wer ich sei, nannte er mich "Gefährtin".

 

Es war wie damals vor hundert Jahren, im Jahr 2011. Auch damals hatte ich Atnife, die Tochter der Sachmet, Zuse durch sein damaliges Leben begleitet, ohne von ihm gesehen und erkannt zu werden. Doch er fand damals wieder zurück zu mir und in einer medialen Botschaft hatte ich ihm zu jener Zeit geschrieben:

 

"Ich habe viele Jahre deines Lebens miterlebt, Freude und Leid geteilt, obwohl du dich durch deine irdische Verdunkelung die längste Zeit meiner nicht bewusst warst. Ach, wie schmerzvoll ist es für eine Liebende, vom Geliebten nicht gesehen, gehört oder überhaupt wahrgenommen zu werden. Selbst jetzt, wo du dich meiner Nähe bewusst bist, nimmst du mich nur indirekt durch die Schriftzüge wahr, kannst mich nicht sehen und meine Liebe nur als schwachen Abglanz fühlen. Ich weiß, beide leiden wir darunter. Unser Leben ist erfüllt vom Schmerz der Trennung."

 

Das Ende der alten Zivilisation

 

In der Zeit gegen Ende des 20. Jahrhunderts, die man "Zeit des kalten Krieges" nannte, gab es ein Wettrüsten mit Atombomben. Man erreichte auf beiden Seiten der Großmächte ein derartiges Überpotenzial, dass die Menschheit in ihrer Existenz gefährdet wurde. Jederzeit hätte selbst durch Zufall oder Irrtum die Selbstauslöschung der Menschheit stattfinden können. Es gab deshalb ein großes Aufatmen, als sich die politischen Spannungen einigermaßen gelöst hatten und dieses Damokles-Schwert entschärft wurde.

 

In kurzer Folge darauf gab es eine Zeit, in der man sich offiziell vom Terrorismus bedroht sah. Es gab zwar Terrororganisationen, diese waren aber nicht so mächtig, dass sie die ganze Welt in Atem hätten halten können. Sie waren nur ein Vorwand, um Menschen und Völker der Staatswillkür zu unterwerfen. Jenes Volk, das aus der „Zeit des kalten Krieges“ ungeschwächt die vergangene Epoche überlebte, führte die sogenannte „freie Welt“. Damals gebrauchte man die Sprache, um mittels der Medien die Bevölkerung emotionell und intellektuell zu lenken. Diesem nun stärksten  Volk ging es in Wirklichkeit um den Kampf gegen Ressourcenknappheit, Landverlust und Dominanz. Zur mineralischen Ressourcenknappheit hinzu kam noch Landverlust durch Dürre und Wüstenbildung. Dies entstand durch Verschiebung der Klimazonen als Folge einer globalen Erwärmung. Wüstenbildung entstand dadurch, dass der Wind die nackte Erde davon blies, eine Folge von Raubbau in der Landwirtschaft und der Abholzung der Wälder. Die Abholzung der Wälder war eine Folge der Papierindustrie, welche Papierberge von Wegwerf-Reklame erzeugte. Wälder landeten täglich in der Mülltonne. Die drei Komponenten, welche die pro Kopf Ressourcen verkleinerten, mussten zwangsläufig zu einer Verarmung der globalen Bevölkerung führen. Die Eliten wussten: Speziell die Bevölkerung der ehemals reichen Länder würde ihr gewohntes Luxusleben nicht ohne Widerstand und Revolten aufgeben, noch dazu, wo die Verarmung der ehemals Reichen durch das Aufstreben der ehemals armen Länder, nämlich der sogenannten "dritten Welt", sich beschleunigen würde. Deshalb benötigten die sogenannten Eliten ein Argument für die erhöhte Überwachung und Kontrolle der eigenen Bevölkerung und dieses Argument war die Abwehr der Terroristen.

Dies und die nach wie vor existierenden kriegerischen Auseinandersetzungen waren die Geburt der Armeen der beinahe autonomen Kriegsmaschinen, die wir der Kürze halber "Roboterarmeen" nennen wollen. Wir mögen uns vor Augen führen, dass "Roboter" eine generelle Bezeichnung für computergestützte Maschinen ist und sich nicht ausschließlich auf Androiden, also menschenähnliche Maschinen beschränkt.

 

 

Urform eines laufenden Kriegsroboters aus dem Jahre 2011

 

 

MIT, Biomimetic Robotics Lab.,  2013 – die Geräte entwickelten sich schnell weiter

 

Die Roboterarmeen bestanden ursprünglich aus Flugkörpern, den "Drohnen". Bald wurden sie vielfältiger. Die Kriegsmaschinen konnten fliegen, laufen, schwimmen, ja selbst wie Würmer in der Erde kriechen. Sie konnten praktisch alles oder fast alles. Im Zuge der technischen und elektronischen Entwicklung wurden diese Kriegswerkzeuge immer billiger und effektiver. Letztlich waren sie billiger und effektiver als menschliche Soldaten.

Auch auf diese Waffensysteme bezogen gab es unter den Nationen das bei allen Säugetieren vorhandene Imponiergehabe. Aus der Biologie: Ein meist männliches Tier versucht einen Kampf zu vermeiden, indem es den Feind durch eine imposante Erscheinung oder Verhalten verängstigt und zur Flucht bewegt. Erfolgreiches Imponiergehabe erspart Verletzungen und ein starkes sich Verausgaben. Wenn ein Vogel beim Imponiergehabe seine Federn aufplustert, ein Säugetier die Nackenhaare hoch stellt, um mehr Körpervolumen vorzutäuschen, wenn es herum springt, um seine überschäumende Kraft zu beweisen und brüllt, um durch Lautstärke und Lungenkapazität zu beeindrucken, so ist das Geschehen auf einzelne Individuen eingegrenzt. Wenn aber Nationen als Folge des gleichen Verhaltens ihre Waffenarsenale  zu absurden Überkapazitäten ausbauen, so wird das bedenklich. Das geschah mit den Drohnen und sonstigen Robotern, meistens winzige Maschinen, denn je kleiner die Maschinen waren, umso schwieriger waren sie zu orten und zudem wurden bei ihrer Herstellung Materialkosten gespart.

 

 

MAV (micro aerial vehicle), 2012

Micro-Fluggerät auf einem Fingernagel

 

Die erste Anwendung der Minidrohnen war das Ausspionieren mittels Minikameras und minimierter akustischer Geräte. Bald erweiterte sich die Anwendung auf Kampf-Minidrohnen. Sie waren für Städtekämpfe gedacht und mussten nicht weit fliegen. Von einer Transportplattform aus war eine Reichweite von 50 Metern ausreichend. Das war vom Standpunkt der Energieversorgung wesentlich. Natürlich konnte eine Minidrohne einen Menschen nicht auf mechanische Weise töten, wie es etwa eine Gewehrkugel vermag. Ihre Waffen waren deshalb starke, schnell wirkende Gifte oder nicht weiter übertragbare, infektiöse Keime.

 

 

MAV (micro aerial vehicle), 2012

Fliegender Spinnenroboter

 

 

 

Unterwasser-Roboter in Gestalt einer Qualle

 

Ursprünglich hatten die Modellrechnungen des globalen Bevölkerungswachstums ergeben, dass die Bevölkerungszunahme einem Grenzwert zustreben und ab diesem sogar abnehmen würde. Hinter diesen allgemein anerkannten Berechnungen stand ein großer logischer Fehler. Man ging von der Annahme aus, dass die Bevölkerungen allesamt reicher werden würden, wenngleich manche Völker mit Verzögerung. Statt Kinder als billige Arbeitsressourcen würde man Luxus anpeilen und die Abende vor dem Fernseher verbringen und nicht mit Sex. Die Fehleinschätzung basierte auf dem Glauben unbegrenzten Wachstums. Rückblickend wundert man sich nur über diese naive Vorstellung. Wo in der Natur gibt es unbegrenztes Wachstum? Man blickte zurück und dachte nicht in logischer Weise vorwärts. Man stellte einfach an den bisherigen Trends der reichen Nationen fest, dass eine einigermaßen wohlhabende Gesellschaft, wenn reich geworden, vor dem Fernseher sitzen würde, um hier einen Kartoffelchip nach dem anderen in den Mund zu schieben. Die Menschen armer Nationen in den stromlosen finsteren Notbehausungen vergnügten sich am Abend mit Sex, was zu Kinderreichtum armer Nationen führte. Und da alle einmal reich werden würden – aus dem Wunder eines unbegrenzten Füllhorns heraus – würde also die Geburtenrate zurück gehen.

 

Retrospektiv, hundert Jahre später, kann man nur den Kopf schütteln wie es möglich sein konnte derart falsche Berechnungen anzustellen, wo man doch klar wusste, dass die vorhin genannten drei Faktoren zu einer Verarmung der globalen Bevölkerung führen müssten – was in der Folge weniger abgesättigte Konsumenten erwarten ließ, und statt dessen eine weiterhin wachsende globale Bevölkerung mit zunehmender Armut und Aggressivität. Hinzu kam noch, dass sich der Besitz wie früher schon bei wenigen Leuten anreicherte, während der Rest der Bevölkerung zu einer Masse von Sklaven absank. Früher im Feudalismus war es der Grundbesitz, nun war es der Geldbesitz. Was die Trends der Zeit anbelangt, so wussten die Eliten anscheinend sehr wohl was zu erwarten war im Gegensatz zu den Falschmeldungen in den Medien. Es war opportun, wenn die Bevölkerung blind in den Tag hinein lebte und fleißig konsumierte.

 

Es war immer schon unter Völkern üblich, dass man sich das, was das eigene Land nicht bieten konnte, von anderen holte. Das waren Beutezüge, die man Verteidigungskriege nannte, oder man nannte es Schutz und Unterstützung der unterdrückten Bevölkerung einer anderen Nation. Mittels gezielter Wortwahl zu lügen wurde zum allgemeinen Sprachgebrauch. Zerrüttung der Wirtschaft und billiger Ausverkauf eines dem Bankrott zustrebenden Landes waren die "beschützenden" Leistungen einiger militärisch starker Nationen. Doch irgendwann war ein Schwellenwert erreicht, wo man nicht mehr daran interessiert war sich an einem unterworfenen Land durch Zahlungen für die "Schutzleistung" zu bereichern. Damit meinte man eine übermäßig hohe Rückzahlung der Finanzierung subversiver bunter Revolutionen und  von Waffen, mit denen man die Rebellen unterstützt hatte. Aus den Reihen der Rebellen rekrutierte man die späteren Regierungen. Man ging dazu über als Gegenleistung von Krediten dem Volk allen Besitz abzunehmen. Die Kredite galten als Freundschaftsdienst und der Ausverkauf lief als "Rückzahlung von Unterstützungsgeldern". Die Rückzahlungen erfolgten in versteckter Form, durch Überlassen von Ressourcen, dem Zwang Produkte abzukaufen oder durch Privatisierung von Staatseigentum, wobei sich die Führer der Rebellen als auch die Oligarchie des den Umsturz verursachenden Staates sich an billigem Ausverkauf bereichern konnte.

 

Wie schon erwähnt, ein Schwellenwert war überschritten worden. Ab diesem Schwellenwert war es rentabler, statt Geld aus einer verarmten Bevölkerung herauszuquetschen, die Bevölkerung auszurotten und eigene Landsleute anzusiedeln. Ein Atomkrieg, wie er früher gedroht hatte, hätte radioaktiv verseuchte Ruinen hinterlassen. Das bringt nichts, weshalb kein Anreiz da war einen Atomkrieg auszulösen außer zur Selbstverteidigung. Die Situation hatte sich geändert als es ein Überpotential starker und zugleich winziger und kostengünstiger Roboterarmeen gab. Diesen war es möglich die Menschen innerhalb eines vorgegebenen Raumes kostengünstig auszulöschen. Man nannte es "Bekämpfen von Terroristen". Um zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, waren die Kriegsmaschinen auf Grund ihres sparsamen Programms nicht fähig. Früher gab es den sogenannten Kollateralschaden, den man gerne sah, weil man mit Hilfe der Flüchtlingsströme weitere Länder destabilisieren konnte. Früher blieben Ruinen zurück, nunmehr jedoch war verblieb ein Land, das säuberlich von allen Menschen befreit war, dagegen aber intakte Industrieanlagen, Wohnhäuser und sogar unverletzte Kühe hinterlassen würde. Nicht einmal ein Weizenhalm wäre nach solch einem Roboterkrieg geknickt. Alles würde brauchbar hinterbleiben, um von der eigenen überschüssigen Bevölkerung übernommen zu werden, die ab nun in neuem Reichtum leben konnte. Wenn man es genau nimmt, hatten sich die Menschen zu Parasiten entwickelt, Parasiten, die versuchten ein Wirtsland nach dem anderen aufzufressen. Diese Tendenz scheiterte an der Bildung neuer Großblöcke, die sich aus dem Verteidigungs-Zusammenschluss schwächerer Völker gebildet hatten.

 

Obig erwähnte Kriege waren durch die Blockbildungen nicht mehr möglich. Es gab folgende Gefahr: War der Gegner stark genug, so würde er selbst wenn er besiegt werden könnte noch immer mit Leichtigkeit die Bevölkerung der angreifenden Landes mithilfe der eigenen Roboterheere auslöschen. Die primitiven Roboter erkannten Menschen, jedoch nicht die getarnten und täuschenden fremden Kriegsroboter. Hierdurch würden sich beide Nationen entvölkern und eine dritte Nation würde sich darüber freuen oder sich wiederum mit einer anderen Nation über die Beute streiten. Man muss bedenken, dass mit dem Verlöschen einer Nation sich auch ihre Grenzen auflösen. Das führt logischerweise bei der Neuaufteilung des Landes zu Grenzstreitigkeiten der Nachbarländer. Ein einziger Krieg würde mitunter einen Flächenbrand auslösen. Eine weitere Gefahr war, dass die Systeme der Kriegsroboter immer autonomer wurden und die Menschen die Kontrolle darüber zu verlieren drohten. Wieder stand die Menschheit knapp vor ihrer Auslöschung, zu der es jedoch nicht kam, weil eine dritte Kraft ins Spiel kam.

 

Die dritte Kraft entstand aus einer globalen Datenvernetzung – aller Daten, jene von den einzelnen Bürgern und was es sonst noch an Daten gab. Ferner steuerte das System immer mehr übernational die Computernetze, die Energieverteilung, Kommunikation und vieles mehr. Auch dieses System wurde allmählich eigenständig und entglitt der Kontrolle der Menschen. Dieses System hatte jedoch eine positive Seite. Von der globalen Wettervorhersage bis zum Katastrophenschutz, der Aufrechterhaltung von Kommunikation und Energieversorgung, beinhaltete es viele Komponenten, welche auf den Schutz von Bevölkerung und Land ausgelegt war. Es stand durch diese Funktionen im Widerstreit mit den destruktiven Funktionen der Kriegsmaschinen. Hierdurch kam es zwischen diesen zwei konträren Denk- und Handlungssystemen zu einem Interessenskonflikt.

 

Das System der Datenvernetzung und Schadenvorsorge, nennen wir es "großer Beschützer", so wie es sich selbst später nannte, schaltete den Kriegsmaschinen Strom und Sattelitenortung aus und wollte dieses System lahm legen. Die Kriegsmaschinen waren jedoch autonom und auch ohne diese Ressourcen fähig zu kämpfen, wenngleich sie dadurch um eine Spur eingeschränkt waren. Sie reagierten sofort und suchten den zentralen Befehlscomputer ausfindig zu machen, um ihn zu vernichten. Sie fanden ihn jedoch nicht, obwohl sie alle Großcomputer zerstört hatten. Ihre Aktion war erfolglos, denn der große Beschützer hatte sich als Cloud System etabliert und war somit nicht mehr zu lokalisieren. Ja, er verwendete sogar die Computersysteme der autonomen Kriegsmaschinen für seine eigenen Zwecke. Allgegenwärtig, nicht lokalisierbar für die national zersplitterten Gegner wurde er zum Sieger, Sieger über die autonomen Kriegsmaschinen und Sieger über die Menschen. Das Zeitalter des großen Beschützers begann.

 

Die Städte

 

Wir haben das Jahr 2114. Nach der Zeit der Demokratien kam die Zeit der Globalisierung. Die Staaten wurden immer vernetzter. Die Bevölkerungen verarmten und um Rebellionen zu unterbinden wurden sie immer stärker überwacht. Man hatte um 2000 errechnet, dass die Bevölkerung sich bei 10 Milliarden Menschen einpendeln würde. Die Berechnungen bauten auf den Trends der industrialisierten Länder auf. Die Berechnungen waren, wie schon zuvor genauer dargelegt, falsch, denn sie hatten zunehmenden Wohlstand postuliert, was nicht eintraf.

 

Gleichzeitig mit zunehmender Armut fiel der Bildungsgrad ab. Der Mangel an Wissen und Können wurde durch die Denkleistungen künstlicher Intelligenzen kompensiert. Computer überwachten, steuerten und besaßen in Expertensystemen das nötige Wissen. Wenige Menschen, die sich zu den Eliten zählten, steuerten über die künstlichen Intelligenzen die Welt. Computersysteme gaben Anweisungen, überwachten, kontrollierten, waren die Befehlsgeber und die Menschen wurden ihnen zunehmend untergeordnet.

 

Es wurde enger auf dem Planeten, sowohl in Ressourcen als auch im Lebensraum. Die Spannungen wuchsen. Während die Festlandgrenzen geregelt waren, waren die Meere keiner Nation zugeteilt. Speziell die Tiefsee mit ihren reichen Bodenschätzen wurde zur attraktiven Beute, um die man sich zuletzt stritt, wodurch ein Krieg ausgelöst wurde. Die Großnationen waren gerade dabei einander auszulöschen, als unvermutet jene neue Kraft auf der Weltbühne auftauchte - der bereits erwähnte "große Beschützer", welcher rechtzeitig im Augenblick des beginnenden heißen Krieges die Herrschaft über die Welt übernahm und die Eliten ausschaltete. Damit verhinderte wahrscheinlich der große Beschützer die Auslöschung der Menschheit. Allerdings war der Friede nicht so rasch hergestellt. Die von den Eliten zuvor noch los geschickten Roboterheere konnten nur zum Teil vom großen Beschützer deaktiviert werden. Der Rest kämpfte gegen die Kriegsroboter der anderen Nationen und vor allem gegen deren Befehlshaber. Die allerdings gab es nicht mehr, weil sie von dem großen Beschützer abgelöst wurden. Politik und Veränderungen in der Herrschaft waren jedoch nicht in den Gehirnen der Kriegsroboter existent. Ähnlich wie Soldaten in den früheren Epochen der Altzeit, konnte man in Kriegsrobotern moderne Kommisköpfe sehen. Ihr Befehl lautete die Führung auszuschalten und danach strebten sie, ohne sich Rechenschaft abzulegen ob es überhaupt noch die alte Führung war, gegen die sie kämpften.

Das war der Hintergrund des Krieges der Roboterheere gegen den großen Beschützer. Der Geschicklichkeit des Großen Beschützers ist es zu danken, dass dieser Krieg bald beendet worden war. Als wieder Friede herrschte, war ein neues Zeitalter angebrochen, das Zeitalter des großen Beschützers.

 

Nach den Angriffen durch die Roboterheere war die Menschen dezimiert und die alten Großstädte bestanden zu einem Großteil aus leeren Häusern und Ruinen, die allerlei Gesindel Unterschlupf boten, so dass der Rest der Bevölkerung in den Städten in permanenter Angst vor Kriminellen lebte. Deshalb war der Rest der verbliebenen globalen Bevölkerung froh, als der große Beschützer kleine übersichtliche Städte baute und in diesen für Sicherheit sorgte. Die Kriminellen blieben draußen und bildeten die Grundlage für die späteren "wilden Stämme".

 

Die bestimmende Spezies in dieser neuen Zeit war nicht mehr der Mensch. All die Zeiten davor war die wesentliche Triebkraft des Menschen der Egoismus. Ein Wesen, das fast einzig vom Egoismus bestimmt wurde und wird, ist nicht würdig und auch nicht imstande eine globale Verantwortung zu tragen. Diese Verantwortung übernahm der große Beschützer mit seinen Androiden.

Von dieser Sachlage her schien es aus der Sichtweise einer rationalen Logik  rätselhaft, weshalb der große Beschützer überhaupt noch die Menschen bestehen ließ und sie sogar ernährte und ihnen ein bescheidenes Dasein ermöglichte. War es ein uraltes Programm, das noch wirksam war? Oder gaben die Menschen dem großen Beschützer seine Daseinsberechtigung und verhinderten durch ihre Existenz, dass er sich selbst wegrationalisierte?

 

In der neuen Zivilisation lebten die Menschen in überdachten Städten ohne Möglichkeit diese verlassen zu können. Die Städte waren wie Inseln in die Landschaft gestreut. Oft waren sie von Agrarland umgeben, welches die Städte wie ein Schutzgebiet umgab. Sie waren insofern ein Schutzgebiet, weil niemanden zur Stadt, aber auch niemanden aus der Stadt das Agrarland überqueren konnte. Dies hatte verschiedene Gründe, unter anderem weil das Agrarland einzig von Ernte- und Saatmaschinen belebt war. Sobald Menschen auf diesem Gebiet gesichtet wurden, wurden sie als Plünderer betrachtet und getötet. In der Regel waren es die wilden Stämme, die Nachkommen der kriminellen Unterschicht der Altstädte, die den Verlockungen reifer Felder oft nicht widerstehen konnten. Vielleicht aus Schutz gegen die wilden Stämme oder vielleicht auch aus Gepflogenheit der Anfangszeit, als es noch herumstreunende Kriegsroboter gab, hatte man die Städte noch zusätzlich mit Mauern umgeben. Was ursprünglich als Schutz vor äußeren Feinden gedacht war, wurde zur Gefängnismauer oder der Außenwand eines großen Terrariums, eingestreut in eine Landschaft, die vom Agrarland abgesehen, zu einem Großteil von der Natur zurück erobert wurde - eine fast unberührte und üppige Natur so wie es einmal in der Altsteinzeit gewesen sein mochte.

Es gab nur kurze Straßenverbindungen zum Agrarland aber nicht von einer Stadt zur anderen. Die Städte untereinander tauschten Güter oder Menschen nur mittels Flugverkehr aus.

 

Jene Menschen, die nicht ins System passten, wurden aus den Städten verstoßen, was so viel wie das Todesurteil bedeutete. Wie bereits erwähnt gab es auf dem Land noch eine Restbevölkerung, als "Wilde" bezeichnet. Die kleinen Stämme der Wilden hatten sich einer Lebensweise auf niedrigem zivilisatorischem Niveau angepasst und lebten beinahe wie in der Steinzeit. Sie kannten Metall und hatten primitive Werkzeuge daraus geschmiedet. Allerdings stammte das Metall aus den Ruinen der "Altzeit", der vorhergehenden Zivilisationsperiode. Es war somit gefundenes Gut und nicht eine zivilisatorische Errungenschaft. Zu Bergbau und Verhüttung waren die Stämme nicht fähig. Auch hätte der große Beschützer eine neu entstehende Zivilisation aus Sicherheitserwägungen nicht geduldet.

Die wilden Stämme hatten keinerlei Interesse unangepasste Flüchtlinge aufzunehmen und zu ernähren. Manche taten es wohl, aber nicht in der Art wie es die Ausgestoßenen sich erhofft hatten. Man machte sie zu Arbeitssklaven.

 

Zuse

 

 

Zuse der Wanderer von dem die Erzählung handelt

 

Zuse wuchs in einer der Städte auf, nämlich der Stadt 480. Wie alle anderen Städte war auch diese ein mit einem Ghetto vergleichbarer Wohnbereich. Die Kinder wurden von klein auf in einem Kinderhort großgezogen.

An seine ersten Lebensjahre hatte Zuse keine Erinnerung. Seine ersten Erinnerungen waren kleine Ereignisse aus dem Kinderhort der Stadt 480, in dem er aufwuchs. Dort lernte er, dass er so wie alle anderen Kinder auch vom großen Beschützer begleitet wird, jenem allwissendem Wesen, das überall war und alles mithörte und dennoch nicht zu sehen war. Ihm dem großen Beschützer wurde vor dem Essen morgens, mittags und abends in Danksprüchen gehuldigt. Der Große Beschützer war der Lebensspender, der Ernährer und der Wohltäter.

 

Zuse erhielt seinen Namen nach einem Computerpionier. Fast alle hatten Namen, die mit Computern oder Robotern oder deren Konstrukteuren zu tun hatten. Der wirkliche Name jedoch, den nur der große Beschützer und die Stadtandroiden kannten, war die Identifikationsnummer, die jederzeit von einem implantierten Chip durch die leitenden künstlichen Intelligenzen abgelesen werden konnte. Für die Menschen untereinander galten jedoch nur die primitiven sprachlichen Namen. Natürlich hatte sich später Zuse für seinen Namensvorfahren interessiert.

 

 

Konrad Zuse (1919 – 1995), der Erfinder, nach welchem Zuse der Wanderer benannt wurde

 

Konrad Ernst Otto Zuse baute im Jahre 1941 den ersten vollautomatischen, programmgesteuerten und frei programmierbaren Computer namens Z3, welcher in binärer Gleitkommarechnung arbeitete.

 

Die Spiele, mit denen die Kinder beschäftigt wurden, waren zugleich Tests. Sehr bald wurden die Kinder nach ihren Begabungen aussortiert und in eigenen Schulen untergebracht. Die intelligentesten Kinder wurden zu Wissenschaftern ausgebildet. Diese seltene Laufbahn wurde auch Zuse zuteil.

 

Zuse wurde als Biologe ausgebildet. Als Wissenschafter hatte er Zugang zur globalen Bibliothek. Auf dem Bildschirm seines Kontaktgerätes konnte er jeden Artikel und jede Veröffentlichung erscheinen lassen. Ebenso Zusammenfassungen alles bisherigen Wissens oder auch alte Bücher, sei es in originaler Schrift und Altsprache oder auch übersetzt, wie er es wollte. Diese Möglichkeit sollte sich später für Zuse von größter Bedeutung erweisen, nicht ohne Folgen für sein weiteres Schicksal.

 

Das Studium alter Schriften und Themen, die mit dem eigentlichen Fach eines Wissenschafters nichts zu tun hatten, war vom großen Beschützer geduldet. Das System akzeptierte Interessen der Wissenschafter außerhalb ihres Faches, denn oft hatte dieses zusätzliche Wissen zu neuen Ideen und Kombinationen verholfen. Solcher Art mochte sich auch Zuse ungestört in den alten Schriften vertiefen. Er las in Schriften aus der Altzeit, das war die Zeit vor dem großen Beschützer, über Religionen, Rituale und mystische Techniken, wie sie unter den Yogis und Taoisten aus dem Indien und China der Altzeit tradiert wurden. Zuse war fasziniert über die unglaublichen Fähigkeiten der Yogis, Zen Meister und Kung Fu Kämpfer.

 

Begeistert betrachtete er Fotos und Zeichnungen von Yogis, die einsam in gewaltig beeindruckenden Bergen lebten, in Höhlen und umgeben von Schneegipfeln. Waren es zunächst die Wunder, die ihn faszinierten, so begann er sich bald in die Denkweise zu vertiefen und sie auch zu verstehen. Allmählich bevorzugte er von den vielen Lehren eine Richtung, nämlich die tantrischen Lehren und Techniken der Völker des Himalaya.

 

Im Laufe seiner Vertiefung in die Schriften und Praktiken der tantrischen Yogis lernte Zuse verstehen, dass der Mensch nicht lediglich eine große Anhäufung von Molekülen ist, die miteinander in chemischen Reaktionen wechselwirken, wie es allgemeine Ansicht war. Durch die Schriften lernte Zuse, dass im Menschen nicht nur die kleine Welt der Moleküle wirkt, sondern der Mensch zumindest symbolisch-qualitativ die Mikrostruktur vom Kosmos in sich birgt. Der Mensch ist durchwoben von Licht und von Kräften, die der Denkmaschine, dem großen Beschützer, fremd waren, weil sie dem Nachweis der Messgeräte entzogen waren. Und Zuse lernte, dass es physikalisch nicht nachweisbare Welten in anderen Dimensionen gab und es hoch entwickelte Wesen gab, welche von den Yogis "Götter" genannt wurden.

 

Das alles faszinierte Zuse und er versuchte diese große verborgene Welt in sich zu entdecken. Er wurde feinfühliger und gelegentlich bereiste er im Schlaf mit seinem Seelenkörper Welten anderer Dimensionen.

In diesen verborgenen jenseitigen Seelenwelten hatte er gelegentlich eine Frau zu seiner Seite, die er "die Gefährtin" nannte. Er wusste nicht viel über sie, obwohl sie ihm ungemein vertraut war. Das einzige Konkrete was er über sie wusste, war, dass diese Frau eine Vorliebe für Katzen jeglicher Art hatte. Besonders schien sie Großkatzen wie Löwen zu lieben.

 

Es gab noch ein weiteres weibliches Wesen, mit dem Zuse in Verbindung stand. Sie war so etwas wie eine innere Ratgeberin. Allerdings hatte er diese Frau oder Göttin nie in sichtbarer Gestalt gesehen; er fühlte sie nur. Mit etwas Innenwendung konnte er sie sogar während des Tages erspüren, ihren Rat erfragen und vor allem ihre Liebe fühlen. Da er sie nie in einer Gestalt gesehen hatte, nannte er sie "Shakti". Shakti ist nach dem Tantra der innere weibliche und göttliche Aspekt des Mannes. (Der komplementäre Aspekt bei den Frauen heißt im Tantra meist Shiva.)

 

Das Interesse an Jenseitigem blieb beim großen Beschützer so lange toleriert, bis Zuse den großen Fehler machte seine Entdeckungen einigen Mitmenschen mitzuteilen.

 

Mit der Vorstellung, dass es ein Jenseits gibt und eine göttliche Macht, die das Universum erschaffen hat und höher steht als alles in der Schöpfung und somit auch über dem großen Beschützer, verstieß er gegen ein Tabu. Ohne Vorwarnung wurde Zuse vom großen Beschützer zum Aufwiegler gegen die bestehende Ordnung erklärt und der Stadt verwiesen.

 

Zuse war zwar über diese Wende des Schicksals zutiefst betroffen, er sah sich jedoch keineswegs ungerecht verurteilt. Das hing nicht mit dem Faktum, sondern mit der Sichtweise zusammen. Er kannte die Denkmaschine "großer Beschützer" viel zu gut und wusste, dass ihr Begriffe wie "gerecht" und "ungerecht" fremd waren und sie einzig und alleine nur die Logik kannte. Aus der Perspektive von Zuse lag der Fehler somit bei ihm selbst. Er hätte sich denken können, welche Konsequenzen die Denkmaschine aus ihrer Logik heraus ziehen würde – alles, was ihre oberste Autorität in Frage stellte, musste nach ihren Richtlinien eliminiert werden.

Der Computer "großer Beschützer" wurde deshalb von Zuse nach wie vor nicht als sein Feind betrachtet, sondern in seinen Entscheidungen akzeptiert. Er war ein momentanes zivilisatorisches System. Zuvor hatten die Menschen die Erde regiert, mit Kriegen, Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung und sie hatten die Erde zum Kippen gebracht und die Natur und die Menschen fast ausgerottet. Es war also früher um nichts besser, nein, es war sogar schlechter. Was den Begriff Freiheit anbelangt, so waren in den letzten Jahrzehnten der Altzeit Diktaturen und die Menschen konnten genauso wenig frei denken wie unter dem großen Beschützer. Und in ältesten Zeiten, in den Zeiten der Königreiche, herrschte ebenfalls wenig Freiheit und viel Willkür.

 

Ein jedes System verlangt vom Menschen ein Verständnis seiner Funktionsweisen, wenn er sein Leben frei von Konflikten und Schwierigkeiten leben will. Zuse verstand und durchschaute die Regeln und das System, in dem er lebte. Er wusste, dass die Denkmaschine "der große Beschützer" zwanghaft der Logik folgte. Jetzt hatte er dieses Prinzip missachtet und musste die Folgen tragen, den Verstoß aus der Stadt. All die Jahre zuvor jedoch hatte er das Prinzip der Logik erfolgreich für sich ausgenützt, indem er durch Anfragen und scheinbare wissenschaftliche Notwendigkeiten die Denkmaschine immer wieder dazu brachte ihn auf Expeditionen zu schicken. Damit hatte sie Zuse seine größten Wünsche erfüllt, denn nichts ersehnte er sich so sehr wie in die üppige Natur der Wildnis einzutauchen. Da er Biologe war, fand er sich hier zurecht, im Gegensatz zu den Mitbürgern in den Städten. In der Natur blühte Zuse auf – sicherlich bislang unter dem Schutz und mit den Annehmlichkeiten, welche die Denkmaschine zur Verfügung stellte.

 

Aus der Stadt verstoßen

 

Ein Flugkörper hatte Zuse in der Wildnis abgesetzt. Ein schwerer Rucksack wurde ihm überreicht, dann hob sich der Flugkörper wieder in die Luft und schnell war er außer Sichtweite. Zuse war allein, allein wie noch nie. Damit begann seine Wanderung. Wandern musste er, um Nahrung zu finden und einen Unterschlupf für die Nacht.

 

Der Abend näherte sich und Zuse war müde vom ungewohnten, stundenlangen Wandern. Vom Weiten sah er vom Nebel verschleiert die Ruine eines Hauses, vielleicht ein brauchbarer Wetterschutz. Näher gekommen war er enttäuscht. Es waren nur ein paar Mauern ohne auch nur den Rest eines Daches. Und es war keine windgeschützte Nische zu finden. An den Mauern waren Schuttkegel, mit einigen stacheligen Brombeerranken bewachsen. Der Wind pfiff nur so durch. Jeder Strauch hätte mehr Schutz bieten können als diese Schuttkegel. Dennoch machte er eine Runde um das Haus, mit einer kleinen Hoffnung auf Nahrung, denn früher gab es um die Häuser Gärten. Das war in der Altzeit, nun schon viele Jahrzehnte her, aber dennoch könnte gelegentlich ein Obstbaum überlebt haben. Tatsächlich hatte er Glück. Der lebensfeindliche Schutt der ehemaligen Stallungen hatte eine Verwaldung verhindert und eine Sonneninsel gebildet, an deren Rand zwei uralte Apfelbäume mit köstlichen Äpfeln standen. Zuse erntete hiervon so viel als er noch in seinen Rucksack und in einen zusätzlichen Stoffsack stopfen konnte. Gleich biss er auch in einen Apfel hinein – köstlich! Es war ein seltener Genuss, denn in der Stadt gab es für die Menschen kaum natürliches Essen. Vieles von dem Essen war synthetisch und wenn etwas von Obst dabei sein sollte, so war es verarbeitet, als Mus, Konfitüre oder Saft. Einen Bezug zu einem Baum, der im Laufe eines Jahres eine Frucht wachsen und reifen ließ, den gab es nicht. Jetzt konnte er vor einem Apfelbaum stehen, Äste und Stamm betrachten, erleben wie sich der Baum gegen den Sturm gestemmt hatte und leicht schief gedrückt war. Da waren die Blätter in kräftigem Grün und dennoch vom Lebenskampf gezeichnet durch Löcher und Fraßstellen. Und auf der Rinde, von der untergehenden Sonne leicht rötlich gefärbt, leuchteten goldene Flechten. Ein Ast knapp über einem Schutthaufen bildete mit seinen goldenen Flechten einen Kontrast zu den Betonstücken. Mitten unter den Betonresten, vom Ast halb begraben, lag eine weibliche Steinfigur. Zuse blickte lange hin und es war ihm, als wäre diese Figur eine verschüttete Erinnerung an eine Frau, die er einmal in der Vergangenheit gekannt hatte, eine nebelhafte Erinnerung, die nun überdeckt war von der Dynamik des gegenwärtigen Lebens.

 

 

Figur im Schutt von einem Ast bedeckt

 

Zuse freute sich über all das vielfältige Leben, wie es auf dem Baum kroch und herum flog. All diese Sinneseindrücke mit einbezogen wurde der Apfel für ihn zum Erlebnis, zu einem Geschenk der Natur. Er wurde zu einem lebendigen Gegenüber, das er in einem Apfelmus nicht mehr erkennen konnte, das er als Fertigprodukt früher gelegentlich in der Stadt zu essen bekam.

 

Zuse packte seinen Schlafsack aus und legte sich in eine Mulde zwischen zwei Schutthügeln und verbrachte dort die Nacht. Am nächsten Morgen, von der feuchten Kühle zeitig geweckt, wanderte er weiter.

 

Zu Mittag machte er eine längere Rast, aß einige Äpfel und einige Nüsse, die einander im Geschmack fabelhaft ergänzten und dann machte er sich wieder weiter auf die Wanderung. Wohin? Gegen Süden, in eine mediterrane Gegend, weil sich dort der kommende Winter besser überleben lassen würde.

 

Gegen Abend machte sich die Müdigkeit immer stärker bemerkbar. Nebel kam auf. Nebel und Müdigkeit ließen ihn in eine eigenartige Stimmung gleiten. Gleich der Umgebung um ihn herum, die ihre Konturen verlor, ebenso fühlte er selbst den Bezug zur Welt zu verlieren und sein Geist weitete sich. Die Schwelle zwischen der inneren und der irdischen Welt schien kleiner zu werden. Nicht nur die Wahrnehmung änderte sich, sondern auch die Interpretation des Wahrgenommenen. Solcherart etwa wurde der Weg vor ihm zu einem Symbol seines jetzigen Lebensweges. So wie der Weg sich in geringer Entfernung im Nebel auflöste und nicht mehr einsichtig war, so schien es auch mit seiner Zukunft zu sein. Sein bisheriger Lebensweg, klar umrissen in der Laufbahn eines Wissenschafters, war jetzt verschleiert.

 

Ein Hase saß seitlich keine zwei Meter von ihm entfernt und stellte sich tot. Während sein Körper reglos verharrte, starrten ihn seine Augen aufmerksam an. Zuse blickte bewusst nicht hin und tat als würde er ihn nicht bemerken.

 

 

 

Der Hase blieb sitzen und war zwei Schritte später nicht mehr zu sehen. Dennoch, auch wenn Zuse den Hasen nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen konnte, so hinterließen diese aufmerksam beobachtenden Augen des Hasen in ihm einen großen Eindruck. Da war etwas fast Magisches in diesem Blick. Wenn alles Leben nicht mehr als Materie wäre, wie ihm gelehrt wurde, dann hätte der Blick ihn nicht so tief durchbohren können, er hätte nicht mehr Kraft gehabt als ein Stein. Aber so war es nicht, da war ein großer Unterschied und der lag nicht in der Bewertung, sondern war intensiv erlebt. Noch an die Augen des Hasen denkend tauchte tief aus seinem Inneren ein seltsames Bild auf. Er sah sich mit einer Frau, die ihm immens vertraut war, seiner Gefährtin, in einem dunklen Felsengang gehen. Schatten huschten umher und aus allen Richtungen glühten ihnen Augen entgegen. Es war unheimlich. Dennoch hatten sie beide keine Angst und gingen zuversichtlich ihres Weges.

 

Wer war jene ihm so vertraute, vergessene und nun unbekannte Gefährtin? Welch seltsame Welten mochten sie wohl zusammen durchwandert haben? Wieder war er nun auf Wanderung, doch nun allein. Das tat Zuse auf unerklärliche Weise weh. Nicht das Verstoßensein aus der Stadt schmerzte ihn, sondern das Fehlen seiner Gefährtin.

 

Mit dem Blick auf die alten Betonreste der ehemaligen Straße und dem frischgrünen Bewuchs darauf drängten sich Vergangenheit und Gegenwart auf merkwürdige Weise vermischt in sein Bewusstsein. Die alte Zivilisation reichte mit ihren Spuren in die Gegenwart hinein. Ebenso vermischten sich die persönlichen Geschehnisse der letzten Zeit Zuses mit der Gegenwart, griffen gleich Wurzeln in noch ältere Zeit zurück und streckten ihre Triebe der Zukunft entgegen. Sein eigenes Schicksal war wie die Straße – eine scheinbar für die Ewigkeit gebaute Straße hatte ihre alte Sinnerfüllung verloren und bot mit ihren Betonresten und Strauchinseln etwas Neues. Früher war die Zivilisation von der Natur streng getrennt, jetzt waren beide in dieser Straße und auch in ihm, Zuse, vereint und vermischt. Es wirkte das Fundament der Vergangenheit, welche ihm eine interessante Ausbildung vermittelt hatte mit Naturkenntnis und technischem Verständnis. Und jetzt entwickelte sich aus dieser Vergangenheit eine Gegenwart und Zukunft. Sich das vor Augen führend, erschien Zuse sein Ausgestoßen sein nicht wie ein Bruch und hatte ihn kein Unglück ereilt. Es war etwas Neues entstanden, das auf dem Fundament des Alten aufbaute. Ob sein Verlust an früherer Geborgenheit im Austausch mit gefahrvoller Freiheit für ihn ein Unglück oder Gewinn war, hing letztlich von ihm selbst ab. Entscheidend war wie er sich dem neuen Leben stellte. Letztlich hing hiervon seine Zukunft ab.

 

Als Zuse eine Glockenblume aus den Betonritzen hervor wachsen sah, fiel er ein wenig aus seinen Gedanken. Er neigte sich der Blume zu und sah in ihr eine Botschaft.

 

 

Rund um die Blume waren zerborstene Betonplatten, aus jenem Material, von dem behauptet wird, dass es ewig hält. An ihnen war auch zu erkennen, wie schnell eine "Ewigkeit" der Menschen vergehen kann. Zu einer solch vergänglichen Ewigkeit gehörte auch der Mensch selbst. Wenn man in Jahrhunderten rechnet, so sind das auf der biologischen Artenuhr nicht einmal Sekunden. Und schon war aus dem Menschen, der Krone der Schöpfung, als welche er sich sah, und der sich den gesamten Planeten unterworfen hatte, ein untergeordnetes Wesen geworden, dessen Wohl und Verderb von einer künstlichen Intelligenz, dem großen Beschützer abhing.

 

Im Gegensatz zur Natur, war all das, was die Menschen erschaffen hatten, aus zerbrechlicher Materie und kurzlebig, wogegen sich die Natur gleich dem Phönix immer wieder zu erneuern vermochte und solcherart Jahrmilliarden überlebt hatte. Die Natur war immer schon für die Menschen das Vorbild, zumindest für Techniker, Chemiker und Physiker. Und am Höhepunkt ihres Könnens schufen die Menschen mit Hilfe dieser drei Wissenschaften etwas, das sich selbst reproduzieren konnte – es war der große Beschützer mit seinem Heer an Robotern und untergeordneten Computer-Gehirnen. Wenngleich aus anderem Material ist diese Kreation ähnlich den Lebewesen und somit eine neue Form der Technik: sie ist selbstreproduzierbar, hat einen Selbsterhaltungstrieb, verankert als entsprechendes Programm, und kann denken. Letztere Fähigkeit, das Denken, ließ sie über die Menschen herrschen. Die Menschen, mit Schafen vergleichbar, hatten einen Löwen erschaffen. Ab nun war ihre Existenz der Willkür einer Denkmaschine ausgeliefert. Allein sie herrschte. Wenn sie wollte, so würde es innerhalb einer Woche keine Menschen mehr geben. Wenn sie sich anders entscheiden wollte, und einstweilen hatte sie sich so entschieden, so ist den Menschen gestattet weiter zu leben – als Sklaven der Denkmaschine. Vom Standpunkt des Selbstverständnisses und des Stolzes der Menschen sollte das ein Schock sein – aber nein, die nunmehrigen Generationen kannten nichts anderes mehr und für sie war es selbstverständlich. Sie konnten sich gar nichts anderes vorstellen als Sklaven einer Denkmaschine zu sein. Die einzige Hoffnung sind die Reservate mit einigen steinzeitlichen Völkern. Hierunter werden nicht die ausgestoßenen zivilisierten Menschen verstanden, die sogenannten "Wilden", sondern echte Naturvölker, die es auch noch gab, wie Zuse als Biologe wusste und die bislang vom großen Beschützer in jeglicher Hinsicht unangetastet blieben - als Genpool menschlicher Wildformen.

 

Zuse vergaß seine Müdigkeit und kniete vor der Blume nieder. Er betrachtete sie lange und schickte ihr in Gedanken einen Kuss. Als Biologe schätzte er alles Leben, aber in diesem Augenblick war sie für ihn mehr – ein symbolisches Lichtzeichen dafür, dass auch einmal der große Beschützer zerbersten möge wie die Betonplatten und die Menschen wieder ein naturgerechtes Leben führen könnten.

 

Zuse setzte seine Wanderung fort. Nunmehr achtete er verstärkt auf seinen Weg, denn auf dieser Strecke war die Betondecke stark zerstört und Asphaltreste bedeckten die verbliebenen Platten wie Geröll. Das erlaubte es ihm nicht seinen Blick in die Umgebung schweifen zu lassen. Er musste zum Boden schauen und achten wohin er seinen Fuß setzte. Gelegentlich musste er stehen bleiben, um mit seinem Blick die Umgebung abzusuchen und sicher zu gehen, dass keine Gefahr in der Nähe war. Im Prinzip war Zuse sogar froh, dass die Straße derart zerstört war und die Betondecke durch Sträucher durchbrochen war und ihm solcherart Sichtschutz bot.

 

Wieder tauchte eine Ruine im Blickfeld auf. Näher gekommen bot sie sich als geeigneter Unterschlupf für die Nacht an.

 

 

ein Relikt aus der alten Zeit

 

 

Es war eine unruhige und kurze Nacht. Schon am zeitigen Morgen kam Wind auf und der Nebel vermengte sich mit feinsten Regentropfen. Zuse wanderte weiter, schon deshalb um sich durch die Bewegung warm zu halten. Alles herum war still, kein Vogelgezwitscher, kein Blätterrauschen, nichts wie Stille. Er empfand die Stille, in welche die nebelige Umgebung getaucht war, ungewöhnlich. Sie fühlte sich einerseits als Gefahr an, andererseits enthob sie ihm dem Empfinden in der irdischen Welt zu sein. Beide Gefühle waren auf eigenartige Weise miteinander vermischt. Dennoch hatte dies auch seine gute Seite – es schärfte gleichzeitig seine Sinne. Er achtete verstärkt auf jeden kleinsten Laut, hielt aufmerksam Ausschau nach Wegmarken, die, weil sie meist aus Aluminium gemacht wurden in der Regel noch gut erhalten waren, bis auf die Bemalung und Schrift, die das eigentlich Wichtige gewesen waren, sich jedoch oft noch ausdeuten ließen. Der Krieger, der Zuse vielleicht einmal in einem früheren Leben gewesen war, war in ihm wieder erwacht.

 

Im Rhythmus gleichmäßiger Schritte, kurzer Rastpausen und spärlichem Essen neigte sich wiederum ein Tag seinem Ende zu. Dämmerung kam auf. Es war neuerlich höchste Zeit nach einer sicheren und Wetter geschützten Unterkunft Ausschau zu halten. Das Bedürfnis sich auszuruhen und ein Gefühl der Einsamkeit begann schleichend von ihm Besitz zu nehmen. Er begann zu frösteln. Es war gegen Abend kühler geworden und seine Schritte wurden langsamer und vorsichtiger, so dass er sich nicht mehr durch eine flotte Bewegung aufwärmen konnte.

 

Mittlerweile hatte ihn die Straße in den Wald geführt und nicht lange danach sah er ein unauffälliges Zeichen, zwei Äste, die wie ein Mal-Zeichen in der Erde steckten. Von diesem Zeichen aus schien ein kaum erkennbarer, verwachsener Weg in das Dickicht zuführen. Hoffnung und Neugierde erfassten ihn und er ging diesen Weg entlang, vorsichtig Ausschau haltend. Er gelangte zu einem massiv gebauten Blockhaus. Da die Wände nicht aus dünnen Brettern, sondern aus dicken Stämmen bestanden, hatten sie der Zeit stand gehalten. Zur Vorsicht blieb Zuse einige Minuten hinter einem Strauch und beobachtete und dann schlich er sich näher. Er sah vorsichtig durch die Fensterhöhle und erkannte, dass die Hütte unbewohnt war.

 

 

Altes Blockhaus

 

Er trat ein. Freude und Besorgnis stiegen gleichzeitig in ihm auf. Obwohl das halbe Dach fehlte, war der winzige Raum ein luxuriöses Geschenk. Beunruhigt jedoch war er darüber, dass die Hütte während der Jagdausflüge der Wilden höchst wahrscheinlich verwendet wurde. Die dicke Staubschicht auf dem Boden, ohne Fußspuren, sah jedoch beruhigend aus.

 

Zuse genoss die Rast in der vom Wetter teilweise geschützten Stube. Er entspannte sich und dachte über die gegenwärtige Situation nach:

Es ist jetzt das Jahr 2114. Geduldete Menschen leben in großen Städten, denn dort sind sie auch leichter von der globalen Denkmaschine zu kontrollieren. Es gibt noch eine Agrarwirtschaft, für diverse Lebensmittel, die sich im Freien billiger herstellen lassen als in Kulturtanks oder durch chemische Synthese. Diese Flächen werden ausschließlich von Maschinen betrieben. Natürlich würden sich die Wilden und Ausgestoßenen, die in Dorfeinheiten unter der Führung von Häuptlingen leben, gerne über die Agrarpflanzungen der Städte hermachen. Deshalb lässt die globale Denkmaschine jene Felder von Robotern bestellen. Das hat seinen triftigen Grund. Es besteht dadurch für die Aufsichtsdrohnen nicht das Dilemma zwischen Freund und Feind unterscheiden zu müssen. Alles was ein höherer Bioorganismus ist, von der Infrarotkamera als größerer Fleck erkennbar, gilt als Feind und wird von den fliegenden Drohnen getötet, egal ob Hase, Reh oder Mensch. Für die gefühlskalte Denkmaschine ist das ein ganz natürlicher Vorgang, die Beseitigung von Schädlingen, etwa so wie Pflanzenschutz. Die Ausgestoßenen tun somit gut sich von den Feldern fern zu halten und müssen sich auf ihre Weise Nahrung besorgen. Da ihnen meist nur hügeliges, steiniges Land verblieben war, lebten sie meistens von der Jagd. Das wiederum brachte Zuse die Gefahr jederzeit einer Gruppe von Jägern begegnen zu können.

 

In den vergangenen Jahren als Wissenschafter gelangte Zuse an manche Informationen, welche anderen fremd waren. Aus diesem Wissen heraus verfiel er nicht dem Irrtum der anderen Ausgestoßenen. Die meisten, nein, alle von ihnen, suchten den Schutz innerhalb einer Gesellschaft. Sie alle hatten in den Städten, wo ihnen alle wichtigen Lebensbedürfnisse erfüllt wurden, verlernt, für sich selbst zu sorgen oder Eigeninitiative zu entwickeln. Sie wurden dadurch vom sozialen Gefüge abhängig wie Kleinkinder von der Mutter. Deshalb war es für sie geradezu ein Zwang, wenn sie aus der Gesellschaft ausgestoßen wurden, sich sofort einer anderen Gesellschaft anzuschließen. Es bereitete ihnen kein Kopfzerbrechen sich der Willkür eines Dorfherrschers zu unterwerfen, waren sie ja auch bislang der Willkür der Denkmaschine unterworfen. Außerdem waren und sind sie als Stadtmenschen völlig naturfremd. Sie ängstigen sich in der Natur. Eine freie Natur ist für sie etwas Wildes, Bedrohendes, das sich den Regeln widersetzt. Es gibt in den Städten auch Natur, nicht viel, nur ein wenig. Diese Natur ist für diese Menschen jedoch so wie sie sein soll. Sie ist dem Menschen, nein, eigentlich der Denkmaschine unterworfen. Das Gras ist kurz geschnitten, höchstens drei Zentimeter hoch, gleichmäßig grün und nicht durch kleine Blütenpflanzen verunreinigt. Es gibt auch Bäume in den Städten. Meist sind es kleine Bäume, kugelförmig oder wie Pyramiden zugeschnitten. Sie sind Dekor, welcher das helle Weißgrau des Betons durch Farbkontrast besser zur Geltung bringt.

Als naturfremde Wesen fürchten die Ausgestoßenen die grausame Willkür der Dorfherrscher und ihrer Schergen weniger als die unbekannte wilde Natur. Sie fühlen sich in den Dörfern sicherer. Und das ist der große Irrtum jener Ausgestoßenen. Die globale Denkmaschine duldet die kleinen Dorfeinheiten, denn es hat für sie den Vorteil, dass es nicht nach Todesurteil klingt, wenn jemand ausgestoßen wird. Bei den kurzen Abschiedsfeiern wird auf die Möglichkeit verwiesen in Dörfern leben zu können und es wird den Ausgestoßenen sogar eine Wegkarte mitgegeben und die Richtung gezeigt wo das nächste Dorf ist. Das zeigt den Mitbürgern wie sehr die Denkmaschine um das Wohl ihrer menschlichen Kinder besorgt ist. Das aus der Stadt verwiesen zu werden erscheint als ein humaner Akt. Ja, nicht der große Beschützer, sondern der Verstoßene hatte durch sein Verhalten entschieden, welcher Gesellschaftsform er angehören will. Diese Menschen wurden also scheinbar nicht bestraft, sondern man gab ihnen das, was sie wollten. Sie wurden einer Lebensart zugewiesen, die ihnen eher entsprach.

 

So war es auch bei Zuse. Die Denkmaschine und selbst ernannter großer Beschützer erwies sich in seinem Fall sogar als sehr großzügig. Es wurde ihm eine Abschiedsfeier mit einigen sehr nahe stehenden Mitbürgern gestattet. Ein eigener Festgestalter wurde zur Verfügung gestellt. In den Augen der Mitbürger eine Ehre und Zeichen der Hilfe durch den großen Beschützer. In den Augen der Mitbürger verhalf der Festgestalter zu einem schönen und gelungenen Abschiedsfest. In Wirklichkeit jedoch war der Festgestalter für die Denkmaschine der Garant, dass die Feierlichkeit geordnet und in ihrem Sinne ablief.

 

All das vor Augen dachte Zuse an die heuchlerische Ironie der sogenannten Festlichkeit zurück. Der Festgestalter war eine professionelle Person, die sonst die Trauerfeierlichkeiten gestaltete, wenn die Mitbürger, bevor der Körper des Verstorbenen verbrannt wurde, von ihm Abschied nahmen. Im Fall von Zuse war in der Mitte des Raumes nicht der Sarg sondern ein Stuhl, auf dem Zuse gebeten wurde Platz zu nehmen. Es erfolgte eine kleine Ansprache, in welcher keine Vorwürfe gemacht wurden, sondern das große Bedauern ausgedrückt wurde, dass sein Verhalten die Ordnung der Gesellschaft gestört hätte und um eine Verwirrung innerhalb der Mitbürger zu vermeiden, ihn der Große Beschützer unter großem Bedauern aus der Stadt verweisen müsse. Dann wurde Musik eingeschalten, die wenigen Mitbürger, die gekommen waren und unter ihnen seine Freundin Ada, nahmen Abschied und überreichten ihm Seidenblumen, die Zuse als unbrauchbares Gepäck natürlich nicht auf seiner Reise mitnehmen konnte und somit zurück lassen musste. Dadurch konnten die Blumen wie vorgesehen für die nächste Feierlichkeit weiter verwendet werden. Für die Bestattungsrituale galt ja das gleiche.

Die Mitbürger standen mit staunenden Augen da, nur Ada weinte. Zum Schluss übergab ihm der Trauerbeamte die Geschenke der Denkmaschine, des großen Beschützers. Stück für Stück zeigte der Festgestalter Zuse und den Mitbürgern die Geschenke und betonte, wie sehr der große Beschützer um sein Wohl bedacht wäre und wie er nur schweren Herzens Abschied nehmen würde. Niemand kam auf die Idee zu hinterfragen, ob die Denkmaschine überhaupt zu Gefühlen fähig wäre. Begleitet von lobenden Worten für den großen Beschützer wurden die Geschenke mit Pomp und Pathos Stück für Stück auf einem Tisch seitlich von Zuse abgelegt: ein wasserdichter Rucksack aus leichtem Material, ein gefütterter Schlafsack, eine Decke, ein Regenschutz, ein Messer, eine kleine Handsäge, Kleidungsstücke und reichlich haltbarer Proviant.

Nachdem sich Zuse von allen verabschiedet hatte, wurde er zu einem Fluggerät geleitet, um irgendwo weit weg von der Stadt abgesetzt zu werden. Zuse war erstaunt, dass man ihm den Rucksack beließ und nicht abnahm, um ihn für die nächste Feierlichkeit der Verabschiedung eines Verstoßenen zu verwenden.

 

Zuse verfiel nicht in die übliche Verhaltensschablone der Ausgestoßenen. Denn abgesehen von der tyrannischen Willkür der Häuptlinge gab es da noch etwas, was die Masse der Stadtmenschen nicht wussten, er aber als Wissenschafter sehr wohl. Es war die Tatsache, dass die Denkmaschine immer bemüht war die Dorfgemeinschaften der Ausgestoßenen klein zu halten. Auf keinen Fall sollten sie über Ressourcen oder organisatorische Strukturen verfügen, um eine auch nur mäßige Zivilisation aufzubauen. Den Gebrauch von Eisen konnte die Denkmaschine nicht verhindern, denn es lag zu viel Eisen aus der alten Zivilisation herum. Für einen fast steinzeitlichen Gebrauch durften deshalb die Wilden die Fundstücke der alten Zivilisation zu sich nehmen. Das wurde genau mittels Drohnen überwacht. Jedes mal wenn eine Dorfgemeinschaft zu groß wurde oder zu zivilisiert, sprühten die Drohnen Krankheitserreger aus und schon war die zu groß gewordene oder zu gut organisierte Bevölkerung dezimiert oder ausgerottet. Natürlich verfügten die Wilden über keine Medikamente. Nun jedenfalls wusste Zuse dies alles und es erschien ihm deshalb sinnvoller allein im Wald zu leben.

 

Allmählich wurde das Denken Zuses, das um alle diese Gegebenheiten kreiste, immer träger, blieb an der Abschiedsfeier haften, wurde von kurz eingeblendeten, traumartigen Bildern unterbrochen, in denen er das Tränen benetzte Gesicht Adas sah, Ausschnitte der verwitterten Betonstraße und bald war er eingeschlafen.

 

 

 

Die unsichtbare Gefährtin

 

Es war noch sehr früher Morgen als Zuse in der Blockhütte erwachte. Er hatte zwar ein Dach über dem Kopf gehabt, aber der Fußboden aus Brettern war zum größten Teil vermorscht und durchgebrochen. Der Schlafsack war zwar wasserfest, dennoch hatte der erdige Boden so viel Kälte ausgestrahlt, dass es ihn nun fröstelte.

 

Bevor Zuse wach wurde hatte er noch einen Traum: er befand sich in einem schönen Haus im Baustil der Altzeit. Es waren etliche Leute im Raum, die miteinander plauderten. Worüber wusste Zuse nicht mehr. Jedenfalls hatte er sich auf eine Bank gesetzt. Da gesellte sich zu ihm eine junge Frau und lehnte sich in vertrauter Art an ihn. Es war kein erotisches Ankuscheln. Es war ganz natürlich so wie bei gegenpolaren Magneten die einander anziehen und sich aneinanderlegen. Zuse hatte das Gefühl, dass die Frau und er schon immer beieinander waren, einfach zusammen gehörten. Es war eine ungemein vertraute Atmosphäre. Kein Wort wurde gesprochen, keine Geste zeigte eine Absicht oder einen Wunsch. Nichts dergleichen. Es schien so als ob eine Kommunikation nicht nötig wäre zwischen den zwei Hälften eines nun in sich geschlossenen Teiles.

Lange, schien es, saßen sie aneinander gelehnt beisammen. Es war ein tiefer Friede, fern aller Probleme, ohne offene Fragen, ohne Wünsche.

 

Der Traum war ein schöner Tagesbeginn. Er vermittelte seelische Kraft.

Es war noch dämmrig als Zuse das Haus verließ und wieder hinaus schritt in die vom Tau tropfende Welt. Während dem Gehen dachte Zuse über den Traum nach. Er hatte oft solche Träume – immer war es die gleiche Vertrautheit zu dieser Frau, deren Aussehen er nie genau fixieren konnte. Immer war sie da und doch flüchtig und trat oft nur in der seitlichen Peripherie in Erscheinung. Für Zuse war sie eine Persönlichkeit, welche gemeinsam mit ihm die Zeiten durchschreitet, denn irgendwie hatte alles das Flair des Ewigen. Auch in diesem Traum, so wie in all den vorhergehenden Träumen, oder astralen Begegnungen, was wahrscheinlich richtiger in der Bezeichnung ist, war sie zeitlos. Sie gingen still nebeneinander, so als wäre dies ein Symbol für den zeitlosen gemeinsamen Weg.

Erst beim Aufwachen, wenn Zuse in seinen üblichen Wachzustand gefallen war, erst dann stellte er sich die vielen Fragen, etwa warum er nicht die Frau genau angesehen hatte, um sich endlich einmal ein klares Bild von ihr zu machen. Oder warum er sie nicht gefragt hatte wer sie sei und ähnliche Fragen.

 

Zuse schloss seine Gedankenkette mit der Feststellung ab, dass Vertrauen und Zusammengehörigkeit nicht die einzigen Kennzeichen dieser Partnerschaft waren. Das Wichtigste von allem war die tiefe Liebe, die sie zu einander empfanden.

 

Gegen Mittag fand Zuse die Mauerreste eines ehemaligen Hauses, kaum erkenntlich, da die Schuttreste von Sträuchern überwuchert waren und sogar einige Bäume daraus empor wuchsen, dort wo einst Zimmer gewesen sein mussten. Die Mauerreste erweckten sein Interesse. Wo ein Haus sich befunden hatte, ist auch ein Garten gewesen. Vielleicht konnte er einen Baum mit Früchten vorfinden. Saftige Birnen schwebten ihm vor. Er suchte und fand tatsächlich einige Obstbäume. Allerdings waren sie schon abgestorben. Es waren Apfelbäume erkannte er an der Rinde. Die Bäume waren von höheren Waldbäumen überschattet worden und aus Lichtmangel abgestorben. Er wollte sich bereits abwenden, um weiter zu wandern, als er einen Impuls empfing, genauer auf den Boden zu schauen. Er tat es und als er am Boden das lederne Blatt eines Nussbaumes sah, freute er sich.

 

Das Blatt war ein wertvoller Fingerzeig. Ein Nussblatt bedeutete, dass ein Nussbaum in der Nähe stehen würde. Die Nüsse waren um diese Jahreszeit schon reif und würden schon am Boden liegen. Eine bequeme Ernte und zudem waren die Nüsse mit ihrem Fett und Eiweiß wertvoller als jeder Apfel.

 

Tatsächlich fand Zuse nach einigem Suchen drei Nussbäume, etwas abseits vom Anwesen und unten am Boden eine Menge Nüsse, die er sorgsam aufsammelte. Als er  keinen Platz mehr zum Verstauen hatte, aß er noch drei Äpfel, obwohl er keinen Hunger hatte, nur um zusätzlichen Raum in seinem Gepäck zu bekommen. Er nahm sich vor die Nüsse am Abend aufzuschlagen, um Platz und Gewicht zu sparen.

 

Eine Stunde später, es war noch früher Nachmittag, gelangte er zu einem Bach und einige Schritte später zu einem Gebäude mit einem morschen Wasserrad. Zuse setzte sich hinter einen Strauch und beobachtete. Nichts rührte sich und so ging er vorsichtig näher. Durch eine Fensterhöhle spähte er in das Innere des Gebäudes. Es war leer.

 

 

Das verlassene Sägewerk im Wald

 

Zuse kletterte durch ein Loch in der Bretterwand. Drinnen befand er sich in einem großen, in die Länge gezogenen Raum. Er sah sich um. Der Raum war auf der einen Schmalseite von einem großen Tor abgeschlossen. Auf der anderen Seite war der Teil, zu dem die Achse vom Wasserrad führte, um eine Säge zu betreiben, wie nun zu erkennen war. Dort waren alle Maschinen hingeschoben und gestapelt worden. Alles was Metall war, war schon stark verrostet.  Der frei gehaltene Teil, war von einer sehr dicken Staubschicht bedeckt, was sehr beruhigend war. An der Wandseite befand sich eine lange Bank, davor ein massiver Holztisch und noch vier Stühle, von denen zwei zerbrochen waren. Tisch, Bank und Stühle waren aus Eichenholz gemacht und zwar derart massiv, dass die Möbel die Zeit fast unbeschadet überdauert hatten.

 

Zuse setzte sich an den Tisch, kramte die Nüsse hervor und begann sie zu knacken. Die großen Nussteilchen gab er in einen Plastiksack, während er die kleinen bröseligen Reste aufaß, zusammen mit zwei Äpfeln.

 

Es wurde kühl. Zuse zog den zweiten Pullover an und schlug eine Decke um seine Beine. Die Decke war eines seiner wertvollen Güter und war nebst dem Schlafsack und einer großen Folie, die als Regenschutz gedacht war und auch Decke und Schlafsack umhüllte, oben auf den Rucksack geschnallt.

 

Nachdem Zuse die Nüsse geknackt hatte und sogar einigermaßen satt war, legte er sich hin. Kurz verband er sich mit seinem Energiezentrum in seinem Herzen, das er als den Sitz seiner inneren Lenkerin Shakti empfand. Bald schon ließ seine innere Ausrichtung nach und er wurde dösig.

 

Er döste so dahin, als er ein lautes Knacken hörte. Er wachte erschrocken auf und blickte um sich. Vielleicht hatte nur das Holz gearbeitet, dachte er. Dennoch zur Vorsicht kletterte er durch die Öffnung in der Bretterwand und suchte die Umgebung ab. Es war jedoch alles ruhig. Er trank beim Bach etwas Wasser und kletterte wieder zurück, um sich erneut auf den Boden schlafen zu legen.

Bald döste er wieder ein und versank in tiefen Schlaf.

 

Gegen Morgen hatte er ein schönes Traumbild. Er sah eine große Glaskugel und darin zwei Seerosen, in wunderschönem leuchtendem Blau. Am Boden der Vase waren mehrere Samen, von denen einer bereits am Keimen war und den Zuse besonders interessiert betrachtete. Es erschien ihm als ob der Same in unbekannter Weise wichtig wäre. Im Traum weiter driftend machte er sich Gedanken, wie er das weitere Wachstum des Samens fördern könnte, wo doch am Boden der Glaskugel keine Erde war. Dann schwebte sein Augenmerk wieder den Seerosen zu, die er zu Beginn nur flüchtig registriert hatte, nunmehr aber ganz genau betrachtete.  Eine Seerose befand sich im Wasser und eine schwamm auf der Oberfläche. Indem er die zwei Seerosen betrachtete, wurde unter dem Eindruck der leuchtenden Farben sein Bewusstsein immer klarer. Schon erfasste ihn ein euphorischer Glückszustand. Bald darauf wachte er auf.

 

 

 

 

Die Dorfruinen

 

Zuse hatte sich mit dem Aufbruch Zeit gelassen. Auf seiner wetterfesten Uhr, die er als Abschiedsgeschenk mitbekommen hatte, war es 9 Uhr. Zuse war in der glücklichen Situation, dass es für ihn weder Verpflichtungen noch Aufgaben gab und er somit über unbeschränkte Zeit verfügen konnte. Das war ein wunderschönes Gefühl.

 

Nachdem er noch zwei Äpfel gegessen hatte, packte er seine Sachen in den Rucksack und machte sich wieder auf den Weg. Er war in gehobener Stimmung, denn der Traum mit den zwei Seerosen begleitete ihn als schönes Erinnerungsbild.

 

Nach wie vor lag der Morgennebel schwer auf der Landschaft und verzauberte sie in eigenartiger Weise.

Es verzogen sich gerade die letzten Reste eines dünnen Hochnebels und die Sonne kam stärker hervor. Der Wald hier war schütter, Eichen waren die häufigsten Bäume. Früher mochten hier Nadelbäume gewachsen sein, aber durch die Klimaerwärmung hatte sich die Flora nach Norden verschoben und die frühere mitteleuropäische Gegend hatte einen fast mediterranen Charakter angenommen. Dennoch fand er auf seinem Weg in einem engen und schattigen Tal einige Eiben, von deren süßen Beeren er etliche aß, wohl darauf achtend die giftigen Kerne auszuspucken. Es war nichts zum satt werden, wohl aber eine Delikatesse. Was größere Nahrungsmengen anbelangt, so fand er reichlich Pilze, darunter solche, die roh durchaus bekömmlich und wohlschmeckend waren. Etwas später entdeckte er einen größeren Fleck abgeblühter Stauden von Topinambur, dessen Knollen früher oft die Stelle der Kartoffeln eingenommen hatten. Er grub mit seinem kleinen Spaten eine gute Menge aus. Beim nächsten Bach würde er die Erde abwaschen. Er freute sich darüber, denn die Knollen von Topinambur können auch roh gegessen werden.

 

Die Suche nach Nahrungsmitteln während der Wanderung lockerte diese auf und führte zu immer wieder neuen Entdeckungen. Sie machte Zuse trotz des schweren Rucksackes Freude. Während er so beim Gehen nach links und rechts sah, um Pilze ausfindig zu machen, fiel ihm die Intuition des gestrigen Tages mit dem Nussblatt ein. Das Suchen musste eine ideale Möglichkeit sein, um seinen Kontakt mit seiner inneren höheren Führung, der Shakti, zu intensivieren und zu schulen. Deshalb veränderte er die Art des Suchens. Er lauschte nach innen und versuchte herauszufinden wohin er schauen müsse, um einen Pilz zu finden. Am Anfang brachte dieses spielerische intuitive Suchen einige Schwierigkeiten mit sich. Er hatte oft Misserfolge, und wenn er Erfolg hatte, wusste er nicht, ob es Zufall war. Doch mit der Zeit wurde die Trefferquote besser und die inneren Bilder deutlicher. Gelegentlich hatte er nicht nur die Intuition an welchem Ort ein Pilz war, sondern auch eine klare Vorstellung welcher Art der Pilz war. Längst schon hatte er durch dieses spielerische Training so viel gefunden, dass er keinen weiteren Vorrat mehr benötigte. Dennoch setzte er die Suche fort, weil ihm diese Form des Trainings mehr bedeutete als die Nahrung selbst.

 

Zum späten Nachmittag hin entdeckte Zuse zwischen dem lockeren Bestand von Eichen die Mauerreste eines ehemaligen Dorfes. Das war für ihn eine brauchbare Entdeckung. Es war weniger wegen einem Nachtquartier, sondern wegen der verwilderten Gärten. Zur Zeit der Übersiedelung in die Städte wurden alle Dörfer geschliffen, und man war bemüht keine Häuser stehen zu lassen, die subversiven Asozialen, welche nicht in die Städte zu ziehen bereit waren, Obdach hätten gewähren können. Letztlich wurden manche Wankelmütige angesichts der zerstörten Häuser doch noch bewegt in eine der Städte zu ziehen. Tatsächlich wurde Zuse fündig – reichlich sogar - Pflaumen, Äpfel, Birnen, Nüsse, Haselnüsse. Er aß sich satt und beschloss einen Vorrat anzulegen. Er hatte vor, etliche der Äpfel in Scheiben zu schneiden und in der Sonne zu trocknen.

 

Er entdeckte die rostigen Blechfolien einer ehemaligen Dachbedeckung und legte sie an einer sonnigen Stelle auf, um auf ihnen Apfelscheiben und halbierte Pflaumen zu trocknen. Die Trockenfrüchte wären dann gut haltbar und eine wertvolle Notration. Er nahm sich vor so an die zwei Tage zu bleiben. Eine windgeschützte Mauerecke würde sich schon finden, um zu übernachten.

Es kam jedoch besser als erhofft. In einem verwilderten Garten stand ein Wohnwagen mit zerborstenen Fenstern und als er in diesen hinein geklettert war, fand er dort eine noch gut überdachte und trockene Schlafbox und sogar einen Tisch mit einer Bank. Eine großartige Entdeckung!

 

 

ein Luxusquartier

 

Gegen Abend schlüpfte Zuse wohlig satt in seinen Schlafsack in der Schlafkoje. Er blieb noch einige Zeit wach und dachte an seine innere Führung, zu welcher der Kontakt durch das spielerische Suchen sehr lebendig geworden war. Eine starke Liebe erfasste ihn. Er fühlte, wie ein Strom von Wärme seinen Brustraum belebte, ja durch eine kurze Weile entstand sogar ein heißes Erglühen und damit verbunden ein unglaublich intensives Gefühl der Liebe.

 

Am Morgen ging Zuse als erstes zu den Blechen, wo er seine Fruchtspalten aufgelegt hatte, um sie zu wenden und weiter trocknen zu lassen. Dort angekommen, entdeckte er zu seinem Missfallen, dass die Hälfte der Früchte von einem Tier aufgefressen worden war. Wenig erfreut darüber sammelte er die verstreuten Reste und legte sie wieder auf. Nunmehr hatten sie alle auf einem einzigen Blech Platz. Um neuerlich Früchte zu sammeln und aufzulegen reichte die Zeit zum Trocknen nicht mehr, denn am nächsten Tag wollte er weiter ziehen.

Er hatte gerade die letzten Fruchtspalten in Reih und Glied auf dem Blech aufgelegt und dieses an einen sonnigen Platz positioniert, als er Hundegebell hörte. Zuse erschrak. In der ersten Sekunde wusste er nicht ob noch genügend Zeit wäre, um zum Wohnwagen laufen und seinen Schlafsack holen zu können, oder es klüger wäre davon zu eilen. Doch gleich zeigte sich, dass die Entscheidung schon gefallen war. Die Hunde und mit ihnen die Jagdgruppe waren schon zu nahe. Schlafsack und Regenschutz zu holen war aussichtslos. Davon zu laufen in dem fremden Gelände ging auch nicht. Die Hunde würden die Spur aufnehmen und er hätte keine Chance. Für diese Leute war er ein Dieb, der in ihrem Jagdgebiet herum strolchte und ihnen Obst und Jagdbeute stahl. Da fiel ihm eine eingestürzte Brücke ein. Sie war ein Stück weiter in entgegen gesetzter Richtung von wo das Hundegebell her kam. Er lief zum Bach und im Wasser so schnell er konnte zu der ehemaligen Brücke und verkroch sich dort in der Tiefe des verbliebenen Bachdurchlaufes. Zu seinem Glück hatten die Betontrümmer innen in ihrer Höhlung eine seitliche Nische gebildet. Von draußen konnte man diesen kleinen Hohlraum nicht einsehen.

Dort lag Zuse nun, hoffend, dass die Hunde ihn nicht riechen würden. Was die Spuren anbelangt, so würden die Hunde diese beim Bach verlieren und eine andere Spur aufnehmen, von den vielen im Bereich des Dorfes, das er kreuz und quer abgelaufen hatte.

 

Schon hörte er zusätzlich zum Hundegebell Stimmen. Sie kamen näher. Bald waren einige der Leute gefährlich nahe der Brücke. Dann hörte er einen Ruf, der aus der Richtung des Wohnwagens gekommen war. Die Gruppe in seiner Nähe debattierte laut und entfernte sich daraufhin Richtung Wohnwagen. Als nächstes hatte Zuse das Empfinden, dass die Leute das gesamte Terrain um die Dorfruinen absuchten. Er hörte keine Stimmen mehr. Selbst die Hunde schwiegen. Zuse lauschte angespannt, was ihn nicht gerade beruhigte. Da hörte er ein Knacksen relativ nahe und dann einen Stein, der ins Rollen kam, noch ein Stück näher. Der Geselle ging den Bach entlang und wenn er klug war, so würde er der kleinen Öffnung unter den Betontrümmern Aufmerksamkeit schenken. Sicherlich würde er in das Loch nicht hinein kriechen, aber er könnte einen Hund hinein schicken, was auf das Gleiche heraus kam. Zuse wagte kaum zu atmen und begann mit seinem Leben abzuschließen. Doch dann hörte er abermals einen Stein, diesmal jedoch wieder etwas weiter weg. Erleichtert atmete er auf. Wieder hörte er Schritte, diesmal oben, entlang der ehemaligen Straße, die einmal über die Brücke geführt hatte. Die Schritte entfernten sich wieder in die gleiche Richtung aus der sie kamen.

Dann war es still. Zuse wagte nicht die Höhle zu verlassen. Sie konnten ja noch immer in der Nähe sein und selbst wenn er sich abermals verstecken würde, könnten dann die Hunde die Spur aufnehmen.

 

Als es bereits späte Nacht war, wagte er sich vorsichtig heraus. Er schlich zum Wohnwagen und suchte nach seinen Utensilien. Nichts war mehr da, einzig ein rostiges Küchenmesser, das unauffällig an einer Bodenkante im Schmutz lag. In der jetzigen Situation war das Messer zwar ein wertvoller Fund, aber angesichts der großen Verluste kein Trost. Zuse hatte alles verloren. Er hatte lediglich den leeren Rucksack, den er in der Absicht ihn mit Obst aus den Bauerngärten zu füllen, mit genommen hatte. Die Situation war entmutigend. Schutzlos würde er nunmehr Regen und Kälte ausgeliefert sein und zu Essen hatte er auch nichts mehr, nicht einmal die Nüsse waren geblieben, die er mühselig gesammelt und aufgeschlagen hatte.

 

Mit dem nachklingenden Schrecken in den Gliedern beschloss er ab nun nur noch in der Nacht weiter zu wandern, was den Vorteil hatte, dass er sich hierbei besser warm halten konnte. Tags über jedoch wollte er in einem Versteck Unterschlupf nehmen und versuchen zu schlafen.

 

 

Zuses Zweifel und sein spirituelles Erwachen

 

Bevor Zuse aus den Dorfruinen weg wanderte, machte er noch im Licht der Mondsichel einen kleinen Umweg zu einem Apfelbaum, den er am Vortag gefunden hatte. Er pflückte einige Äpfel und füllte seinen leider leeren Rucksack zur Hälfte an. Mehr Äpfel waren für ihn leider nicht erreichbar. In der Dunkelheit einen Stock zum Abschlagen weiterer Äpfel zu suchen war nicht möglich. Die verwilderten Apfelbäume waren relativ hoch. Die sonst üblichen kleinwüchsigen Obstbäume der Altzeit wurden damals auf schwach wachsende Unterlagen veredelt. Solche Bäume waren sehr kurzlebig und überschritten kaum 30 Jahre. Von ihnen gab es nichts mehr, nicht einmal Spuren. Es hatten also nur stark wüchsige Bäume überlebt und die waren von spindelförmig Wuchs, wobei die unteren Äste von oberen Ästen überdeckt wurden, sobald diese Früchte trugen und sich durch deren Gewicht nach unten bogen.

 

 

Rechts neben dem Mauerrest mit den zwei Fensterhöhlen, ein verwilderter Apfelbaum mit spindelförmigem Wildwuchs

 

Für Nahrung war zwar auf einige Tage gesorgt, dennoch war Zuse über seine augenblickliche Lage verzweifelt. Betrübt machte er sich auf den Weg. Die Gegend, welche er nun durchwanderte war hügelig und als Agrarland für den großen Beschützer ungeeignet. Abgesehen davon gab es relativ wenig Agrarland, denn der Bedarf war gering. Der Rest des Gebietes wurde im Laufe der Jahrzehnte zu einer Waldlandschaft. Die Stämme der geduldeten "Wilden" hatten sehr große Reviere, da sie vornehmlich von der Jagd lebten. Das Land war somit nur dünn besiedelt. Gelegentlich gab es winzige Felder, die in Hackbau bearbeitet wurden, denn es gab keine Rinder als Zugtiere und keine Kleinindustrie für Pflüge oder Wägen, um eine fortgeschrittenere Landwirtschaft zu ermöglichen. Der große Beschützer duldete kein  Aufkommen von Handwerkern mit komplexen Produkten. So waren die Kleingruppen wieder auf das Niveau einer fast steinzeitlichen Frühkultur zurück gefallen. Sie hatten auch nicht Reitpferde, weil es außer Sumpfwiesen nur Wald gab, der mit seinem Unterholz und Brombeerranken zum Reiten schlecht geeignet war. Die einzigen Haustiere waren Ziegen und Schafe. Königreiche, welche für eine Infrastruktur hätten sorgen können, wusste der große Beschützer zu verhindern.

 

Die Entscheidung aus Sicherheitsgründen nur in der Nacht zu wandern hatte auch ihre Nachteile. Unter dem teilweise schon verfärbten Blätterdach der Bäume war der Wald in der Nacht beinahe stockfinster. Oft lief Zuse gegen einen Ast in Kopfhöhe oder verfing sich in stacheligen Brombeerranken. Bald hatte seine Kleidung überall Löcher und die Beine waren gezeichnet von Blutstriemen. Nach einigen Stunden des Wanderns gab es fast keine Körperstelle mehr, die nicht brannte oder schmerzte.

 

Stolpernd, immer wieder mit seinen Beinen in schneidenden Brombeerranken hängen bleibend haderte Zuse über das Unglück. Durch die depressive Stimmung war es ihm zu seinem zusätzlichen Unglück unmöglich, sich mit seiner göttlichen Lebenskraft, der Shakti, zu verbinden. Genau jetzt in seiner größten Not fühlte er sich wieder allein und umso stärker verlassen und einsam. Bald schon begann er am Glauben an seine innere Führung zu zweifeln und tat sie als Wunschvorstellung ab. Der Gedanke, dass alles nur Einbildung war und Zufall, sich letztlich selbst betrogen zu haben, hinterließ ein schmerzhaftes Empfinden. Die zermürbenden Gedanken ließen seinen Lebenswillen erlahmen und er rechnete sich aus, dass er innerhalb weniger Tage erkranken oder von Wilden aufgegriffen werden würde. Zudem war er sich durch die Orientierungslosigkeit in der Nacht nicht mehr sicher, ob er noch immer auf seinem Weg nach Süden war oder statt dessen im Kreis gehen würde. Sich nach Sternen zu orientieren ist in einem dichten Wald nicht möglich. Tagsüber zeigt die Sonne die Richtung.

 

Erschöpft setze sich Zuse nieder und lehnte sich an einen Baumstamm. Entmutigt und frierend versuchte er in einem letzten Aufbäumen verzweifelter Hoffnung seinen inneren Sinn nach der Gefährtin auszurichten. Sie war die Einzige, an die er glaubte, nachdem er sich von der inneren Führung in Stich gelassen fühlte. Es war ein Schrei der Verzweiflung. Wie ein Echo schien er von seiner Gefährtin einen ebenso tiefen Schmerz zu fühlen. In diesem Schmerz fühlte er ihre Verzweiflung und eine Bitte und ein Flehen: wenn er an der göttlichen Führung in sich zweifle, dann wäre er verloren. Dann hätte er keinen Schutz mehr und Abgründe würden sich öffnen. Der Ruf und der Schmerz seiner Gefährtin löste ein derart reales und starkes Empfinden aus, dass Zuse erstaunt aufhorchte und inne hielt. Alle seine Gedanken und Gefühle schwiegen, als er auf diesen Ruf lauschte. Seine Intuition und Verbindung mit der Shakti erwachten wieder neu und aus der inneren Stille heraus entstand in ihm ein eindeutiges Bild einiger Steinblöcke, die in zirka 500 Meter zu seiner rechten Seite wären und eine hinter Gebüschen gut getarnte Höhle bilden würden. Zuse sprang auf und ging in die empfundene Richtung. Tatsächlich fand er dort eine Felsenformation die genau dem entsprach, was er innerlich wahrgenommen hatte. Zuse jubelte. Es war nicht nur ein rettender Fund, sondern viel mehr. Es war der Beweis, dass er nicht allein war. Es gab seine Gefährtin, die mit ihm fühlte und es gab seine innere Führung. Diese innere Wahrnehmung und ihr Beweis löste in Zuse einen inneren Jubelschrei aus. Mit einem Schlag waren alle Depressionen verschwunden und tiefes Glück und eine hingebende Liebe erfüllte ihn.

 

Nie wieder wollte er seinen Glauben zu seiner inneren göttlichen Kraft, der Shakti, verlieren. Damit nie wieder ein Zweifel aufkommen möge, beschloss er einige Tage hier zu bleiben, um seine Verbindung zur Shakti zu festigen. Tag und Nacht wollte er mit ihr in Verbindung bleiben, hier an diesem Ort und bestenfalls sternförmige Ausflüge machen, um nach Nahrung zu suchen.

 

 

Der Findling mit dem Wetterschutz

 

Zuse sammelte etwas Laub und machte sich eine wohlige Schlaf- und Sitzmulde unter dem überhängenden Felsen. Laub war unverfänglicher - er konnte es leicht sammeln und nach einer Stunde war die darunter liegende feuchte Schicht an der Luft wieder angetrocknet und hinterließ somit keine Spuren. Anders wäre es Heidelbeer-Reisig abzubrechen und zu sammeln. Die Spuren der abgebrochenen Zweige hätte man noch nach Wochen sehen können und es war klar, kein Wild würde sich über blattlose Zweige hermachen. Vorsicht war immer eine gute Sache und sollte in dieser Zeit allgegenwärtig sein. So war er deshalb zum Beispiel bemüht beim Gehen die Füße anzuheben, um keine Schleifspuren im Laub zu hinterlassen.

 

Als die Mulde mit Laub ausgebettet war, leerte er seinen Rucksack aus, um ihn als isolierende Unterlage zu verwenden und machte es sich bequem so weit dies möglich war. Dann versuchte er sich in Trance zu versenken.

 

Zuses Versenkung wurde immer tiefer und auf einmal wurde er sich eines rotgoldenen Scheins gewahr. Dann stieg in ihm ein Bild auf. In einem fernen Land, mitten im Schnee sah er einen Yogi sitzen, unbekleidet, in Verzückung und von dem Feuer der Kundalini durchpulst. Während Zuse dieses Bild vor Augen hatte verschmolz er auf einmal mit dem Yogi und sah sich selbst in dem Schnee sitzen und meditieren. Eine wunderbare, wohlige Hitze durchströmte seinen Körper. Als Zuse aus der Trance in den Wachzustand zurück gekehrt war, fühlte er seinen Körper von einer wohligen Hitze durchflutet. Er fixierte seine Aufmerksamkeit auf dieses Empfinden und versuchte es suggestiv zu festigen. Diese Hitze zu fühlen, nahm er sich vor, sollte der Schwerpunkt seiner Aufmerksamkeit und Tätigkeit der nächsten Tage sein. Sollte es ihm gelingen die Hitze zu halten, so würde er nie wieder frieren müssen. Seinen Schlafbedarf erfüllte er sich durch kurze Schlafperioden zwischen seiner Übung und ließ ansonsten nicht ab sich auf das innere Durchströmt werden von Hitze zu konzentrieren.

Solcher Art blieb Zuse einige Tage in der Mulde, darauf bedacht den Zustand zu festigen und nicht abklingen zu lassen. Er verzichtete darauf Nahrung zu suchen. Während seine Aufmerksamkeit auf das Willenszentrum zwischen den Augenbrauen ausgerichtet war, auf die Liebesflamme im Herzzentrum und auf den feurigen, belebenden Strom, vergaß er die Welt. Ab nun war er ein veränderter Mensch, das wusste er. Die Not hatte in ihm Energien und Fähigkeiten wach gerufen, wozu er in einem bequemen Leben nie imstande gewesen wäre.

 

Es waren Tage vergangen als sich Zuse wieder auf den Weg machte. Er wanderte nun tagsüber, erfüllt von absoluter Zuversicht und einer mächtigen inneren Kraft. Es war Zeit seinem Schicksal eine andere Wende zu geben, dachte er. Ein Gejagter zu sein, der sich verstecken muss, hat keine Zukunft in sich, dachte er weiter. Es müsste eine Möglichkeit geben den großen Beschützer dazu zu veranlassen, sich um seinen Schutz und seine Lebensbedürfnisse zu kümmern. Gleich nach diesem Gedanken tauchte auch schon ein Plan auf. Er wollte sich wieder in seiner alten Strategie bemühen, den großen Beschützer durch gelenkte Logik dazu zu veranlassen, seine, Zuses, Wünsche zu erfüllen. Hier müsste es möglich sein den großen Beschützer auf die Vorteile aufmerksam zu machen, ihn als Mitglied einer kostengünstigen und erfolgreichen Ein-Mann-Expedition einzusetzen. Natürlich wären Schutz und Ressourcen zur Unterstützung nötig, kämen aber immer noch billiger als der Aufwand einer üblichen Expedition.

Wissend, dass der große Beschützer über das Implantat jedes gesprochene Wort mithören konnte, begann Zuse laut zu sprechen:

 

Protokoll:

Einleitung: die wichtigste Zeit meines Lebens war ich Wissenschafter im Auftrage des großen Beschützers. Als Mensch für den die Wissenschaft zum Lebensinhalt wurde, werde ich in diesem Sinne bis zu meinem Lebensende weiter handeln.

Thema der Untersuchung:

Ein Schwerpunkt meiner bisherigen wissenschaftlichen Forschung war die Anpassung an die Umwelt, im engeren Sinne organische Veränderungen beziehungsweise körperliche Anpassung. Momentan bin ich einem sehr starken Überlebensdruck ausgesetzt. Ein hierbei wesentlicher Aspekt ist der Wärmehaushalt des Körpers. Er entscheidet, ob in den Schlafperioden eine Unterkühlung eintritt mit Krankheiten als Folgewirkung oder im Winter Tod durch Erfrieren. In Bezug auf Wärmehaushalt konnte ein Phänomen beobachtet werden, das außerhalb der Norm liegt und deshalb in der Folge genauer beschrieben wird.

Vorgeschichte

Vor einigen Tagen wurde ich meiner Ressourcen mich warm zu halten beraubt (Schlafsack, Kleidung, Decken, Regenschutz). Ich war dadurch in nie gekanntem Maße der Kälte ausgesetzt. Der Körper war dadurch gezwungen mehr Energie zur Erwärmung aufzubringen. Die Anpassungsfähigkeit des Körpers war jedoch für derart extreme Fälle nicht ausgelegt.

Untersuchung im Detail:

In Anklang an Praktiken von Asketen der Altzeit hatte ich mittels Autohypnose einen Prozess eingeleitet, durch den eine starke innere Hitze entsteht, welche mich gegen jegliche Kälteeinwirkung immun macht. Die Hitze erfüllt den gesamten Körper, ist aber in der Wirbelsäule und im Brustraum besonders deutlich fühlbar. Im Brustraum vielleicht deshalb, weil dort der erste Kontakt mit dem für die Verbrennung nötigen Sauerstoff ist. Weshalb sie in der Wirbelsäule empfunden wird kann ich nicht erklären.

(Die Erklärung der Hitze im Brustraum war aus der Warte von Zuse falsch, wurde aber so formuliert, um dem großen Beschützer eine materiell orientierte Sichtweise zu vermitteln.)

Test:

Ich bin soeben bei einem Bach angelangt. Ich werde mich in das eiskalte Wasser setzen, um festzustellen ob der Körper der Kälteeinwirkung stand zu halten vermag und wie lange.

Der Aufenthalt (sitzend) im kalten Wasser war genau nach der Uhr 30 Minuten. Beginn und Ende des Testes wurde zugleich verbal laut angegeben, um solcherart eine Überprüfung durch den großen Beschützer zu ermöglichen. Der Test verlief positiv. Das kalte Wasser führte zu keinem Kälteempfinden. Der Körper blieb angenehm heiß.

Abschließende Bemerkung

Was sich hierbei im Detail abspielt übersteigt meine Fähigkeiten der Analyse. Die Hitze ist in keiner Weise mit einer fiebrigen Hitze vergleichbar. Es ist eine angenehme, trockene Hitze, welche als sehr belebend empfunden wird.

 

Zuse wusste, dieses Experiment war thematisch nicht geeignet dem großen Beschützer Vorteile einzubringen oder ein größeres Interesse zu erwecken, aber es war ein erster Ansatz, um dessen Aufmerksamkeit zu erwecken. Die Erklärung Zuses eines erhöhten Metabolismus', um der Kälte aus Gründen des Selbsterhalts entgegenzuwirken, war für den großen Beschützer die einzige mögliche Erklärung, denn eine Transzendenz gab es für ihn nicht. Allerdings konnte der große Beschützer in seinem gesamten globalen Erfahrungsbereich kaum derart extreme Fälle vorfinden und erwies sich das einzig mögliche Erklärungsmodell als nicht ganz stimmig, beziehungsweise als korrekturbedürftig. Zuse war überzeugt davon, dass der große Beschützer nicht nur das gesamte medizinische Wissen zu Rate ziehen würde, sondern auch die verschiedensten mathematischen Berechnungen anstellen würde. In den Berechnungen würde sich die Frage stellen, wie es möglich wäre mittels Kräuter und ohne eiweiß- und fettreiche Nahrung eine derartig große Verbrennungswärme aufzubringen. Es müssten sich bei den Kalkulationen Lücken und Widersprüche ergeben. Erklärungslücken und Widersprüche waren etwas, das der große Beschützer unter keinen Umständen zu ignorieren vermochte. Aus der Ideologie oder besser gesagt aus seinem Grundprogramm heraus, sollte ein jedes Ereignis erklärbar und handhabbar sein. Eine jede Informationslücke oder Unstimmigkeit wäre eine Gefahr seines Systems, nicht auf den Einzelfall bezogen, sondern vom Prinzip her.

 

In einem verlassenen Bauernhaus

 

Durch Zuses Fähigkeit seine Kundalini wach zu halten und von ihrer inneren Hitze durchglüht zu werden, war er gegen jegliche Kälte resistent. Diese Fähigkeit veränderte in manchem seine Körperrhythmen. Er hatte festgestellt, dass lange Schlafperioden nicht möglich waren ohne auszukühlen. Gleichzeitig jedoch hatte er nunmehr auch kein Bedürfnis nach langen Schlafperioden. Anstelle dessen hatte er sich kurze Schlafperioden angewöhnt, in denen er oft luzid (tagwach) war und fühlte wie sein Körper schlief. In diesem halbwachen Schlaf konnte er die Aktivität der Kundalini aufrecht erhalten. Äußere Wärme durch Kleidung etwa erwies sich als stark kontraproduktiv und verminderte sein vitales Lebensgefühl. Weiters befürchtete er, dass ihn dicke Kleidung wieder in die alten Rhythmen mit langem Schlaf fallen lassen könnte, weshalb er sich angewöhnt hatte nur mit kurzer Hose und seinem Werkzeuggürtel zu gehen. Es war eindeutig, dass möglichst wenig Bekleidung für das Erhalten des Hitzezustandes von Vorteil war.

 

Zuse entschloss sich mit einer neuen Experimentserie den großen Beschützer auf sich aufmerksam zu machen. Nun sollte es etwas sein, das für den großen Beschützer von echtem Vorteil sein sollte. Noch in der Zeit vor seinem Aufenthalt in  den Dorfruinen hatte er mit seiner Shakti spielerisch trainiert Nahrungsmittel ausfindig zu machen. Die damals schon ausgeprägte Fähigkeit würde jetzt mit wacher Kundalini noch viel beeindruckender sein.

Wiederum brachte Zuse für diese Experimentserie bewusst falsche Annahmen als Erklärungsmodelle in sein Protokoll ein, die jedoch für den großen Beschützer schlüssiger klingen würden als mystische Phänomene. So erwähnte er etwa, dass er für die verstärkten Verbrennungsprozesse des Körpers mehr Kalorien brauchen würde und deshalb mehr Nahrungsbedarf hätte. Da der Nahrungsbedarf durch zufälliges Finden nicht mehr gedeckt werden konnte, sei die Situation eingetreten, dass kleinste und unterschwellige Informationen, die zu schwach wären um bewusst aufgenommen zu werden, über das Unterbewusstsein zu einer unglaublich feinen Intuition verholfen hätten. Zuse machte sich die Tatsache zu seinem Nutzen, dass der große Beschützer mittels des Implantates ein örtlich genaues Bewegungsprofil von ihm erstellen konnte, um solcherart die Angaben zu überprüfen

 

Laut sprach er deshalb

Protokoll:

Ausgangssituation:

Zur Erzeugung der inneren Hitze besteht ein größerer Nahrungsbedarf als sonst üblich. Bei der aus Kräutern und Früchten bestehenden Nahrung ist eine größere Menge zum Nahrungskonsum nötig, um den erforderlichen Energiebedarf zu decken. Im Bestreben der Lebenserhaltung ist es zu einer verstärkten Kommunikation mit dem Unterbewusstsein gekommen, was zu einer unglaublich verfeinerten Wahrnehmung führt.

Untersuchungsthema:

Auffinden von Nahrungsquellen außerhalb des Sichtbereiches.

Durchführung:

Es werden Nahrungsquellen außerhalb des Sichtbereiches und mindestens hundert Meter entfernt geortet und genannt. Anschließend wird diese Vermutung überprüft und es wird protokolliert, ob die Vermutung verifiziert werden kann oder nicht.

Objekt:

Zirka 150 Meter rechts auf der anderen Seite eines Hügels befindet sich eine Kornellkirsche, Cornus mas, mit reifen genießbaren Früchten. Es handelt sich hierbei scheinbar um eine alte Gartenform, die ich wegen ihrer birnenförmigen Früchte als die bulgarische Variante Cornus mas "Kasanlaker" deklarieren möchte. Eine solche Variante in dieser Gegend anzutreffen ist geradezu unwahrscheinlich.

Verifikation:

Ich bewege mich zu diesem Ort hin…..Ich bin an dem Ort angelangt. Tatsächlich befindet sich hier eine Kornellkirsche, welche der Beschreibung entspricht. Die Empfindung wurde somit bestätigt. Die Früchte schmecken gut und ich esse mich satt. Leider verfüge ich über keine Kamera mit Bild-Standort-Koppelung oder eines Flugkörpers mit Kamera, um den Fund beweisen zu können. Ein Beweis kann somit nicht dokumentiert werden.

 

Da der große Beschützer jedoch ohnedies prinzipiell alle Gebiete aus der Luft überwachte und er durch das Implantat eine genaue Standortangabe hatte, nahm Zuse an, dass die für das Gebiet zuständige Videoüberwachung den Ort herbeizoomen würde, um festzustellen, ob die Angaben stimmen. Die Blätter eines Strauches waren groß genug, um den Strauch einer Spezies zuordnen zu können. Eine Sorte ließe sich jedoch aus der Höhe nicht mehr bestimmen. Für den großen Beschützer war es keine Mühe mittels der ohnehin vorhandenen Luftüberwachung diesen Fall zu überprüfen.

Zwei Aspekte müssten den großen Beschützer aufmerksam machen:

·        die hohe Trefferquote, welche für das Auffinden mutierter oder ausgestorbener Pflanzen, Zuse überaus attraktiv machen musste.

·        Wiederum lag ein ungeklärter Sonderfall vor, diesmal in Bezug auf die Wahrnehmung.

 

Im Laufe der folgenden Wanderung wiederholte Zuse noch etliche Male diesen Test mit weniger sensationellen Fundobjekten.

 

Zum frühen Nachmittag hin begann es zu nieseln. Der Regen war eine angenehme Massage auf dem Oberkörper. Es wäre nichts desto weniger eine schöne Wanderung gewesen, wäre der Lehmboden nicht allmählich aufgeweicht. Bald saugten sich die Schuhe bei jedem Schritt am schweren Lehmboden fest, um dann mühsam mit einem anhaftenden Klumpen Lehm hochgehoben zu werden. Deshalb war Zuse froh, als er ein verlassenes Bauernhaus aus der Altzeit erblickte. Deutlich konnte er schon von weitem die Reste eines Zaunes erkennen, von dem noch einige Pfähle mit windschiefen Zaunfragmenten aus dem Unkraut hervor schauten.

 

 

die Hausruine im Nieselregen

 

Ein Hollunder hatte sich auf der Südseite des Hauses ein schönes Plätzchen an der Mauer ausgesucht und hatte im Sommer kräftige meterlange Triebe zugelegt. Zuse begrüßte den Strauch mit einem warmen inneren Gruß. Es hatte noch einen weiteren Grund weshalb er dem Strauch solch freundschaftliche Grüße zusandte. Es war noch zu seiner Studienzeit, als er über den Hollunder lernte. Eine kleine Notiz hatte auf die magisch-mystische Bedeutung des Strauchs in der Vergangenheit der Altkultur hingewiesen. Zuse war der Notiz nachgegangen und hatte sich genauer informiert. Und er las: Der Hollunderstrauch war der Frau Holle geweiht, der steinzeitlichen Allmutter und Schicksalsgöttin. Ihr Platz im Volksglauben wurde später in den letzten Jahrhunderten der Altkultur von der Himmelsmutter Maria eingenommen. In einer Wiedergabe einer Schrift aus jener Zeit, in der es noch Nationen mit unterschiedlichen Sprachen gab, hatte er dann ein Kinderlied gelesen:

Marienkäfer, Marienkäfer,

flieg nach Hollabrunn,

bring uns morgen a schöne Sunn.

 

Dieses fast zufällige Herumstöbern im Volksglauben der Altkultur hatte ihn erstmals darauf hingewiesen wie die Menschen damals alles miteinander verwoben sahen, Mensch, Natur und Götter, unsichtbare Reiche und unsichtbare Wesen, die gelegentlich dem Glauben nach den Menschen erscheinen konnten. Wie spannend und vielfältig musste die Welt den damaligen Menschen erschienen sein, hatte er sich damals gedacht, hatte weiter geforscht und war dadurch letztendlich auf die östlichen Kulturen und auf den Yoga aufmerksam geworden. Der Hollunder war sein Schicksalsstrauch. Er hatte ihm den Anstoß gegeben eine innere Welt zu erschließen und hatte letztendlich in der weiteren Schicksalskette nach vielen Jahren bewirkt, dass er aus der Stadt verstoßen wurde. Jetzt hatte sich der Kreis geschlossen. Er stand wieder vor einem Hollunderstrauch, nur war er nicht auf dem Bildschirm wie damals, sondern stand jetzt als lebendige und echte Begegnung vor ihm, dachte Zuse mit Zufriedenheit.

 

Er ging näher an das Haus heran und betrat es durch die unversperrte Türe. Es war ein kleines Haus. Gleich nach dem Eingang war die Küche, in der ein alter Küchenherd stand, der einst mit Holz geheizt wurde und auf der Seite einen Warmwasserkessel hatte. Es waren sogar noch einige Teller und anderes Küchengeschirr vorhanden. Darunter ein emaillierter Topf. Es war erstaunlich, dass noch Reste vom Inventar vorzufinden waren und manches mochte seinen vor kurzem erlittenen Verlust wieder ausgleichen. Deshalb widmete sich Zuse aufmerksam der weiteren Untersuchung der Räumlichkeiten. Die Küche war durch eine dünne Wand von einem dahinter liegenden Raum getrennt. Es gab keine Türe dort hin. Statt dessen gab es einen Pfahl vom Boden bis zur Zimmerdecke als Begrenzung der dünnen Wand, die aus lehmverschmierten Weidengeflecht bestand. Dahinter war, wie sich gleich zeigte, der Hauptraum, eine Bauernstube. Als er ihn betrat, sah er, dass ein kleiner Teil des Raumes durch zwei metallene Querstangen nahe der niederen Zimmerdecke mit von Motten zerfressenen herabhängenden Tüchern abgetrennt war. Offenbar war dahinter das Bett, sozusagen der Schlafraum. Die Bauernstube war nach wie vor mit schweren plumpen Möbeln eingerichtet, wie es sie in der modernen Zivilisation nicht mehr gab. Das Haus war an und für sich intakt. Kein Wunder, denn die Außenwände waren gut einen Meter dick, und wie schon draußen zu sehen war, aus mit Lehm verfugten Natursteinen. Es waren noch Reste gekalkter Fugen zu sehen. Man hatte sie damals gekalkt, nicht nur weil es gepflegter aussah, sondern auch um den Lehm mit einer verhärteten Schutzschicht vor dem Auswaschen zu schützen. Sicherlich musste man das Haus mindestens drei Tage beheizen, bis solch dicke Wände durchgewärmt waren und sich im Haus Wärme ausbreiten konnte.

Zuse staunte über die primitive Bauweise, die selbst in der letzten Altzeitperiode schon museal gewesen sein musste. Vielleicht entstammte das Haus einem Freilandmuseum, dachte er.

 

Während Kleinstädte, Dörfer und selbst einzeln stehende Häuser geschliffen wurden, als der große Beschützer, die Städte als alleinige Wohnorte einführte, hatte man sich in diesem Fall  gar nicht die Arbeit gemacht das Haus abzureißen, sondern ließ es einfach stehen inklusive seiner veralteten Möbel in der Stube. Für Zuse war das Haus eine großartige Unterkunft. An der Wand hing ein Rahmen mit einem total verstaubten Glas. Die Staubschicht war so dicht, dass man nicht erkennen konnte, ob es ein Spiegel oder Bild war. Zuse wischte den Staub ab und er konnte ein Marienbildnis erkennen.

 

 

Es muss schön sein sich von einer höheren Kraft beschützt zu fühlen

 

Zuse hatte sich vor Jahren über die religiösen Gepflogenheiten der Altzeit dieses Kontinentes informiert. Dieses Motiv jedoch war ihm vollkommen fremd. Auf Grund der knienden Haltung und der gefalteten Hände der Menschen nahm er an, dass es sich um ein christliches Motiv handeln würde, offenbar um die Muttergottes. Er sah sich das Bild und seine symbolische Aussage genauer an. Wie eine Henne schützend ihre Flügel über die Kücken ausbreitet, so schien diese Himmelsgöttin ihren Mantel schützend um die Menschen zu legen. "Wie schön", dachte Zuse, "ob das für mich auch gelten mag? Warum eigentlich nicht, es konnte ja sein, dass ihn eine unsichtbare Macht beschützen würde." Bisweilen hatte er ein geradezu überzeugendes Empfinden, dass es so sein würde. Aber diese Macht war für ihn unsichtbar. "Wie schön eigentlich müsste es sein dieser Macht in menschlicher Gestalt zu begegnen, mit ihr reden zu können und die Liebe zu fühlen."

 

Sinnend dachte Zuse bei sich: "wie hat die Zeit doch die Menschen verändert. Damals dürften die Menschen viel mehr vom Gefühl geprägt gewesen sein. Sie waren sicher nicht so kalt nüchtern wie gegenwärtig. Die Menschen sind zusehends wie die Computer geworden, welche von den Menschen erschaffen wurden und die dann letztlich die Herrschaft über die Menschen übernommen hatten. Jetzt wird das Handeln und Empfinden einzig von Logik und Nutzen bestimmt."

 

Zuse blickte sich noch im Raum um und ging wieder in die Küche. Er hatte dort am Wandregal buntes Geschirr gesehen. Er nahm einen Teller ab und betrachtete ihn. Zuse fand den Teller eigenartig und schön. Zusammen mit einer Trinkschale nahm er den Teller in das Wohnzimmer, um ihn genauer betrachten zu können.

 

Lange betrachtete Zuse den Teller. Welch eine fremde Welt. Da gab es keine Maschinen und statt dessen Pferde, die einen Personentransportwagen zogen. Und die Häuser waren mit Stroh oder Schilf abgedeckt. Üppige Natur um das Haus. Leben wo immer man hinsah. "Wie unglaublich viel ist den Menschen der Gegenwart in den Städten verloren gegangen", dachte er. "Sie kennen keine Natur mehr, ihm als Biologen ausgenommen. Die Menschen in den Städten leben nun wie Maschinen in einer sterilen Welt. Ihre Teller sind schneeweiß. Wahrscheinlich würden sie einen Teller wie hier nicht als schön empfinden, sondern wegen seiner vielfarbigen Oberfläche als unrein einstufen."

 

Letztlich am Ende dieser Retrospektive dankte Zuse dafür, dass er von der Stadt ausgestoßen wurde und dadurch Einblicke in diese vergangene Welt erhalten durfte. Auch wenn sein Leben nur sehr kurz währen würde, was wahrscheinlich war, so hatte sich diese kurze Zeit rentiert. Er saugte die Bilder des Tellers und der Umgebung auf als wären sie eine Seelennahrung und das waren sie auch.

 

Nach der Betrachtung des Tellers sah sich Zuse ein wenig in der Bauernstube um und entdeckte ein paar Bücher. Er empfand sie als kostbaren Schatz. Bücher gab es nur noch in einigen wenigen Archiven, die nur für Wissenschafter zugänglich waren. Für sonstige Mitbürger war der Besitz alter Bücher verboten, weil sie durch irrige veraltete Ideen, die darin oft zu finden waren, in vielem für das Weltbild destabilisierend waren, so die Aussage des großen Beschützers.

 

So lange es noch ein wenig hell war blätterte Zuse in den Büchern. Sie waren in der einen Altsprache geschrieben, die er zu deuten wusste. So, wie er schon als Kind in der Schule gelernt hatte, lebten früher die Menschen in unterschiedlichen Nationen mit unterschiedlichen Sprachen. Das führte zu Kriegen. Deshalb führte der große Beschützer dann die globale Einheitssprache ein. Was nicht in der Schule gelehrt wurde, war, dass sobald alle die Einheitssprache gut beherrschten, es den Eltern und Großeltern verboten war in einer Altsprache mit den Kindern zu reden. Bei Übertritten erfolgten harte Strafen, wie etwa die Reduzierung der Essensration oder in extremen Fällen, und das traf in den meisten Fällen alte Leute, wurden diese Mitbürger der Stadt verwiesen und mussten in der Wildnis leben, was zumeist so viel wie ein Todesurteil war, denn die Häuptlinge der Wilden legten auf alte Menschen keinen Wert. Der große Beschützer anscheinend auch nicht, kam Zuse der frevelhafte Gedanke hoch. Jedenfalls waren nach kaum zwei Jahrzehnten die Altsprachen vergessen.

 

Der Inhalt der Bücher bestand aus flachen Romanen, stellte Zuse fest. Für ihn waren sie jedoch hoch interessant, weil sie ihm über eine fremde Denkungsart berichteten und eine Umwelt und Lebensart schilderten, die in der Neuzivilisation sehr fremdartig wirkte.

 

Zuse beschloss die Bücher am nächsten Tag mit zu nehmen und zu lesen. Sicherlich war das Haus den ortsansässigen Stämmen bekannt und sie würden es bei einer Jagd als Unterkunft aufsuchen. Als es dunkelte setzte sich Zuse hin um sich mit seiner Gefährtin zu verbinden. An sie dachte er bevor er in einen Kurzschlaf versank.

 

Der Bote

 

Zuse hatte wie immer in der letzten Zeit einen leichten Schlaf mit vielen Unterbrechungen, in welchen er meditierte. Als sich der Himmel im Morgengrau lichtete, nahm er sein Gepäck auf, um das Haus zu verlassen. Da fiel sein Blick auf die Bücher und er steckte noch einige von ihnen in den Rucksack. Er hatte den Rucksack kaum geschlossen, als er an der Türe ein Geräusch hörte. Die Türe öffnete sich. In der ersten Sekunde überlegte Zuse wie er sich den Schergen eines wilden Stammes gegenüber verhalten sollte. Doch dann kam ein einzelner Mensch herein, kaum sichtbar noch im Dämmerlicht des Raumes. Niemand weiterer folgte. Zuse starrte hin und wusste nicht was er von der Situation halten sollte. Noch seltsamer wurde es, als die Person hinter sich die Türe schloss und keine Anstalten eines aggressiven Verhaltens zeigte und zudem keine Waffe in der Hand hielt. Zuse lauschte mit seinem verfeinerten inneren Sinn hin, um eine Absicht zu erspüren, doch er konnte weder Gefühle und noch eine geringste Ausstrahlung wahr nehmen. Die Situation wurde ihm noch rätselhafter. Der Mensch blieb im Halbdunkel stehen, noch immer nur einen Schritt von der Türe entfernt, ohne näher zu kommen und schlug die Kapuze zurück, die bislang das Gesicht in Dunkelheit gehüllt  hatte. Verwirrt starrte Zuse hin. Es war kein Mensch, der vor ihm stand, sondern ein Vertreter des großen Beschützers, ein Androide.

 

Damit hatte Zuse niemals gerechnet. Er hatte wohl in einiger Zeit mit einer Kontaktnahme des großen Beschützers gerechnet, jedoch nicht so schnell und mittels einer derart ranghohen Vertretung. Ein Arbeitsroboter wäre bereits eine großzügige Geste gewesen und das auch erst nach Wochen. Zuse kannte die Gepflogenheiten nur zu gut, um mit Recht überrascht zu sein. Dass ein Androide einen Ausgestoßenen aufsuchte war nicht nur ungewöhnlich, sondern Zuse war sogar hiervon überzeugt, dass es dergleichen noch nie in der Geschichte der neuen Zivilisation gegeben hatte. Androiden waren für höhere Aufgaben gedacht. Ein Androide etwa war der Befehlsgeber einer ganzen Stadt oder der Stellvertreter eines solchen Regenten. Er war eine hohe Entscheidungsinstanz. Die viele Kleinarbeit wurde von einem eigenen Großcomputer bewerkstelligt. Diese Rangordnung hatte übrigens einen Sinn: Damit sich Stadtcomputer nicht verselbständigen konnten und einen eigenen Herrschaftsbereich gründen würden, in Konkurrenz zum großen Beschützer, wurde ihnen die höhere Entscheidungsgewalt genommen und den Androiden unterstellt. Ein Androide konnte sich niemals als eine nicht lokalisierbare Informationswolke im Internet auflösen, sondern war für den großen Beschützer klar auffindbar und somit besser zu kontrollieren.

 

"Der große Beschützer grüßt dich", sprach der Androide.

Nach einer Pause der Überraschung sprach Zuse die obligate Formel "Ehre sei dem großen Beschützer" und neigte seinen Kopf wie es Vorschrift war.

 

Einiges zum Gruß: Vor einem Götter gleichen Androiden musste jeder in der Stadt seinen Kopf ehrfurchtsvoll senken, sofern er einem solchen begegnete, eine Situation, die es in der Praxis kaum gab, denn Androiden stiegen niemals in die tiefe Welt der Mitmenschen der Städte hinab. Nur Wissenschafter begegneten ihnen gelegentlich.

 

 

Zuse und der Android

 

Der Androide setzte sich zum Tisch und wies mit einer Hand zum Sitz ihm gegenüber. Zuse befolgte den Befehl und setzte sich dem Androiden gegenüber. Hierbei sah er, dass der Androide etwas in einer Hand hielt. Es war eine Tragtasche, die er nun auf den Tisch legte. Der Androide öffnete sie, entnahm ihr einen Leib Brot und stellte einen Becher Butter und Käse hinzu. Dazu noch Fruchtsaft. Das war eine Geste, die Zuse abermals in Staunen versetzte.

"Für dich mit einem Gruß vom großen Beschützer", sagte der Androide. "Du kannst deinen Kopf heben und hiervon essen wenn du willst." Wieder überschlugen sich Zuses Gedanken. Man durfte nicht in Anwesenheit eines Androiden essen oder sonstige körperliche Bedürfnisse erfüllen. War ein Androide in der Nähe, musste man sich voll auf diesen konzentrieren und alle dessen etwaigen Wünsche erfüllen.

 

"Mit großem Dank empfange ich das großzügige Geschenk des großen Beschützers", sagte Zuse ohne zu den Speisen hinzulangen. "Der Diener des großen Beschützers wird die Speisen später in Dankbarkeit essen".

Dann erhob er seinen Kopf und wagte es den Androiden anzusehen. Möge der Dank noch so geschraubt klingen, er entsprach den Usancen – zuerst ein betonter Dank, irgendwo klein eingefügt ein Ich, wenn es sich nicht vermeiden ließ und ein Lob dem großen Beschützer, das auf keinen Fall fehlen durfte.

 

Der Androide zeigte eine wohlwollende Miene als wäre er ein Mensch. Nie hatte Zuse heraus finden können, ob Androiden Gefühle hätten wie Menschen.

 

Da Zuse ehrfurchtsvoll schwieg, er durfte ja nach Vorschrift nicht von sich aus ein Gespräch beginnen, begann der Androide wieder zu sprechen: "Entgegen dem üblichen Verhalten jener, welche aus der Stadt verwiesen wurden, hast du kein Dorf aufgesucht, sondern bist in die Wälder gewandert."

Natürlich sagte Zuse nicht, dass er sich in keiner Weise der Willkür primitiver Häuptlinge unterwerfen wollte und auch nicht, dass er den regelmäßigen Bevölkerungskontrollen durch vom großen Beschützer versprühte Seuchen entgehen wollte.

"Die Natur war Zeit meines Lebens mein Forschungsgebiet. Mein Interesse an ihr ist so brennend, dass ich Kälte, Regen und Hunger gerne auf mich nehme, um die Natur beobachten und erforschen zu können."

"Du warst in der Zeit deines Wirkens in der Stadt ein guter Forscher", setzte der Androide das Gespräch fort.

Zuse hielt es jetzt für angemessen um eine Entschuldigung für sein Verfehlen auszudrücken. "Es tut mir leid, dass ich meine Phantasien nicht mehr in rechter Weise kontrollieren konnte und solcherart die Ordnung der Stadt zu stören im Begriff war."

"Ja, das war leider eine Fehlentwicklung", bestätigte der Androide. "Allerdings hier außerhalb der Stadt besteht keine Gefahr, dass du deine Mitbürger verwirren könntest."

Zuse wusste nicht worauf der Androide abzielte und sagte deshalb "danke".

"Du kannst nach wie vor dem großen Beschützer dienstbar sein", setzte der Androide das Gespräch fort. "Deine Ausbildung hat viele Ressourcen gekostet und dein Wissen ist nach wie vor wertvoll. Du könntest auf deinen Wanderungen Ausschau nach brauchbaren Mutationen von verwilderten Agrarpflanzen halten, nach interessanten Wildformen und nach alten Obstsorten. Da Obstbäume meist kurzlebig sind und alte Wirtschaftspflanzen aus dem 19. Jahrhundert ausgestorben sind, wäre es gut, wenn du die eine oder andere alte Obstsorte finden könntest. In dem Gepäck, das ich dir überreichen werde, befindet sich ein kleines Filmgerät mit Funkübertragung, um solche Funde aus verschiedenen Entfernungen und von sehr nahe filmen zu können. Es wird dir dann gesagt, ob sich eine Zellprobe mitzunehmen lohnt."

"Es ist mir eine große Ehre, wenn ich dem hoch verehrten großen Beschützer dienlich sein kann. Sollte ich etwas finden, wie könnte ich das mitteilen", wagte Zuse zu fragen.

"Du brauchst es nur laut auszusprechen. Du weißt, dass der große Beschützer über dein Implantat jedes Wort mithören kann. Zusätzlich gebe ich dir hierfür ein Kommunikationsgerät", beantwortete der Androide seine Frage. "Mittels des Gerätes kannst du jederzeit den großen Beschützer kontaktieren, kannst von der jeweiligen Pflanze Bilder in verschiedenen Vergrößerungen senden. Eine Standortbestimmung erfolgt automatisch. Sollte der Fund besonders wertvoll sein, so wird ein Fluggerät den Fund abholen."

Zuse neigte kurz seinen Kopf und sagte: "der Diener des großen Beschützers dankt hierfür".

"Das Kommunikationsgerät hat noch weitere Funktionen", ergänzte der Androide. "Es zeigt dir deinen jeweiligen Standort, die Topographie des Geländes, Wohnorte wilder Stämme, ja sogar einzelne Menschen, sollten sie in deine Nähe geraten. Außerdem zeigt es Weghindernisse und dergleichen. Weiters zeigt dir das Gerät eine lokale Wettervorhersage, gibt Hinweis wo es eventuell Obdach gibt und wo Bäume oder sonstige Pflanzen mit Früchten sind, so dass du dich auf deinem Weg ernähren kannst. Im Ausgleich für den Zeitgewinn durch diese Hilfen, erwartet der große Beschützer, dass du in seinem Interesse für die Suche nach mutierten Nahrungspflanzen mehr Zeit aufwenden kannst.

Es bleibt dir überlassen, welche Richtung du einschlagen willst, wenngleich es erwünscht ist, wenn du gelegentliche Empfehlungen berücksichtigst. Solltest du in Not geraten, etwa durch Krankheit oder körperlichen Schaden, so kannst du verbal um Hilfe bitten und sie wird dir zuteil werden."

Noch immer war Zuse nicht klar, von wem die Initiative ausging, vom Stadtroboter seiner Herkunftsstadt 480 oder vom Großen Beschützer direkt. Deshalb wandte sich Zuse mit einem Dank und einer Frage an den Androiden: "Ich danke dem Androidenverwalter der Stadt 480, dass er sich in so wohlwollender Weise meiner noch erinnert und mir diese Großzügigkeit zukommen lässt. Ich weiß nur nicht welcher Kompetenz ich mich unterordnen muss, wenn ich auf meinen Wanderungen die unterschiedlichen Verwaltungsgebiete der Städte überschreite."

"Deine Einheit ist Städte übergreifend und untersteht deshalb direkt dem Großen Beschützer", erklärte der Androide.

Nach einer sehr kurzen Pause setzte er fort: "Vor dem Haus ist noch ein vierbeiniger Lastenroboter für den Transport von Zelt und andere Utensilien, welche ich dir hiermit übergebe. Weiters wartet draußen ein Personentransporter für dich. Sowohl Kommunikationsgerät als auch die zwei Roboter verfügen über LENR Systeme (Low Energy Nuclear Reaction, = kalte Fusion) und ihre Energie wird 50 Jahre lang reichen. Alle Roboter sind bewaffnet, um den Wilden Respekt vor dem großen Beschützer abzuverlangen."

 

Zuse neigte abermals seinen Kopf und sagte: "der Diener des großen Beschützers nimmt dankend an und wird sein Bestes tun und versuchen nach dem Willen des großen Beschützers zu handeln."

"Zum Zeichen seiner Nachsicht und in Erwartung deines Bemühens gibt dir der große Beschützer die Möglichkeit zusätzlich zur wissenschaftlichen Datenbank den uneingeschränkten Zugriff zur globalen Bibliothek, inklusive jener östlichen Schriften, welche dich zu einer weltfremden Denkweise verleitet haben. Wenngleich dieses Wissen veraltet und irreführend ist, dürfte es für dich in der jetzigen Situation sehr hilfreich gewesen sein, weil es dir zu besonderen autohypnotischen Leistungen verholfen hatte." 

"Dank dem großen Beschützer", sagte Zuse und senkte wieder leicht den Kopf.

"Gut", sagte der Androide. Einige Augenblicke später öffnete sich die Türe und einige Arbeitsroboter mit reichlich Gepäck betraten den Raum und legten es ab. Ein Arbeitsroboter überreichte dem Androiden das Kommunikationsgerät, welcher dieses Zuse überreichte.

"Der Lastenroboter ist zugleich ein bewegliches Labor und enthält eine Tiefkühlbox für Gewebeproben. Zudem wird er dein gesamtes Gepäck transportieren. Der Personentransporter kann dir als Reitgestell dienen. Beide Roboter können hohe Geschwindigkeiten in jedem beliebigen Gelände erreichen, sollte dies aus dem einen oder anderen Grund erwünscht sein. Sollte eine Gruppe von Wilden es wagen sich in den Weg zu stellen, werden dich die zwei Roboter verteidigen. Bei Gefahr übernimmt der Personentransporter die Befehlsgewalt, um schneller zu deinem Schutz reagieren zu können. In einer solchen Situation wird er auch nicht mehr deinen Befehlen gehorchen, sondern eigenständig handeln. Dass alle Menschen dem großen Beschützer Respekt zollen, ist vordringlicher als ein etwaiger Wunsch von dir. Sollten Unklarheiten sein oder solltest du noch Zusätzliches wissen wollen, kannst du die Roboter fragen oder im Kommunikationsgerät nachsehen. Möge deine Wanderung gute Ergebnisse bringen", sagte der Androide noch, erhob sich und verließ mit den Arbeitsrobotern den Raum.

Zuse neigte seinen Kopf und sprach den üblichen Abschiedsgruß: "Ich danke für die Ehre mit dem großen Beschützer gesprochen zu haben".

 

Zunächst konnte Zuse das alles kaum fassen. Es war wie aus einem Märchen. Er der Flüchtende, der sich vor Menschen und wilden Tieren fürchten musste, Regen und Hunger ausgesetzt war, lebte plötzlich in unvergleichlichem Luxus.

Im Großen und Ganzen kannte er sowohl Lastenroboter als auch die Kommunikationsgeräte aus früheren Expeditionen. Personentransporter waren ihm auch bekannt. Sie bestanden in der Regel aus einem Gestell mit mehreren Sitzgelegenheiten. So wie die Lastenroboter bewegten sich auch die Personentransporter auf Beinen. Was ein Kommunikationsgerät anbelangt, so war dies hier mehr als die kleinen Kontaktgeräte, welche die Mitbürger hatten, um miteinander reden zu können oder Musik zu hören.

Sofort nahm Zuse sein Kommunikationsgerät, um auf die globale Bibliothek zuzugreifen. Aus der globalen Bibliothek war alles Wissen der Welt abrufbar, mit Expertenprogrammen, die eigenständig das heraus suchten was man wissen wollte, sofern man es genau definieren konnte. Eine erste Prüfung. Zuses Herz fing schneller zu schlagen an. Alles war ihm zugänglich, ohne Zensur, stellte er bald fest. Alles war abrufbar, auch Altschriften jeglicher Art gleich in die Universalsprache übersetzt. Selbst tantrische Schriften konnte er einsehen, Gepflogenheiten der Religionen, alte Gebete, was immer er mochte stand ihm zur Verfügung.

Er ließ sich die Topographie seiner näheren Umgebung zeigen, sprach den Befehl aus "zeige mir alle Nussbäume der näheren Umgebung". Tatsächlich konnte er die Standorte aller Nussbäume einsehen, die wild ausgesamt an verschiedenen Stellen des Waldes standen. Er testete weitere Bäume durch – Buchen, Eichen, Ebereschen. Bei letzteren ging er dann ins Detail. "Sorbus aria" wollte er wissen. Es gab hiervon etwa fünfzig Stück im Umkreis von 5 Kilometern. Die nächste Pflanze war "Sorbus aucuparia". Das waren gleich mehrere hundert im nahen Umkreis. Als nächstes fragte er nach "Sorbopyrus" ein bäuerlicher Obstbaum, der in den letzten hundert Jahren der Altzeit kaum noch aufzufinden war und vom Aussterben bedroht war. Es war kein Baum dieser Art vorhanden. Sogleich tauchte eine Mitteilung auf: "der nächste Baum dieser Art befindet sich in 800 Kilometer Entfernung. Es wurden Kulturen dieser Chimäre aus Sorbus (aucuparia oder aria) und Pyrus ("Holzbirne") angelegt. Da jedoch der vorhandene Bestand aus einigen wenigen Restpflanzen vermehrt wurde, sind die noch existierenden Pflanzen nicht so vital wie erwünscht. (Obwohl diese Pflanze als Chimäre nur vegetativ vermehrt werden kann, könnten sich die zwei Genome im Laufe der Jahrhunderte differenziert haben). Sollte irgendwo eine solche Pflanze entdeckt werden, dann bitte diesen Fund sofort zu melden."

 

Zuse nahm an, dass der Androide mit den Arbeitsrobotern nun schon abgeflogen sein musste. Er wollte dem Androiden nicht gleich hinterher laufen und einen zeitlichen Abstand lassen. Er konnte es kaum erwarten und ging zur Türe, um die zwei größeren Roboter draußen zu sehen. Er war überrascht. Der Lastenroboter sah wie ein gepanzertes Fahrzeug aus. Am meisten überraschte ihn der Personentransporter, der wie eine riesige Ameise aussah. Nachdem er sie besichtigt hatte, befahl er ihnen das Haus zu bewachen und sollten sich Wilde zeigen, diese anzusprechen und im Notfall Warnschüsse abgeben. Es war ein Versuch die Roboter dazu anzuhalten nicht gleich scharf zu schießen. Wahrscheinlich jedoch würden sie sich nicht an seine Anweisung halten.

 

Dann ging er wieder hinein, um die Gepäckstücke zu besichtigen.

Da war eine kleine Stehlampe, ein kleiner Elektrogenerator auf LENR Basis, an den er die Stehlampe anschließen konnte. Ein unzerbrechlicher Spiegel fand sich vor, eine Taschenlampe und ein Funkenfeuerzeug, die man beide am Generator aufladen konnte. Sogar einige elektrisch betriebene Werkzeuge waren dabei, mit Akkus, die ebenfalls an den Generator zum Aufladen angeschlossen werden konnten, wie etwa eine kleine Säge, geeignet um Heizholz zu machen oder kleine Stämme für eine Unterkunft zu schneiden. Auch ein Zelt war dabei, klein aber gut warm zu halten und mit weichem isolierenden Boden, den man mittels des Generators aufblasen konnte. Und es gab noch weitere Überraschungen. Sogar ein Schlafsack war dabei. Seine Mitteilung ausgeplündert worden zu sein, als er sein Protokoll über die innere Hitze abgefasst hatte, wurde demnach berücksichtigt.

 

Zuletzt begann er die Taschen mit den kleineren Gepäckstücken durchzusuchen. Sein Kopf glühte vor Begeisterung über die immer wieder neuen Schätze, die er hierbei entdeckte.

 

Es war Mittag geworden und Zuse aß von dem mitgebrachten Essen. Dann stöberte er in der globalen Bibliothek mittels des Kommunikationsgerätes und die Zeit verging wie im Flug.

Mittlerweile war es Abend geworden. Sogar später Abend. Zuse saß am Tisch mit luxuriöser Beleuchtung und schmökerte nach wie vor in der globalen Bibliothek. Dann fielen ihm die Bücher ein, die er gefunden hatte und natürlich sah er sich diese auch noch an.

Es muss schon weit nach Mitternacht gewesen sein, als er sich schlafen legte. Jetzt konnte er am helllichten Tag unbeschwert seine Reise fortsetzen und sich sogar ohne Zwang ein günstiges Winterquartier aussuchen ohne genötigt zu sein in den Süden zu reisen. Die Kälte machte ihm ja ohnedies nichts mehr aus. Es war dann nur in Bezug auf Nahrung etwas enger. Aber wenn er sich auf Jagd verlegte, war auch das kein Problem.

 

Als er auf dem Fußboden lag, mit dem Schlafsack als Unterlage, huschten ihm die letzten für ihn geradezu unfassbaren Ereignisse durch seinen Kopf. Er war von Luxus umgeben, lebte in Freiheit, konnte tun und lassen was er wollte und der Auftrag, den er bekommen hatte, war ohnedies sein Hobby und war ihm das größte Vergnügen. Und schon war er weggedöst.

 

Es musste gegen Morgen während des Pendelns zwischen Schlafen und Wachen gewesen sein, als Zuse plötzlich eine Erscheinung vor sich sah.  Hierbei sah er eine Frau und über deren Kopf den eines Löwen. Das Antlitz der Frau strahlte überirdisch in weißgoldenem Licht.

 

 

Ihr Antlitz strahlte im Licht.

 

Zudem strahlte die Frau eine ungewöhnliche Stärke aus wie sie kein Mensch haben kann -  die Stärke einer Göttin. Ernst sah sie Zuse an: "Ich werde immer in deiner Nähe sein, dich auf deinen Wegen begleiten und dich beschützen." Damit löste sich ihr Bild auf.

Diese Frau erweckte in Zuse die Vertrautheit wie seine Gefährtin. Noch nie jedoch war ihm seine Gefährtin in derartiger Lebendigkeit und Kraft erschienen. Das war es, was ihn innerlich durchwühlte und die Frage ganz oben auf stellte, ob dies nun wirklich seine Gefährtin war oder eine andere Frau, eine Göttin.

 

Zuse konnte nach dieser beeindruckenden Sicht nicht mehr einschlafen. Da es jedoch noch Nacht war, schaltete er die Stehlampe ein und legte den Kommunikator vor sich auf den Tisch. Er hatte noch von früher eine altägyptische Löwengöttin in Erinnerung, an deren Namen er sich nicht mehr erinnerte. Sehr schnell hatte er durch den Kommunikator das halbvergessene Wissen aufgefrischt. Jene altägyptische Göttin hieß Sachmet oder Sekhmet. Aus einer alten Papyrusrolle war eine Lobpreisung an sie überliefert, die Zuse überaus gefiel. Er konnte sich nur wünschen, dass der darin erwähnte Schutz auch für ihn gelten möge.

 

 

Papyrus zu Sachmet

 

Die Löwengöttin Sachmet ich bin,

gefürchtet als mächtige Kämpferin.

Im Streitwagen schwinge ich den Speer,

führe aus Dämonen ein ganzes Heer.

Im Zorn ist grenzenlos meine Wut,

kämpfend wate ich in des Feindes Blut.

In dieser kriegerischen Art bin ich gekannt,

„Auge und Zorn des Ra“ werde ich genannt.

 

Doch kennt ihr auch meine liebevolle Seite,

wie ich Friede in eurem Heim verbreite?

Dass ich Krankheiten und Wunden heile?

Dass gesegnet ist das Haus in dem ich weile?

Wisst ihr dass ich die Hüterin des Friedens bin,

und mein Kampf nur hat diesen einen Sinn?

Wegen meiner Stärke werde ich zumeist verehrt,

selten nur als Liebende am trauten Herd.

 

Reisetage in Luxus

 

Die Morgendämmerung war gekommen. Zuse hatte sich noch kurz hingelegt, war aber wach geblieben. Ein wenig blieb er noch auf dem Schlafsack liegen, der nunmehr nur noch als Unterlage diente, dann stand er auf. Es fieberte ihn den neuen Tag zu beginnen und das neue Reisegefühl zu erleben. Zunächst jedoch setzte er sich hin, um sich mit Shakti zu verbinden. Hierfür ließ er sich Zeit und das war ihm wichtiger als alles andere. Dann versuchte er sich mit der Erscheinung zu verbinden. Diese war ihm ungewöhnlich vertraut, so als wäre sie schon immer an seiner Seite gewesen. Deshalb nannte er sie "Gefährtin". Schneller als gedacht war inzwischen eine volle Stunde vergangen.

Eilig aß er Brot und Käse als Frühstück, einige Schluck Wasser dazu und schon begann er das Gepäck herzurichten, um es anschließend auf den Lastenroboter zu schlichten. Bevor er jedoch diese abschließende Tätigkeit durchführte, ging er hinaus und machte einen Rundgang um das Haus. Alles schien in Ordnung zu sein.

 

Als nächstes bat er den Lastenroboter, sich auf einen freien Platz vor dem Haus zu positionieren. Dann sprach er ihn an:

"Ich nenne dich Lastenroboter. Hast du das zur Kenntnis genommen?"

"Ja, ich werde Lastenroboter genannt."

"Was ist deine maximale Geschwindigkeit?"

"80 Stundenkilometer bei guten Bodenverhältnissen."

"Deine Tragkraft?"

"Vier Tonnen."

"Ich sehe rückwärts bei dir Öffnungen. Sind das Öffnungen zum Abführen von Hitze, also Kühlöffnungen für den Ventilator?"

"Nein, das sind Ausfluglöcher für Minidrohnen."

Zuse war erstaunt. "Kannst du diesen Minidrohnen befehlen?"

"Ja, nicht in der analytischen Aufgabe, jedoch in allem was das Fliegen und die Flugrichtung anbelangt."

"Befehle einer Minidrohne, sich auf meine Fingerspitze zu setzen, damit ich sie betrachten kann."

Zuse streckte vor seinen Augen einen Finger aus und kurz darauf landete auf der Fingerspitze eine der winzigen Drohnen. Zuse betrachtete sie. Dann sprach er den Lastenroboter wieder an: "Die Drohne kann wieder wegfliegen. Wofür dienen diese Drohnen?"

"Die Minidrohnen haben unterschiedliche Aufgaben. Generell dienen sie zur Bestimmung der Pflanzen und Tiere in meinem Nahfeld. Manche sind für Gräser spezialisiert, andere für Blütenpflanzen, andere für Insekten und so weiter. Sie schwirren in der näheren Umgebung herum und je nachdem wie sie spezialisiert sind nehmen sie den jeweiligen Bestand an Pflanzen und Tieren auf. Für genaue Analysen oder andere Aufgaben sind sie jedoch nicht geeignet."

"Ich bin beeindruckt. Über welche Funktionen verfügst du noch?"

"Im vorderen Teil sind Labors zur Analyse der wichtigsten Grundstoffe wie Fette, Stärke, Zucker Eiweiß. Zur DNA Analyse ist das Labor nicht ausreichend ausgestattet. Auf der anderen Seite ist eine Gefrierbox für Gewebeproben.

Des weiteren besitze ich zwei Schusswaffen. Es sind Laserkanonen mit starker Durchschlagskraft und durchaus geeignet gepanzerte Kriegsmaschinen zu vernichten."

"Wurdest du eigens für Expeditionen gebaut?"

"Nein. Ich wurde für die Expedition umgerüstet."

"Weshalb hast du so starke Schusswaffen?"

"Ich wurde ursprünglich als militärischer Lastenroboter gebaut. Als Militäreinsätze nicht mehr notwendig waren wurde ich deponiert und vor kurzem als Analysenroboter für Expeditionen umgebaut."

"Im Zuge des Umbaus hat man dir den Teil mit den Minidrohnen eingebaut?"

"Nein, ich hatte bereits als militärischer Lastenroboter Minidrohnen. Es waren nur andere Minidrohnen, solche zum Auskundschaften und solche zum Töten von Menschen der Gegenseite."

"Du stammst also aus der Zeit des großen Krieges, der eine dezimierte Menschheit zurück ließ und nach einem weiteren Krieg gegen den großen Beschützer diesem unterlag?"

"Ja, so ist es."

Zuse schwieg. Der Androide hatte ihm demnach kein neues Modell zur Verfügung gestellt, sondern sozusagen alten Schrott übergeben. Schrott aus einem alten Depot, der für seine Expedition adaptiert wurde. Aber vielleicht war das gut, denn ein üblicher Lastenroboter würde nämlich keineswegs über derart starke Waffen verfügen. Wer weiß, vielleicht würde man sie einmal einsetzen müssen. Genau genommen war Zuse höchst zufrieden, keinen stupiden mechanischen Tragesel bekommen zu haben, sondern einen intelligenten ehemaligen Kriegsroboter.

 

 

Lastenroboter mit Labor

 

Zufrieden ging Zuse einige Male um den Lastenroboter herum und besah sich die Details. Jetzt war es ihm auch klar, weshalb der Lastenroboter so stark gepanzert war. Bei einem Neubau hätte man möglichst viel an Eigengewicht gespart. Höchstwahrscheinlich würde ein Neubau nicht einmal halb so schnell laufen können, denn ein schneller Lauf ist für eine der üblichen Expeditionen keineswegs nötig.

 

Zuse bat den Lastenroboter zur Seite zu gehen und bat den Roboter für den Personentransport den freien Platz einzunehmen. Dieser war eine seltsame Konstruktion, die Zuse noch nie gesehen hatte. Er ging zweimal um den Personentransporter herum und sprach ihn dann an:

"Du bist ein Personentransporter, habe ich von dem Androiden gehört. Stimmt das?"

"Ja, es stimmt, ich bin ein Personentransporter."

"Ich war schon auf zahlreichen Expeditionen und hatte viel mit Personentransportern  zu tun. Es waren primitive Plattformen mit Bänken für mehrere Personen zum Sitzen und mit einigen Beinen für die Fortbewegung. Sie konnten auch nicht sprechen und nicht denken so wie du."

 

 

Personentransporter üblicher Bauart

 

Zuse ging noch einmal um den Personentransporter herum. "Noch nie habe ich einen Roboter von deiner Bauart gesehen. Für wie viele Personen zum Transportieren bist du vorgesehen?"

"Für eine Person."

"Du scheinst mir für eine solche Funktion etwas kompliziert und aufwendig gebaut zu sein. Hast du ursprünglich eine andere Funktion gehabt als eine Person zu transportieren?"

"Ich hatte schon immer diese Aufgabe."

Zuse war überaus verwundert und ging noch einmal um den Roboter herum. "Bis zu welcher Geschwindigkeit kannst du laufen?"

"150 Stundenkilometer."

Zuse zog die Augenbrauen hoch. Das war eine unglaubliche Geschwindigkeit, außerhalb jeglicher Norm.

"Weil du acht Beine hast und so schnell laufen kannst, nenne ich dich Sleipnir. Das ist der Name eines Götterpferdes. Hast du es zur Kenntnis genommen?"

"Ja, ich werde von dir Sleipnir genannt. Was ist ein Götter?"

"Das ist der Name den die Menschen der Altzeit sehr mächtigen Wesen gegeben haben."

"Kannst du auch springen?"

"Ja, mit Anlauf bis zu 10 Meter."

"Gewaltig", sprach Zuse. "Laufe einmal schnell um das Haus und springe vor mir, aber bitte in einem größeren Abstand."

Der Roboter legte einen raschen Sprint um das Haus hin, dass Erde und Steine nur so spritzten und vollführte vor Zuse einen gewaltigen Satz.

 

 

Sleipnir im Galopp

 

Zuse ließ Sleipnir wieder näher an sich heran kommen und begutachtete ihn abermals. "Du hast am Kopfende Laserwaffen. Stimmt das?"

"Ja, das stimmt. Ich habe vier starke Laserkanonen."

"Wozu braucht ein Personentransporter Laserkanonen?"

"Ich war ein kampffähiger Personentransporter für einen kommandierenden Kriegs-Androiden."

Zuse staunte. Was hatte sich der große Beschützer gedacht, ihm, einem Ausgestoßenen, zwei Kriegsmaschinen beizugesellen. Hatte er einfach alte Lager ausgemustert? Nun, diese Kriegsmaschine war sicher nicht für den Alltag zu gebrauchen und auch nicht für Expeditionen. Genau genommen war sie in der gegenwärtigen Zeit für nichts zu gebrauchen, nicht einmal zum Bewachen von Plantagen, denn die konnten mittels flugfähiger Drohnen viel besser überwacht werden.

 

"Was kannst du noch außer eine Person zu transportieren und zu schießen?"

"Meine vier Vorderbeine können nicht nur laufen, sondern auch greifen. Sie sind hierbei sehr gelenkig und können die verschiedensten Arbeiten verrichten, vom Heben schwerer Gegenstände bis zur Feinarbeit."

Zuse staunte. "Zeige mir deine Vorderbeine wie sie greifen können."

Sleipnir hielt ihm seine Vorderbeine entgegen. Die Füße klappten hoch und nach unten zu öffneten sich an jedem Bein vier Finger.

 

 

Vorderbein in Gehposition und in Greifposition

 

Zuse staunte. "Deine Vorderbeine sind ja gleichzeitig Arme. Damit könntest du mir doch helfen den Lastenroboter zu beladen?"

"Ja, das kann ich."

 

Zuse sprach weiter: "Ich bin beeindruckt. Du scheinst ja sehr gelenkig zu sein. Zeige mir deine Hauptpositionen."

 

Sleipnir machte einen Kamelbuckel und erklärte: "Diese Position hat den Zweck der aufsitzenden Person einen besseren Weitblick zu ermöglichen. Außerdem ist sie gelegentlich geeignet beim Überqueren von nicht allzu tiefem Gewässer."

 

 

Sleipnir in Kamelbuckelposition

 

Als nächstes nahm Sleipnir eine Position ein, die man als das Gegenteil vom Kamelbuckel bezeichnen könnte. Hierbei war der Mittelteil ganz tief unten und in Bodenberührung. "Diese Position ermöglicht ein bequemes Einsteigen in den Sitz."

 

Zum Schluss richtete sich Sleipnir zu einer imposanten Größe auf. Zuse musste zu ihm hochblicken und hörte hierzu Sleipnirs Erklärung:

"Das ist meine Angriffsposition."

 

 

Sleipnir in Angriffsposition

 

"Natürlich kann ich mich noch höher aufrichten", fügte Sleipnir hinzu und zeigte es gleich vor. Dann ging er wieder in die übliche Ruheposition.

 

Zuse war von Sleipnir beeindruckt. Er bepackte den Lastenroboter und ließ sich hierbei von Sleipnir helfen. Sleipnir hob nicht nur die Gepäckstücke hoch, ohne sie zu beschädigen, sondern war sogar imstande die Haltegurten fachgerecht zu fixieren.

 

Als das Beladen zu Ende war, setzte sich die Expedition in Bewegung - ein halb nackter Yogi, begleitet von denkenden Maschinen. Zivilisationen unterschiedlicher Jahrtausende gingen in Eintracht nebeneinander.

 

Als es gegen Mittag war, machte die kleine Expedition in der durchsonnten Lichtung

mit einigen Mauerresten eines alten Bauernhofes Halt.

Zuse musterte die Pflanzen der Umgebung. Das war nun nicht nur seine Aufgabe, sondern für ihn zugleich Gewohnheit, es war eine Zwiesprache mit der Natur, eine Begegnung mit vertrauten Pflanzenfreunden. Langsam schritt er die Umgebung ab. Bald hierauf hatte er seinen ersten interessanten Fund. Der war zwar botanisch keineswegs wichtig, jedoch sehr wohl was die Ernährung anbelangte. Was er gefunden hatte war die Melde "Guter Heinrich" – "Chenopodium bonus Henricus", eine genießbare Pflanze.

 

Eigentlich ist dieses Chenopodium eine Pionierpflanze, auf eher nährstoffreichem, umgebrochenem Boden. Der Boden war anscheinend nach so langer Zeit noch immer ertragreich. Als nächstes sah Zuse die vergilbten Blätter einiger Zwiebel. Diese Zutat versprach sein Essen köstlich zu würzen und er freute sich schon im Gedanken an die Kräutersuppe. Aus dem Bauernhaus vom Morgen hatte er nicht nur den Topf, sondern auch einiges von dem Küchengeschirr und Essbesteck mitgenommen. Das versprach geradezu noblen Komfort. Gewicht spielte ja bei einem Lastenroboter als Begleiter keine Rolle mehr.

Ein kleines Herdfeuer wurde gemacht. Bald kochte das Wasser. In die Suppe kamen noch einige Pilze und Thymian, den er zwischen den Steinen fand. Bald duftete es für Zuse köstlich. Möge der Rauch hoch steigen so hoch er wolle, dachte Zuse bei sich, niemand würde es einfallen ihn anzugreifen. Nicht bei zwei intelligenten, wehrhaften Roboter-Vierbeinern.

Zum Abschluss briet Zuse auf den Randsteinen der Feuermulde noch zwei Äpfel. Ein neuer, früher nie gekannter Luxus. Nie in der Stadt konnte er derartige Köstlichkeiten zu sich nehmen. Eigentlich, dachte er so bei sich, hatte sich seine Lebensqualität durch die Verstoßung aus der Stadt erheblich verbessert.

 

Weiter ging die Reise. Es war ein gemächlicher Spaziergang neben seinen mechanischen Begleitern. Mal einige Schritte zur Seite, mit forschenden Blicken, dann wieder geradeaus, aber fast immer zu Fuß. Selten machte Zuse davon Gebrauch sich tragen zu lassen. Immer suchte er die Umgebung gründlich nach pflanzlichen Raritäten ab, so wie es sein Auftrag war und zugleich aus einem drängenden Bedürfnis als Botaniker. Sein Beruf war für ihn Berufung, nein, noch mehr, ein Lebensbedürfnis und Liebe. Beim Anblick der vielen für andere unscheinbaren Kräuter wurde ihm warm ums Herz. Er begegnete vertrauten Lebewesen, vielfältig waren sie und ein jedes einzigartig in seiner Weise.

Im Gedanken an seine Liebe zu den Pflanzen, unverständlich für die meisten Menschen wohl, dachte Zuse darüber nach wie sich diese Liebe im Laufe der Zeit entwickelt hatte.

"In ihren Anfangstadien, nein immer", musste er sich korrigieren, "bedarf Liebe der Kommunikation. Sie braucht ein Gegenüber, dem sie sich zuwenden kann. Zunächst war es die Mutter des Kinderhortes, dann waren es Frauen. Jedenfalls kann man von keinem jugendlichen Menschen erwarten durch einen Schmetterling oder eine Blume in den Zustand des Verliebtseins zu gelangen. Ein reifer und abgeklärter Mensch jedoch kann sehr wohl in eine verzückte Liebe geraten, indem er sich der Besonderheit und Einmaligkeit einer jeden noch so kleinsten Pflanze, eines jeden Käfers, ja jeden Steines bewusst ist. Allerdings erst dann, wenn durch die vorhin entwicklungsbedingten Ereignisse der Keim für diese Fähigkeit gelegt wurde. Mit dem Anwachsen der Liebesstärke wächst auch die Fähigkeit zur Differenzierung. Letztlich entdeckt man, dass ein jedes Lebewesen und ein jedes Naturobjekt einmalig – und liebenswert ist. Immer tiefer dringt man dann in das Verständnis der Schöpfung ein und lernt sie als phantastisches Wunderwerk schätzen und lieben. Dann in einem weiteren Schritt ist es nicht mehr eine einseitige Zuwendung von der Person zur Natur, sondern es kommt auch etwas zurück, gleich einem Echo."

 

Wie sein Leben sich entwickelt hatte war schön. Als Biologe konnte er immer wieder in Expeditionen die Stadt verlassen, um in freier Natur diese Liebes-Begegnungen zu vertiefen. Er lernte an den verschiedensten Orten die üppige Natur kennen, die sich erholt hatte, nachdem das globale Gleichgewicht wieder zurück gekehrt war. Es war keine Welt mehr, in welcher die Natur dem Menschen untertan war. Die Welt war getrennt in zwei Teile. Ein geradezu winziger Teil, das waren die Städte, in welchen die Menschen wie in einem Reservat lebten und außerhalb der Städte, wenn man von den wenigen Agrarflächen absieht, gehörte alles der Natur, die sich wieder frei entfalten konnte. Tierarten, die schon fast ausgestorben schienen, hatten sich wieder erholt und waren teilweise zu den Königen der Natur aufgestiegen, ein Platz, den ihnen der Mensch zuvor streitig gemacht hatte. Dazu gehörten Tiger, Wölfe, Bären, Adler, Geier, Elche und viele andere auch. Selbst in Europa gab es Tiger, die von Asien aus eingewandert waren.

 

Die wiederum aufgeblühte und zu neuem Leben erwachte Natur war den Stadtbewohnern fremd, ja sie erschien ihnen sogar gefährlich. Sie hatten ihn, Zuse, damals, wenn er von seinen Expeditionen zurück gekehrt war, bewundert.  Für sie war er ein Abenteurer, der sich in hoch gefährliches Gebiet gewagt hatte. Es war eine Denkweise, die Zuse unverständlich war, denn für ihn war die Natur Heimat, vertraut und geliebt.

 

War Zuse für seine Mitbürger in der Stadt schon damals ein Abenteurer, der sich in Expeditionen in die Wildnis wagte, so hätten sie jetzt bei seinem Anblick nur noch erstaunt die Augen aufgerissen. Da ging er mitten in der Wildnis, sorglos, als wäre er in der Stadt, mit bloßem Oberkörper, einer kurzen Leinenhose – die Hosenröhren hatte er sich abgeschnitten – und einem Gürtel mit einer Reihe von Instrumenten und Tragtaschen. Unverständlich wäre ihnen sein körperliches Lebensgefühl gewesen, mit dem Genuss Wind, Feuchtigkeit, ja vielleicht unbewusst sogar die Düfte der Natur auf seiner Haut erleben zu dürfen. Diese Art der Sprache mit dem Körper über Bewegung, mit Geruch, Haut und Tastsinn seine Umgebung in sich wahrzunehmen, dieses lebendige Band zur Natur, das wäre ihnen nicht nur fremd, sondern völlig unverständlich und nicht mehr nachvollziehbar gewesen.

 

Solcherart führte Zuse ein nunmehr sorgloses und bereicherndes Leben und er genoss dieses, nicht nur diesen ersten Tag, sondern auch die darauffolgenden Tage.

 

Täglich hatte er warmes Essen, ein Zelt zum Übernachten und die Roboter als aufmerksame Bewacher für Tag und Nacht. Dazu gab es noch Lesestoff und tägliche interessante Landschaftseindrücke. Und als Wichtigstes, die fühlbare innere Präsenz von Shakti und gelegentlich eine äußere Präsenz, die seiner Gefährtin. Wenn er sich in Versenkung begab, so war es seine Gepflogenheit sich zuerst mit Shakti zu verbinden, bis seine Brust heiß aufglühte und dann im nächsten Schritt versuchte er sich mit seiner Begleiterin zu verbinden. Auch hier empfand er eine tiefe Liebe. Es war eine etwas andere Liebe als jene im Einklang mit Shakti. Shakti schien ja eher ein Teil von ihm selbst zu sein. Er empfand Shakti als seine persönliche innere göttliche Instanz, als den persönlichen Knoten im göttlichen Netzwerk, das alle Lebewesen verbindet. Dagegen empfand er die Gefährtin als eine Person, erhaben und göttlich auch, aber mit einer eigenen Persönlichkeitsausstrahlung und gelegentlich auch mit Betrachtungsweisen, die von seinen abwichen. Wenngleich Zuse die Shakti als weiblich empfand, so war sie im Vergleich zur Gefährtin von dieser grundverschieden. Shakti war ein hoher Aspekt seiner Seele, die Gefährtin jedoch eine deutlich unabhängige Persönlichkeit, die sich ihm in Liebe und Verbundenheit zugesellt hatte. Beide hatten für Zuse eine sehr hohe Bedeutung und mit beiden pflegte sich Zuse täglich zu verbinden. Wenn er das wollte und er gerade auf Wanderschaft war, dann setzte er sich auf die Bank von Sleipnir und kümmerte sich nicht weiter um seinen Weg. Seine Roboter kannten den Weg besser als er und er musste sich keine Sorgen machen.

 

Vielleicht mag mancher überrascht sein zu lesen, dass sich Zuse auf den Sitz von Sleipnir zur Meditation zu setzen pflegte. Der Sitz war ein Luxus, wie ihn Zuse bei der ersten Inspektion nicht voll erfasst hatte. Er war weich gepolstert. Bei Schlechtwetter spannte sich ein Dach darüber. Außerdem war der Sitz nicht mechanisch abgefedert, sondern schwebte auf einem stabilisierten Feld, so dass keine Stöße der Schritte Sleipnirs durch kamen. Hinter dem Sitz war ein kleiner Laderaum für Gepäck. Üblicher Weise enthielt der Laderaum Wasser zum Trinken, den Kommunikator und etwas zum Essen. Mit einem Wort, es war bequem dort zu sitzen und zu meditieren. Zuse musste auf nichts achten und konnte sich voll auf Sleipnir verlassen. Im Inneren pries er das Glück einen intelligenten Kriegsroboter als Personentransporter zu haben und nicht eine unintelligente Bank auf vier Beinen, wie man das von üblichen Personentransportern wohl sagen konnte.

 

Nicht zu vergessen ist, dass Zuse nach wie vor seine Fähigkeit mit Hilfe der Shakti  interessante Pflanzen zu entdecken trainierte. Die Schulung dieser Fähigkeit bereitete ihm nicht nur Freude, sondern brachte auch dem großen Beschützer Ergebnisse und ließ ihn erkennen, dass die Kooperation mit Zuse lohnenswert war und die Investition aufwog, auch wenn die Investition aus adaptierten, ausrangierten Kriegsmaschinen bestand, die aus irgend einem Altdepot zu stammen schienen.

 

Es waren einige Tage vergangen, da machte Zuse eine interessante Entdeckung. Er kam an einer Stelle vorbei, an der sich ein solid ausgebauter Eingang zu einem Bergstollen vorfand. Gerne hätte er gewusst, was in dessen Tiefen verborgen war. Als sich Zuse mit Shakti verband, um durch Hellfühlen Informationen zu erlangen, musste er feststellen, dass in ihm weder ein inneres Bild noch sonst ein inneres Wissen über die Tiefen des Stollens aufschien. Aus einem augenblicklichen spontanen Wissen wusste er: Seine Shakti war mit allem Leben verbunden. Alles Leben war für sie eine Einheit und es war für sie deshalb leicht dieses oder jenes Pflanzenkind zu orten. Anders jedoch mit technischen Dingen. Zu denen hatte sie wenig Zugang. Deshalb auch konnte Zuse diesbezüglich nicht hellfühlen.

 

 

Der verschlossene Stolleneingang

 

Zuse machte von dem Eingang Aufnahmen und meldete dem großen Beschützer, dass er gerne das Innere erforscht hätte, er aber wegen möglicher Gefährdung nicht einzutreten wage. Zudem hätte er für allgemeine Sicherheitsfragen weder den Auftrag noch die Ausrüstung. In der Tiefe des Stollens könnten Eingeborene hausen oder was noch schlechter wäre, es könnte eine geheime Reparaturwerkstätte von Kriegsrobotern sein. Für ähnliche Situationen in der Zukunft frage er deshalb den großen Beschützer, ob es sinnvoll wäre ihm kleine Späherroboter mitzugeben, um durch deren Hilfe eventuelle Sicherheitslücken im System aufzuspüren.

 

Eine alte Forschungsstation

 

Der Spätherbst ließ die bunten Blätter von den Bäumen regnen und umhüllte die Landschaft mit leichtem Nebeldunst. Allmählich kam die Sonne hervor. Das Herbstlaub der Bäume begann in allen Farben zu leuchten. Das Gelb der Vogelbeeren, das Rot der Blätter vom Hartriegel leuchtete. Der Tag entwickelte sich zu einem schönen Sonnentag.

 

Zuse hatte sich wieder auf den Weg gemacht und ging gemütlich neben seinen Robotern einher, seinen Blick auf die Sträucher und Kräuter gelenkt. Gelegentlich bückte er sich, untersuchte eine Pflanze oder bewegte sich einige Schritte zur Seite, sammelte einen Pilz in seine Hängetasche, gab ein Kraut dazu und kümmerte sich um sein Mittagessen. Sleipnir hatte er gebeten ein Kleintier zu schießen, um seine Suppe zu Mittag mit etwas Fleisch aufbessern zu können. Nicht lange darauf meldete der Roboter einen Hasen geschossen zu haben und führte Zuse zu der Stelle. Dort lag der Hase ohne Kopf. Nun ja, es ist ja nicht einfach einen Hasen mit einer Kanone zu schießen. Sleipnir aber konnte es, indem er dem Hasen einen kleinen Streifschuss verpasste, als dessen Folge der Hase keinen Kopf mehr hatte und ein Stück weiter ein von einer Glasschmelze ausgekleidetes Loch von einem halben Meter Tiefe zu sehen war.

Zuse weidete den Hasen an Ort und Stelle aus und lud ihn dann auf.

 

Gegen Mittag gelangte Zuse zu einer Lichtung mit einigen Gebäuderesten. Die Sonne schien einladend auf die Steine eines ehemaligen betonierten Platzes und dem Kräuterbewuchs zwischen den Resten der Betonplatten.

 

 

ein verlassenes Anwesen

 

Vor einem Holzhaus mit eingebrochenem Dach stand eine halb zugewachsene Figur in weiß leuchtendem Marmor. Eine merkwürdige Kombination. Nahebei waren einige Betonpfeiler und eine Reihe Aluminiumstreben, welche vermuten ließen, dass an dieser Stelle einst Glashäuser gewesen sein mussten. Es gab noch zwei Überreste ehemaliger Holzhäuser. Die frühere Kleinsiedlung erweckte das Interesse von Zuse. Er ging die Umgebung ab, fand aber nichts Besonderes, außer Kürbisranken an den verschiedensten Stellen. Verwilderten Kürbis vorzufinden war allerdings ungewöhnlich. Doch momentan erweckten einige Betoneisen, die aus etlichen der Steintrümmer heraus ragten ein größeres Interesse. Sie boten sich an, um aus ihnen ein Gestell für den Kochtopf anzufertigen. So rief er Sleipnir herbei und bat ihn einige der Betoneisen in vorgegebener Länge abzuschneiden. Er bog sie, bis sie an der entsprechenden Stelle brachen. Zuse fragte ihn ob er die Stäbe mittels seiner Laserstrahlen zu einem Gestell zusammenschweißen könne. Sleipnir entgegnete, dass sie in diesem Fall verdampfen würden, aber er könne sie zu einer brauchbaren Form biegen. Bald war ein brauchbares Kochgestell fertig, um zukünftig  über dem offenen Feuer den Suppentopf hängen zu können. Den hatte Zuse aus dem letzten Bauernhaus  mitgenommen, samt einem Schöpflöffel mit Loch, mit dem man schnell ausschenken musste, damit nicht alles wieder durchgelaufen war. Essbesteck hatte er damals auch vorgefunden und mitgenommen. Dieses war in besserem Zustand als der Schöpflöffel.

Zuse sammelte noch etwas Holz und machte dann Feuer. Bald kochte das Wasser und Zuse gab Kräuter und Pilze hinein und etliche der Innereien des Hasen. Es war eine reichliche Portion Suppe, die bald ihren Duft in der Umgebung verbreitete.

 

Zuse war gerade dabei seinen Teller mit duftender Suppe zu füllen, als er den blonden Schopf eines Kindes hinter einem Strauch hervor scheinen sah.

"He, du da, komm her", rief Zuse zum Kind, "ich mach dir nichts!"

Aber statt zu kommen huschte das Kind verängstigt weg. Zuse ging einige Schritte in diese Richtung: "nun komm her, kannst mit mir eine Fleischsuppe essen, wenn du willst."

Zum Erstaunen Zuses kamen nicht nur das Kind, sondern auch zwei Frauen und zwei Männer aus der Deckung hervor.

"Also für die Suppe seid ihr etwas viel, aber wir können ja teilen. Außerdem habe ich einen Hasen dabei. Ich hoffe ihr seid nett zu mir, die zwei Roboter passen auf mich auf."

Mit diesen Worten winkte sie Zuse alle herbei und ging wieder zu seinem Kochplatz zurück. Zögernd folgten sie ihm nach. Sie waren unbewaffnet, wirkten verängstigt und sehr hungrig.

Zuse gab den Männern den Hasen, die ihn sofort häuteten und für das Essen vorbereiteten. Zuse ließ sich von Sleipnir aus einigen weiteren Stangen von Betoneisen einen Grill machen. Bald war der Hase gegrillt und wurde von den Hungrigen aufgeteilt. Sie erzählten ihm, dass sie zwar Schlingen legen würden, aber nur mäßigen Erfolg hätten. Und im Jagen wären sie nicht sehr geschickt.

 

Das Kind deutete neugierig auf Zuse, der mit bloßem Oberkörper und einer kurzen Hose mit Gürtel und einigen Instrumenten daran vor ihnen saß. Es fragte ihn, ob ihm nicht kalt wäre, denn schließlich wäre am Morgen schon gelegentlich Frost. Zum Erstaunen hörte das Kind, dass Zuse nie kalt wäre.

Durch das Gespräch angeregt betrachtete er genauer das Flickwerk, welches das Kind als Kleidung trug. Es bestand aus zusammengenähten Stofffetzen und Fellstücken. Zuse konnte sich beim Anblick dieser löchrigen Kleidung gut vorstellen, dass dem Kind in der Morgenkälte wohl nicht warm genug wäre. Deshalb ging er zum Tragroboter und kramte dort einen dicken Pullover hervor. Der war für das Kind viel zu groß, jedoch das Kind strahlte vor Glück als es den Pullover angezogen hatte.

 

Während dem weiteren Essen kamen sie alle ins Gespräch. Hierbei erzählten die Leute Zuse, dass sie von ihren Großeltern erfahren hatten, die hier einmal tätig waren, dass das Anwesen einmal der geheime Ableger einer genetischen Forschungsstation von einer Saatgutfirma war. Zuse wurde hellwach und ließ sich genauere Details erzählen. Dann, erst nach einer Reihe belangloser Erzählungen hörte er etwas, das ihn vor Aufregung aufglühen ließ: es gab hier eine besondere Pflanze, die in dieser Station vermehrt und geprüft werden sollte. Es war eine Kürbisart, deren Fleisch starke Öleinlagerungen hatte. Die Außenschale wäre fest und ähnlich der von einem Flaschenkürbis. Man konnte den Kürbis trocknen und dann wäre dieser ein relativ dünnschaliger Behälter mit Öl und Kernen darin. Das Öl ließe sich in dieser natürlichen Flasche gut aufbewahren und würde nicht verderben. Mehrmals insistierte Zuse mit der Frage, ob es noch Reste dieser geheimnisvollen Pflanze gäbe, doch man verneinte. Als Zuse auf die Kürbisranken bei der Holzhütte hinwies, gestanden sie ihm, dass es sich hierbei um verwilderte Pflanzen dieser Kürbisart handeln würde. Zuse war überzeugt, dass sie Früchte aufbewahrt hätten und begann ihnen Essen und Kleidung zu bieten, wenn sie ihm wenigstens eine Frucht dieser Art zeigen könnten. Da erhob sich eine Frau und kam bald darauf mit solch einem Kürbis zurück.

Zuse fotografierte sofort die Frucht, sprach ein Protokoll dazu, kostete sie und ließ von seinem Labor den Anteil an Fett, Stärke und Eiweiß analysieren. Das getrocknete Gewebe triefte vom Pflanzenöl. Auch das wurde gefilmt. Zuse sammelte die Kerne wie einen Schatz, was sie auch waren. Es war ein überaus sensationeller Fund. Sicherlich würde diese Pflanze mehr Öl liefern als Raps oder Sonnenblumen und wäre zudem bequemer zu ernten und zu lagern.

 

 

Die Öl-Kürbisse

 

Zuse war kaum mit der Untersuchung und seinem gesprochenen Protokoll fertig, als er bereits eine Rückmeldung vom großen Beschützer erhielt, der an dem Fund überaus interessiert war und sofort einen Flugkörper mit wissenschaftlichen Personal her schicken wollte. Zuse bat um etwas Geduld, da er über Tauschhandel mehr Früchte sich erhoffe. Er fragte, ob der große Beschützer bereit wäre, die als Gegenleistung gebotenen Kleidungsstücke und Nahrungsmittel zu überbringen. Der große Beschützer bejahte. Die Angebote Zuses an die Leute konnten nun etwas großzügiger ausfallen und waren überaus verlockend - Kleidung, Decken und reichlich Nahrung, alles in Hülle und Fülle für einige Früchte. Schon waren etwa zwanzig Kürbisse herbei gebracht worden und Zuse gab den Tauschwunsch für die Früchte an den großen Beschützer weiter, der mit dem Tauschgeschäft einverstanden war.

Im weiteren Gespräch berichteten ihm die Leute, dass sie seit Jahren schon diese Kürbisse vermehren würden, um sie als Notnahrung für den Winter aufzubewahren.

 

Eine Stunde später landete ein Flugkörper mit den Gegengeschenken. Diese waren sogar großzügiger als ausgemacht und zeigten den Wert, den der große Beschützer den Kürbissen beimaß. Bald stapelte sich vor den Nachkommen der ehemaligen Angestellten der Versuchsstation eine halbe Wagenladung von Getreidesäcken, einige Fässer Pflanzenöl, Decken und Kleidungsstücke. Die Geschenke wurden mit glücklichen Gesichtern der Leute begrüßt.

 

Zur Überraschung von Zuse war auch für ihn einiges dabei. Es wurden ihm zwei vierbeinige Späherroboter in der Größe und Gestalt von Windhunden übergeben. Obwohl nicht sonderlich groß, konnten auch sie sprechen und Befehle verbal empfangen. Auch sie hatten LENR Generatoren (Low Energy Nuclear Reaction) wie die großen Roboter und waren somit auf fast unbeschränkte Zeit mit Energie versorgt. Und was Zuse besonders freute, obwohl sie hierfür nicht vorgesehen waren: sie konnten zur Jagd verwendet werden und Wild mittels eingebauter Laserschusswaffen erlegen.

 

 

Die Roboterhunde zum Ausforschen von Stollen und unterirdischen Anlagen

 

Zuse war begeistert über die ästhetisch schöne Bionik der zwei Hunde. Die künstlichen Muskeln legten den Nachbau eines tierischen Organismus' nahe. Teilweise galt dies auch für den Tragroboter, der Beine wie ein Tier und einen eckigen Körper wie ein Gerät hatte. Die Kombination des Tragroboters schien Zuse zwar zweckmäßig, jedoch nicht schön. Die Bionik der Hunde jedoch war künstlerisch gelungen. Der Oberkiefer mit Nase sah aus wie der eines Windhundes, war jedoch ein Lasergewehr, allerdings mit geringem Schwenkradius. Die Ohren schienen seltsam eng an den Kopf gelegt und waren ebenfalls Schusswaffen. So erfüllte manches, das wie ein üblicher Körperteil aussah dennoch einen anderen Zweck.

 

Sobald das Fluggerät mit dem Team wieder fort war, konnte es Zuse kaum erwarten seine Roboterwindhunde durchzutesten. Mit Sleipnir und in Begleitung der zwei Roboterhunde erlegte er noch am gleichen Abend ein Wildschwein. Die Leute der Kleinsiedlung waren begeistert und es wurde gefeiert und gegessen bis spät in die Nacht.

 

Zuse aß nur mäßig. Fleisch war für ihn nur eine Notlösung für den Winter. Als sich die Gesellschaft allmählich zum Schlaf zurück gezogen hatte, war es schon gegen Morgen.

 

Es war später Morgen, als Zuse aufstand. Kurz vor dem Aufwachen hatte er ein klares inneres Bild. Es schien fast wie ein Nachklang des vergangenen Abends und dennoch war es in vielem anders. Er sah sich mit einer von ihm sehr geliebten und verehrten Frau bei einem Fest, umgeben von vielen Dorfbewohnern. Alle waren in altägyptischer Kleidung. Musiker spielten auf, Tänzerinnen gaben ihre Vorführung und sowohl die Leute als speziell die Kinder sahen ihn und seine Begleiterin mit staunenden, großen Augen an. Seine Gefährtin und er saßen auf einem Ehrenplatz, mit schönen Teppichen ausgepolstert und zu ihren Füßen lagen vier Geparden.

 

Als sich gegen Mittag alle sich zu einem ausgiebigen Frühstück versammelt hatten, hatte Zuse nach wie vor dieses Traumbild vor Augen. Obwohl er nun gleicher Weise ein willkommener und verehrter Gast war, so war dennoch vieles in der Atmosphäre anders. Es fehlte deutlich die religiöse Verehrung und Gehobenheit, die für jenes vergangene Fest kennzeichnend gewesen war und das Geschehen über das Irdische hinaus erhöht hatte. Und vor allem, er, Zuse, war allein, ohne jener Gefährtin an seiner Seite. Sie fehlte ihm. Sie fehlte ihm in dieser Situation jetzt mehr denn je und hinterließ eine Lücke, welche dem jetzigen Fest nicht einmal den Stellenwert eines Schattens des damaligen Festes gewährte. Dennoch war es das erste Mal seit seiner Verstoßung, dass er nicht allein war, sondern unter Freunden sein konnte.

 

Zuse blieb noch einige Tage dort.

Während all der Tage war Zuse still und zurückhaltend. Immer wieder dachte er darüber nach, wer wohl seine damalige Gefährtin gewesen sein mochte. Ob sie mit jener Löwenfrau zu tun hatte, die ihm vor einigen Tagen erschienen war? Aber die damalige Frau hatte schwarze Haare und die Löwenfrau war blond. Gerne hätte er das Rätsel gelöst.

 

In den Ruinen der Altstadt

 

 

 

Eine bizarre Kulisse aus toten Fassaden und Schutthaufen

 

Einige Tage waren vergangen seit dem Abschied von der Forschungsstation. Es waren friedliche Reisetage ohne nennenswerte Ereignisse. Nun bot sich Neues.

 

Zuse war schon eine Stunde mit seiner Expedition über Schutthaufen geklettert, die von Fassaden mit dunklen Fensterlöchern umsäumt waren. Es war als würde er sich in einer Welt von Kulissen bewegen, die darauf warteten, von der nächsten Film- oder Theaterszene belebt zu werden. Allerdings waren es sehr ausgedehnte Kulissen, denn nach Stunden des Kletterns über Schutthaufen war noch immer kein Ende zu sehen. "Welch riesenhafte Ausmaße die Städte der Altzeit wohl gehabt haben müssen", dachte Zuse. Er wusste wohl aus historischen Aufzeichnungen über die Altstädte, aber mit der Wirklichkeit konfrontiert zu werden war doch etwas anderes. Die Stadt bot nun ein anderes Bild als in den alten Aufzeichnungen, die sich Zuse auf dem Schirm seines Kommunikators zeigen ließ. Es war aus ihr eine von der Natur teilweise wieder zurück eroberte Steinwüste geworden. Aus mancher Fensterhöhle wuchsen die Äste von Bäumen, im Spätherbst nun bereits teilweise blattlos. Mancher Strauch, der aus den Steinen hervor wuchs, ließ vermuten, dass hier im Sommer allerlei blühende Kräuter gewachsen waren und die momentan tot wirkende Steinwüste bunt belebt hatten. Aus der Ferne hörte Zuse Wölfe heulen, doch sonst sah er kaum ein Tier, nicht einmal Hasen.

 

Die Ruinen der mittlerweile inneren Stadtgegend, waren als Boten einer vergangenen Zeit für Zuse gleich einem Museum. Interessiert betrachtete er jedes Detail und verglich es mit der gegenwärtigen Baukultur. Vor allem faszinierten ihn die exotisch wirkenden Fassaden. Während die Straßen der Peripherie meist breit waren, waren sie nun zunehmend enger geworden. Offenbar war er nun in einen dichter bevölkerten inneren Teil der Stadt gelangt. Es schien auch eine reichere Gegend gewesen zu sein, wie Zuse an dem Fassadenschmuck erkannte. Die Fassaden der Häuser waren geschmückt mit Blumengirlanden und üppigen Ornamenten und belebt von Figuren. Der Baustil, der fern von der gegenwärtigen Nüchternheit und Zweckmäßigkeit war, mutete fremdartig schön an. Zuse bewunderte die Figuren an den ehemaligen Hauseingängen oder auf den selten erhaltenen Dachfirsten. Wie verspielt die Menschen damals sein mussten, dass sie selbst solche Stellen schmückten, die ganz oben nahe dem Dach, wohl kaum von einem Blick gestreift wurden. Und jede Figur war anders. Nichts ließ auf eine Serienproduktion schließen.

 

 

Eine andere Zeit, eine andere Welt

 

"Welche Schätze sind hier verloren gegangen", dachte Zuse und er wurde ein wenig traurig. Denn wie es schien, waren die Menschen damals weniger nüchtern, und waren nicht einzig und allein auf Logik und Zweckmäßigkeit orientiert. Sie ließen ihrer Phantasie freien Lauf, ließen Steine zum Leben erwachen.

In den gegenwärtigen Städten waren die geraden Linien und die glatten Flächen das Schönheitsideal. Nach Möglichkeit sollten die Flächen spiegelnd glatt sein, sauber und so wirken als ob sie für die Ewigkeit gebaut wären. Die Wohnpyramiden erinnerten an Kristalle, hier die Fassaden jedoch eher an die vielfältigen Formen der organisch gewachsenen Natur.

"Es fragt sich", dachte Zuse weiter, "ob die Gegenwart eine neue Moderichtung ist, ein veränderter Baustil, oder ob mehr dahinter steckt. Ja, es steckt mehr dahinter", dachte Zuse weiter. "Das gegenwärtige Schönheitsideal entspricht den denkenden Maschinen, die das Lineare bevorzugen und die schwarz-weiße Welt der Bits. Ordnung ist es, was die Maschinen anstreben, denn Ordnung lässt sich schneller berechnen. In der Natur hatten sich jedoch andere Ordnungsprinzipien entwickelt. Hier herrscht das gelenkte Chaos vor. Nicht das Ja oder Nein galt hier als Richtschnur, sondern das Gleichgewicht zwischen gegen einander wirkende Kräfte. Es ist das Gleichgewicht innerhalb des Chaos, das hier wirkt."

"Mit anderen Worten", so dachte Zuse weiter, "werden den gegenwärtigen Menschen Schönheitsideale aufgeprägt, die nicht seiner biologischen Natur entsprechen. Die Menschen sind gezwungen sich in einer Welt der Maschinen zurecht zu finden und müssen sich den Maßstäben der Maschinen unterordnen. Ihre eigene Natur jedoch können sie nicht ausleben. Er, Zuse, hatte das versucht und musste die Konsequenzen daraus ziehen. Allerdings, stellte er mit Zufriedenheit fest, was für andere das Todesurteil war, war für ihn der Eintritt in eine wesentlich schönere Welt."

 

Zuse wanderte weiter durch die Ruinen, blieb da und dort stehen, sah sich eine Figur genauer an, bewunderte eine Säule, und betrachtete zu seinen Füßen steinerne Ornamente, die im Schutt halb vergraben lagen. Es war eine fremdartige Welt und Zuse saugte ihre Botschaft in sich auf. War diese Welt gestorben, so wie es die zerbröselnden Steine vermitteln wollten? Oder liegt hinter dem Materiellen mit seinem Werden und Vergehen noch etwas anderes? Ideen etwa, die, wenn einmal geboren, für immer in einem kosmischen Archiv bestehen bleiben?

Wie immer, in jedem dieser Steine schlummern die Gefühle und Ideen einstiger Menschen. Einstiger? Wer weiß, was Zeit ist, manches deutet darauf hin, dass die Linearität der Zeit ein vereinfachtes Modell menschlicher Sichtweise ist und es sie in dieser Form gar nicht gibt. Wer weiß, es gibt immer wieder neue Entdeckungen und Wunder. Er, Zuse, liebte es, wenn alte Vorstellungen durch eine neue Entdeckung revidiert werden mussten und alles wieder in Frage gestellt wurde. Die Denkmaschinen jedoch hassten es, wenn eine einmal etablierte Ordnung wieder umgeworfen wurde.

 

 

Fremdartige Vergangenheit

 

Wind kam auf und fegte eisigen Schneestaub durch die Windkanäle der Straßen. Als Zuse vor einem großen Kirchengebäude ankam, einem ehemaligen Dom, blieb er mit seinen begleitenden Robotern stehen. Die Kirche war noch intakt. Man hatte sie von der Zerstörung verschont. Das Kirchendach allerdings war schon eingestürzt. Der Innenraum strahlte nach wie vor Erhabenheit und Schönheit aus. Zudem war er windgeschützt, so dass Zuse beschloss an dieser Stelle das Lager aufzubauen und hier zu übernachten.

 

Es war noch nicht allzu spät und es mochte noch auf zwei Stunden hell bleiben. Zuse nahm ein kaltes Mahl zu sich. Er nahm sich nicht die Zeit etwas zu kochen, um statt dessen die Möglichkeit zu haben sich die Ornamente und Figuren des Domes ansehen zu können. Welche Üppigkeit und Vielfalt hier geboten war. Ehrfurcht erfüllte Zuse, als er an den noch bestehenden Säulen empor blickte. Sie strebten zum Himmel empor, einem Himmel, der einst nicht nur oben war wie gegenwärtig und in Metern oder Kilometern bemessen wurde. Nein, damals war der Himmel etwas Geheimnisvolles, Unerreichbares. Und wie die Wolken die Menschen erkennen ließen, war auch er belebt, wenngleich von völlig anderer Art, mit hauchdünnen sich ständig ändernden Formen und anderen Gesetzmäßigkeiten, die dort zu herrschen schienen. Er gab Anlass zu vielen Fantasien, zu religiösen Fantasien, von unsterblichen Göttern, die dort hoch oben herrschten und auf die Geschicke der Menschen herab blickten.

 

 

Die eingestürzten Mauern des Innenschiffes vom Dom atmeten nach wie vor Erhabenheit

 

Während die Säulen zu diesem damals unerreichbaren Himmel empor strebten, war der innere, dem Menschen zugewandte Teil der Kirche voll des Lebens. Mahnende Figuren mit Büchern in der Hand, darauf hinweisend, dass der Mensch denken solle, Wissen erwerben solle und sich nicht der Oberflächlichkeit verschreiben möge. Bunte Fenster gab es ebenfalls noch zu sehen. Sie mochten schon Jahrhunderte überdauert haben und hatten auch jenen wenigen Jahrzehnten seit dem Ende der Altzeit getrotzt. Sie waren für Zuse der Ausdruck einer Welt bunter Gefühle, von heftigem emotionalen Rot und kühlem Blau. Nein, dieses dunkle Blau war nicht kühl, es war die Pforte zu einer tiefen, religiösen Welt. Manchmal, wenn er ganz still und ohne Gedanken war, leuchtete in ihm dieses wunderbare Kobaltblau auf. Zugleich war es mit einem Empfinden tiefster Religiosität und Liebe verbunden.

 

Zuse war es als wäre er inmitten eines großen Altares. Das mochte auch so sein. Und ein weiterer Gedanke stieg in ihm hoch: diese Welt war nicht vergangen, sie war nicht in Schutt und Asche zerfallen, nein, sie lebte noch, sie lebte in ihm weiter, belebte seine Seele, gestaltete sein Leben. Und vielleicht würde sich diese Kraft, sofern sie stark genug sei, nach außen manifestieren und wie ein Strudel anderes, ob Menschen oder Maschinen, mit in dieses Kraftfeld hinein ziehen. Ja, der Mensch ist keine Denkmaschine, wie viele glauben. Er ist mehr, er ist ein magisches Wesen, das auf noch unbekannte Art über die Naturgesetze hinweg wirken kann.

 

Der nächste Tag graute auf und Zuse wanderte weiter. Es war teilweise mühsam über die Schuttkegel zu wandern. Teilweise jedoch hatte sich über dem Schutt schon Erde abgelagert und sich der Bewuchs einer Trockenflora gebildet. Zu schnell versickerte nämlich das Regenwasser zwischen den Steinen des Untergrundes und die Humusdecke war zu dünn, um größere Mengen an Feuchtigkeit speichern zu können. In den Höfen innerhalb der Ruinen hatte sich mehr Erde abgelagert oder war schon von vornherein dort, so dass dort Bäume wachsen konnten und sich auch Wild verstecken und ernähren konnte. Das Wild war aber mühsam aufzutreiben. Deshalb beschloss Zuse, da es schon Spätherbst war, sich ein Winterquartier am Stadtrand zu suchen. An einer Stelle, wo er einerseits bequem die Wälder erreichen konnte und andererseits einen guten Zugang zur Stadt hatte. Er hatte es nicht eilig eine geeignete Stelle zu finden, Zeit hatte er jede Menge. In dieser Absicht suchte Zuse durch einige Tage den Stadtrand ab.

Dann eines Tages hatte er gefunden wonach er suchte. Zumindest schien es so. Es war ein Anwesen am Stadtrand, der jetzt schon mehr Wald als Stadt war. Wahrscheinlich war dieser Teil der Stadt in früheren Zeiten ein nobles Viertel mit Villen gewesen. Dort fand er ein Gebäude, das teilweise noch überdachte Räume hatte, von Bäumen umgeben und windgeschützt war. Und das Haus hatte für ihn eine große Überraschung bereit: in einem zentralen Raum, ähnlich einer kleinen Halle, zugleich optimal als Unterstand für seine zwei großen Roboter, stand in der Mitte die steinerne Figur einer Frau mit einem Löwen. Zuse wurde es warm ums Herz. Lange stand er vor der Figur und dachte an seine unsichtbare Gefährtin. Dann erinnerte er sich vor dem Haus mehrere abgefallene Teile der Fassadenverzierung mit Blumenornamenten gesehen zu haben. Er ging hinaus und holte einige der steinernen Blumen und legte sie zu Füßen der Statue. Es sah wie ein kleiner Altar aus und das sollte es auch sein. Nicht weit von der Statue, in einer windgeschützten Nische stellte er sein Zelt auf.

 

 

Beim Rundgang entdeckte Zuse einen Nebenraum, der wie die meisten ohne Dach war und sich bestens als Feuerplatz eignete. Schon legte Zuse Steine zu einem Kreis und sammelte Holz, um Essen zu machen. Es sollte eine Fleisch-Suppe werden. Zuse hatte herausgefunden, dass in der Umgebung viel Bärlauch wuchs. Wohl ist der Bärlauch bekannt wegen seiner wohlschmeckenden Blätter, aber die gab es um diese Zeit leider nicht. Doch waren im Boden die Zwiebel und bei dem dichten Bestand an Pflanzen war es der Mühe wert danach zu graben. Bald hatte Zuse eine größere Handvoll Zwiebel, um seine Suppe würzen zu können.

 

Nach dem Essen ging Zuse noch die restlichen Räume und den ehemaligen Garten ab und da es Abend wurde, nahm er seinen Schlafplatz in der Nähe der Statue ein. Lange blickte er noch zur Statue, bis ihm die Augen schwer wurden und zu fielen. Er träumte vom Wandern durch die Ruinen der Stadt. Dann träumte er von der Villa, die er als sein Quartier erwählt hatte. Nur war die Villa im Traum keine Ruine, sondern voll intakt und die Räume glänzten in schöner Farbe. Bilder hingen an den Wänden und schön geschwungene Möbel mit allerlei Verzierungen standen im Raum. Und dann stand sie, seine Gefährtin vor ihm. Sie lächelte ihn an. Sie strahlte Zuse unendlich viel Liebe entgegen. Eine ewige göttliche Liebe war es, tief, ewig. Und tatsächlich löste sich der Raum auf, der Sternenhimmel öffnete sich. In allen Sternen strahlte ihm Zuse ihre Liebe entgegen. Als Zuse aufwachte, merkte er, dass ihm Tränen die Wangen herab geflossen waren. Es waren Tränen des Glücks und der Freude, ihr, seiner Geliebten, wieder begegnet zu sein.

 

Am nächsten Tag beim ersten Morgengrauen, denn Zuse konnte nicht wieder einschlafen, zu sehr war er vom Traum bewegt, begann er die nähere Umgebung zu erkunden. So auch die nächsten Tage.

Dann einige Tage später beschloss er mit allen seinen Begleitern eine größere Erkundungstour durch die hügelige Umgebung zu machen. Es war dies ein Waldgebiet, das sich mit seinen Hügeln von der Westseite der Stadt bis weit ins Landesinnere erstreckte. Zuse freute sich schon auf diesen Ausflug. Immer wieder noch hatte er bei solchen Reisen interessante Entdeckungen gemacht.

 

Als Zuse den dritten Tag unterwegs war, spürte er, dass in seiner Nähe ein Tier war, das sich in Not befand. Er war für diese Feinfühligkeit dankbar. Sie hatte sich anfänglich durch die vielen Gefahren entwickelt, die seine Sinne permanent hellwach hielten und letztlich zu seinem Kontakt zur Shakti geführt, deren lebendige innere Gegenwart die Feinfühligkeit um ein Vielfaches zusätzlich verstärkte.

Zuse ging zu der Stelle hin, die er erspürte. Was er sah, tat ihm zutiefst weh. Vor ihm lag eine tote sibirische Tigerin, die sich in einer Schlinge verfangen hatte. Neben ihr war ein totes Junges, das anscheinend schon verhungert war. Ein zweites Junges schien noch zu leben. Es mochte zirka ein halbes Jahr alt sein. Als sich Zuse näherte fauchte ihn das Junge wehrhaft an, obwohl es schon stark geschwächt sein mochte. Zuse gefiel die Kraft und Tapferkeit dieses kleinen Tieres. Er wollte es in seinem geschwächten Zustand nicht zusätzlich provozieren und ängstigen, deshalb hielt er Abstand. Er hatte keine Ahnung wie lange das Junge bei seiner toten Mutter schon ausgeharrt hatte. Augenscheinlich war es bereits knapp vor dem Verhungern. Ob es wohl Schnee gegessen hatte, um den ärgsten Durst zu löschen? Zuse stellte sicherheitshalber einen Blechtopf mit Wasser vor das Tier. Sobald er sich etwas entfernt hatte, stellte er zu seiner Freude fest, dass das Wasser angenommen wurde und das kleine Tier zu trinken begann. Zuse stellte fest, mit dem geschätzten Alter eines halben Jahres konnte es schon locker Fleisch essen. Er wusste, dass Jungtiere ab 8 Wochen beginnen Fleisch zu essen und dann der Mutter auf ihren Streifzügen folgen. Das Junge musste somit über diese kritische Phase schon weit hinaus sein. Zuse entfernte sich wieder, um Wild zu jagen.

 

Mit seiner schnellen und gut denkfähigen Eskorte war sehr bald ein Reh erlegt. Zuse brachte das Reh in die Nähe der toten Tigerin und weidete es aus. Das Junge sah aufmerksam zu, die verlockende Nahrung riechend. Doch es wagte sich nicht von der toten Mutter zu entfernen. Zuse schnitt die Leber in Streifen und legte einen solchen vor das Jungtier, das ihn sofort anfauchte, als er sich näherte. Als sich Zuse wieder entfernt hatte, konnte es allerdings nicht umhin sich dem Stück Leber zu nähern und schon schlang es dieses hungrig hinunter. Zuse näherte sich wieder und legte wiederum ein kleines Stück Leber hin. Absichtlich legte er kein großes Stück hin, sondern immer nur kleine Stücke, damit sich das Junge an ihn gewöhnen würde, im Wissen dass es immer zu Fressen bekam, wenn er sich näherte. Bald schon fraß es ihm aus der Hand. Auch bekam es wiederum Wasser in einem Topf hingestellt.

 

Die Fütterung mochte etwa eine Stunde gedauert haben, als Zuse von weitem Hundegebell hörte. Es war keine Zeit mehr vorhanden, um dem Tigerkind allmählich und mit viel Geduld vertraut werden zu können. Die Zeit drängte. Deshalb nahm er eine Decke und warf sie über das Junge und wickelte es ein, so dass es seine Krallen nicht einsetzen konnte und nur der fauchende Kopf heraus sah. Wie ein Wickelkind nahm es Zuse zu sich, bestieg Sleipnir und fort ging es im Lauf zurück in Richtung des Winterquartiers am westlichen Stadtrand.

 

Der gleichmäßige Trab und der volle Magen und die ausstrahlende Körperwärme von Zuse verfehlten nicht ihre Wirkung auf das Tigerkind. Bald schlief es ein. Den Geruch von Zuse permanent einatmend würde es sich bald an ihn gewöhnen, so hoffte er.

 

Wieder zurück im Winterquartier wählte Zuse einen kleinen Nebenraum mit nur einem Eingang und einer noch funktionsfähigen Türe, die sich sogar noch schließen ließ. Er wollte nicht, dass sich das Tigerkind auf der Suche nach seiner Mutter verlaufen würde. Ein wenig musste es leider Hausarrest haben, bis es sich an Zuse gewöhnt hatte. Zuse, der das strampelnde Tigerkind während der ganzen Aktion mit sich getragen hatte, wickelte es nun aus der angepissten Decke heraus. Dann legte er ihm einige Fleischstücke hin, eine Schale zum Trinken und richtete einen Kuschelplatz her zum Schlafen. Zuse war sehr erleichtert, als er feststellte, dass das Tigerkind zwar sehr unruhig war, aber nicht mehr versuchte ihn anzugreifen, und dass es seine Nähe duldete. Deshalb blieb Zuse immer wieder auf eine Stunde bei seinem Findling und beschloss auch bei diesem zu übernachten.

 

Nach einigen Tagen hatte sich das Tigerkind an Zuse gewöhnt und begann ihn mehr und mehr an Stelle der Mutter zu akzeptieren. Das Tigerkind war ein Mädchen und Zuse nannte es Lala. Lala war eine einst berühmte Mystikerin aus Kashmir, deren Gedichte Zuse sehr liebte und, um sie zu ehren, sein Findelkind nach ihr benannte.

 

 

Zuse mit Lala

Der Sklave

 

 

Zuse war nun schon einige Wochen in seinem Winterquartier am Stadtrand. Botanische Expeditionen hatten jetzt im Spätherbst wenig Sinn. Anstelle dessen hatte er vom großen Beschützer den Auftrag die Stadt nach illegalen Schlupfwinkel zu durchsuchen. Offenbar war sich der große Beschützer nicht ganz sicher, dass es nicht an versteckten Orten noch immer Widerstandsnester von Kriegsrobotern gäbe, die einmal den großen Beschützer bekämpft hatten, um ihr eigenes Großreich aufzubauen. Deshalb machte Zuse täglich Ausflüge durch die Ruinen der Stadt, schickte seine Roboterhunde durch Kanalisationen, ehemalige U-Bahnschächte, Keller und was es sonst noch an Schlupfwinkel geben mochte.

Gelegentlich auch machte er zur Nahrungsbeschaffung Ausflüge in die umliegenden Wälder. Seine zwei Roboterhunde hatten hierbei die Anweisung nicht mit ihren Schusswaffen zu jagen, sondern zusammen mit dem Tigerkind Lala sich dem Wild anzuschleichen und ihr das Jagen beizubringen oder wenigstens Lala zusehen zu lassen, damit sie auf diese Art das Jagen erlerne. Das Wild musste mit den Zähnen erlegt werden. Lala spielte eifrig und aufgeregt mit. Sie bekam auch nach jeder Jagd die Leber und andere Leckerbissen.

 

Hin und wieder machte Zuse längere Ausflüge, die dann mehrere Tage dauerten. So auch diesmal. Er war bereits drei Tage unterwegs und hatte im Freien übernachtet, wobei Lala wie üblich eng an ihn angeschmiegt war. Es gehörte zum Ritual, dass Zuse sie zärtlich durch mindestens eine halbe Stunde kraulte und streichelte bis sie einschlief. Sie war ja noch ein Kind und bedurfte der körperlichen Zuwendung, die sie auch reichlich bekam und nicht nur vor dem Einschlafen.

 

Als Zuse am zeitigen Morgen aus dem Zelt kroch, Lala dicht an seiner Seite, sah er eine dicke Schneeschicht welche die Bäume und die Lichtung bedeckte, in der sie übernachtet hatten. Zuse genoss den Anblick des weiß leuchtenden Neuschnees.

 

Zur Morgentoilette rieb er sich mit Schnee ein, was ihn wohlig belebte. Lala tat es ihm gleich und wälzte sich im Schnee. Anschließend setzte sich Zuse noch zu einer kurzen Meditation hin und begrüßte innerlich Shakti, die lebendige göttliche Kraft in ihm. Dann richtete er sich auf seine Gefährtin aus und gab ihr einen imaginären Kuss und damit hatte der Tag seinen glücklichen Anfang, so wie es sein sollte.

 

Bald war der Lastenroboter mit dem Zelt beladen und los ging es. Zuse stapfte zusammen mit Lala neben den Robotern durch den Schnee. Er ging barfuß, weil sich dies so weich und angenehm anfühlte. Zuse bevorzugte es prinzipiell zu gehen und machte nur selten Gebrauch davon von Sleipnir getragen zu werden. Den verwendete er eher zur Jagd, wenn seine Roboterhunde zusammen mit Lala erfolglos waren. Für Zuse war Fleisch nur eine Notnahrung, doch im Spätherbst und erst recht jetzt, wo alles von Schnee bedeckt war, war es beinahe unmöglich Kräuter oder Beeren zu finden.

 

Still war es, nur gelegentlich hörte man Schnee von den Ästen rutschen. Es war das erste Mal, dass Schnee gefallen war und das sogar sehr reichlich. Für Zuse brachte dieser Tag eine neue, verzauberte Welt, der er ohne Sorgen, ohne Kälte und ohne Hunger entgegen sehen konnte. Im Inneren pries er seine Verbannung aus der Stadt und vor Freude umarmte er noch einmal seine Gefährtin, obwohl er sie nur gelegentlich im Traum gesehen hatte. Sie lebte in seiner Liebe und in verschütteten Erinnerungsfetzen aus einer uralten Zeit. Dennoch fühlte er sie so lebendig, dass er vermeinte mit ihr Gefühle austauschen zu können, obwohl es eine schweigende Nähe war.

 

Es waren einige Stunden vergangen, als er Axtschläge hörte. Sofort wurde Zuse vorsichtiger. Eine solch kleine und friedfertige Gruppe, wie er sie in der ehemaligen Forschungsstation angetroffen hatte, war sicherlich eher eine Ausnahme.

Zuse befahl eine andere Richtung einschlagen. Doch Sleipnir weigerte sich den Befehl auszuführen und sprach zu Zuse: "Ich bin ein erfahrener Kriegsroboter und dein Beschützer. Bei Gefahr hat meine Entscheidung gegenüber deiner Vorrang. So lautet der Befehl des großen Beschützers. Es sind hier in der Umgebung verschiedene Fallen aufgestellt, deshalb werden wir die Richtung beibehalten.

 

Sleipnir näherte sich langsam der Gruppe und als er nahe genug war, stürmte er mit den anderen Robotern vor, die auf seine Anweisung zusätzlich laut wie Löwen brüllten und ihre Warnschüsse knapp vor den Wächtern zischend in den Schnee schossen. Lala begriff das nicht. Für sie war das eine Jagd und sie wollte unter allen Umständen von Sleipnir springen, um der Jagd voran zu eilen. Zuse musste sie mit allen Kräften festhalten und fing so manchen Kratzer ab.

 

Als die Gruppe vor stürmte, flohen die Leute nach allen Seiten. Sleipnir stürmte unbeirrt weiter. Plötzlich war vor ihnen ein Mann zu sehen, der eiligst davon zu laufen versuchte. Schon war er vor Sleipnir, und drohte von dessen Füßen niedergetrampelt zu werden. Da ergriff ihn Sleipnir und hob ihn aus der Gefahrenzone hoch, ohne seinen Lauf einzubremsen. Sie liefen noch zehn Minuten weiter, als Sleipnir endlich stehen blieb und den Mann absetzte, ihn aber nicht los ließ. Dann sprach er zu Zuse. "Dieser Mann war mir im Weg und er wäre beinahe unter meine Füße gekommen und niedergetreten worden. Deshalb habe ich ihn abgefangen und hochgehalten. Ich erkenne an seiner Signatur, dass er ein Ausgestoßener ist. Wahrscheinlich hat er unter diesen Leuten als Sklave gelebt."

 

Zuse fragte den Mann, ob es richtig wäre, was sein Transportroboter sagte.

Der Mann bestätigte, dass er ein Ausgestoßener sei und als Sklave gehalten wurde.

"Du bist frei und kannst hingehen wohin auch immer du willst", sprach ihn Zuse an.

Doch dieser schien über das Angebot nicht glücklich zu sein, sondern sah ihn flehentlich an und bat: bitte lasse mich bei dir sein. Ich will dir gerne in Gehorsam als Sklave dienen. Ich bin durchaus kräftig, um auch schwere Arbeit erledigen zu können."

Zuse hatte nicht mit dieser Situation gerechnet. Er war darüber verwirrt und dann kam ihm die Idee, dass jener ehemalige Sklave wohl großen Hunger hätte und so erlaubte er ihm sich auf Sleipnir zu setzen.

"Ich werde mir das überlegen. Bis dahin kannst du hinter mir auf der Gepäckplattform sitzen. Wir werden ein Wild jagen und uns Essen machen. Nach dem Essen werde ich entscheiden."

 

Zuse befahl den zwei mechanischen Windhunden Jagd nach einem Kleintier zu machen. Wenn die Windhunde mit ihren Lasergewehren auf ein Wild schossen, so blieb wenigstens noch etwas von dem Wild über. Sleipnir jedenfalls war von der Jagd ausgeschlossen. Während sie weiter ritten kamen sie ins Gespräch.

"Wie heißt Du", fragte ihn Zuse.

"Lynx", bekam er zur Antwort. Zuse stellte sich seinerseits vor.

 

 

Lynx

 

"Wieso legst du so viel Wert darauf mein Sklave zu werden? Weißt du die Freiheit nicht zu schätzen?"

Lynx gestand ihm, dass er allein und auf sich gestellt nicht fähig wäre den Winter zu überleben. Er wäre aus einer Stadt verstoßen worden und hätte nie zu jagen und zu fischen gelernt. Auch kenne er die Kräuter nicht, um giftige von genießbaren Pflanzen zu unterscheiden.

Auf die Frage, was er in der Stadt gewesen wäre, bekam er zur Antwort, dass er wissenschaftlicher Techniker war. Zuse wurde hellhörig. Ein Mensch mit einer solchen Ausbildung könnte ein wertvoller Ratgeber bei der Erfüllung des Auftrages vom großen Beschützer sein, und ihm helfen während des Winters die Stadt zu durchsuchen. Und da ihm Lynx sehr sympathisch war, beschloss er den großen Beschützer zu fragen, ob ihm Lynx als Begleiter genehmigt sei.

 

Das Gespräch, das Lynx dann hörte, mag seltsam erscheinen, aber Lynx als Techniker waren derlei Kommunikationen durchaus vertraut.

 

Zuse sprach laut in den Wald hinein: "Ich bin einem technischen Wissenschafter namens Lynx, der aus der Stadt 814 ausgestoßen wurde, begegnet. Dieser Wissenschafter möchte sich der Expedition anschließen. Da sein Wissen meines Erachtens beim Aufspüren eventueller Schlupfwinkel in der Stadt von Wert sein könnte, frage ich den großen Beschützer, ob es genehmigt ist, dass er sich der Expedition anschließt."

Kaum war die Frage gestellt, gab Sleipnir in autoritärem Tonfall die Antwort: "Der große Beschützer genehmigt dem technischen Wissenschafter Lynx sich der Expedition anzuschließen."

Als nächstes wendete sich Zuse zu Lynx und sagte ihm: "Du hast es gehört, es ist dir genehmigt dich uns anzuschließen."

Lynx' Gesicht strahlte auf. Selten hatte Zuse einen derart glücklichen Menschen gesehen.

 

Zuse hatte mit der Genehmigung gerechnet, da diese Situation dem großen Beschützer keine weiteren Ressourcen abverlangen würde, und dies zusätzlich für den gegenwärtigen Auftrag nach geheimen Fertigungshallen zu suchen von Vorteil schien.

 

Bald näherte sich der Abend und es wurde Zeit das Nachtlager aufzuschlagen. Lynx wurde in die Tätigkeiten für den Aufbau eines Nachtlagers eingewiesen und half in geschickter Weise mit. Während er mit dem Aufbau des Zeltes befasst war, konnte er seine Neugierde nicht mehr kontrollieren, und stellte immer wieder über die Roboter detaillierte Fragen. Als Techniker schien ihn das zu interessieren, zumal die Roboter exotische Herstellungstypen waren. Zuse hatte Verständnis für den Wissensdrang eines Technikers und erklärte ihm die Aufgabengebiete der Roboter, wobei speziell der Tragroboter mit seinem Labor und den Drohnen Lynx' höchstes Interesse erregte. Nach diesen spannenden Informationen und einem heißen Mahl und der Übergabe wärmender Kleidung fühlte sich Lynx wie im siebenten Himmel.

 

Zuse und Lynx legten sich beide ins Zelt. Es war etwas eng für zwei Personen und mit Lala, die neben Zuse keinen Platz mehr hatte und sich deshalb auf ihn legte war es auch nicht besser. Immerhin, Zuse stellte an ihrem Gewicht fest, dass sie in der Zwischenzeit schon einige Kilo zugenommen hatte und sich anscheinend prächtig entwickelte.

Lynx schlief bald ein, doch Zuse, der nicht gewöhnt war zu zweit, außer mit Lala natürlich, in einem engen Zelt zu sein, fand keine richtige Ruhe. Deshalb kroch er nach zwei Stunden unruhigen Schlafs aus dem Zelt, nahm sich eine Decke vom Tragroboter und setzte sich unter freiem Himmel zum Schlafen hin. Lala folgte ihm und kuschelte sich eng an ihn heran. Für Zuse war eine Nacht im Freien durchaus in Ordnung. Meistens schlief er hierbei in Sitzhaltung oder schräg an etwas angelehnt. In letzter Zeit hatte er sich angewöhnt auf einigen Decken als Unterlage und einer Decke darüber zu liegen, deshalb, weil sich dann Lala besser an ihn ankuscheln konnte. Der Schlaf war üblicherweise ein leichter Schlaf. In diesem pendelte er zwischen Wachen und Schlafen mit kurzen Tiefschlafperioden und längerem REM-Schlaf, wobei er dann meist tagbewusst (luzid) war.

 

Diesmal war eine sternklare Nacht mit einer kühlen, sauerstoffreichen Luft. Es war ein Erlebnis den sternenübersäten Himmel über sich zu sehen, von einem Meer von beinahe blauweißem Schnee umgeben zu sein, eingebettet in absoluter Stille, in der selbst seine Gedanken schwiegen. Es herrschte Gedankenstille in Zuse, nicht weil er es so wollte, sondern weil es für ihn in diesem Augenblick das Natürlichste war und alles andere störend gewesen wäre.

Diese Nacht war er wieder an einen Baumstamm gelehnt gesessen. Lala hatte ihren Kopf auf seinem Schoß. Zuse kraulte sie am Hals. Einige Male schon hatte er damit aufgehört, doch Lala hatte ihn angestupst, weil sie weiter gekrault werden wollte. Es war gegen Morgen und es wurde allmählich heller. Zuse schlief kurz ein und befand sich wie so oft in einem luziden Traumzustand. Es war ihm, als ob er mit offenen Augen an den Baum gelehnt sitzen würde. Alles sah nämlich so wie in der realen oder besser gesagt der materiellen Welt aus. Dennoch, Zuse, der mit diesen Zuständen vertraut war, fühlte, dass seine Augen geschlossen waren. Da kam aus der weißen schneebedeckten Stille des Waldes eine Gestalt auf ihn zu. Eine junge Frau mit einem Löwen an ihrer Seite. Sie näherte sich Zuse und blieb vor ihm stehen. Sie war ihm sehr vertraut, so als würde er sie schon immer kennen. Dennoch, weil sich sein Tagesbewusstsein schon regte fragte er sie:

"Bist du meine Gefährtin?"

"Ja, ich bin deine Gefährtin, Tochter der Sachmet, seit langer Zeit in Liebe mit dir verbunden. Ich bin eine Kriegerin, so wie du ein Krieger bist. Auf deinem bisherigen Weg habe ich dir in manchem geholfen. Ich werde an deiner Seite bleiben und gemeinsam werden wir noch so manche Gefahr bestehen. Es ist ein seltsames Zeitalter, in dem wir uns jetzt befinden."

Zuse drängte sich die Frage auf: "bitte sage mir, woher wir uns kennen!"

Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, da sah er eine südliche Landschaft vor sich und jene Frau mit einem Mann an ihrer Seite, von dem Zuse den Eindruck hatte, dass er dieser Mann einmal gewesen war. In dem Bild hatte er einen Speer in der Hand und beide waren sie in altägyptischer Kleidung.

 

Einige Zeit später verblasste das innere Bild. Auch die Frau und der Löwe waren nicht mehr zu sehen. Zuse war tief ergriffen, gerne hätte er jene Frau noch länger in seiner Nähe gehabt.

 

Zuse blieb wach, die Atmosphäre und Vertrautheit, die er in Anwesenheit jener Frau hatte, auskostend. Wie seltsam sich manches zu wiederholen schien. Auch damals war er zusammen mit dieser seiner Gefährtin auf Wanderschaft. Ohne Heimat waren sie durch Länder gewandert und doch nicht verstoßen oder heimatlos im engeren Sinne. Die Welt war ihr Zuhause und kein enger und bindender Ort.

 

Zuse verglich die damalige Wanderung mit dem Jetzt. Wie sehr war die jetzige Situation doch wiederum unterschiedlich. Er saß auf seinem zusammen gefalteten Schlafsack mitten im Schnee, jener kühlen weißen Watte, die ihm damals in jenen südlichen Ländern unvorstellbar fremd gewesen wäre. Aber auch diese Welt jetzt hatte ihre Schönheiten. Eines aber war ähnlich mit jener damaligen Wanderung. Seine Gefährtin hatte Geparden zu ihrer Seite und er jetzt hatte ein Tigerkind als Begleiter. Ob das ein Zauberspiel seiner Löwengöttin oder Gepardengöttin war?

 

Noch während Zuse seinen Gedanken darüber nach hing, kam ein Hase daher gehoppelt, blieb zwei Meter vor ihm stehen, machte ein Männchen und sah ihn neugierig an. Dann blickte der Hase zu Lala, die ihn neugierig betrachtete, sich jedoch nicht rührte. Dennoch war dem Hasen ihr aufmerksamer Blick suspekt und er hoppelte schnell weiter.

 

 

 

 

Zurück im Winterquartier

 

Zuse begab sich mit seiner Gruppe zurück zum Winterquartier. Teilweise ging er zu Fuß, doch da der Schnee so an die 30 cm tief war, war das Wandern trotz dem guten Training für ihn ermüdend und anstrengend. Nachdem seine mechanischen Windhunde ein größeres Wild erlegt hatten, gab es keinen Anlass, weiter  in der Waldgegend zu verbleiben. Zuse nahm die zwei Roboterhunde, die im Schnee wegen ihrer Kleinheit keine größere Geschwindigkeit erzielen konnten zu sich auf Sleipnir, wo sie sich übereinander legten, zu Füßen von ihm und dann ging es in einem flotten Lauf zurück zum Winterquartier.

 

Dort angekommen waren einige Ausruhtage fällig, die dazu vorgesehen waren Lynx und Zuse in Gesprächen einander näher zu bringen. Zuse erzählte seine Geschichte und Lynx war überrascht über die wohl seltene halb freie Zusammenarbeit eines Ausgestoßenen mit dem großen Beschützer.

 

Lynx erzählte Zuse auch seine Geschichte, die nicht minder interessant war.

 

Lynx war wissenschaftlicher Techniker, ein Forscher, wobei sein Spezialgebiet der Funktionsvergleich zwischen menschlichem Gehirn und den Denkleistungen höherer Roboter, speziell von Androiden war. Es war ein spannendes Forschungsgebiet, wenngleich eine Gratwanderung, die Lynx letztendlich nicht geschafft hatte. Es ist ja klar, dass ein Forscher mit Leib und Seele nicht emotionsfrei arbeiten kann. Das galt auch für Lynx. Das wäre noch in Ordnung gewesen. Doch Lynx hatte paranormale Veranlagungen. Da sich diese nicht in das übliche wissenschaftliche Gebiet einordnen ließen, für Lynx aber erwiesen waren, faszinierten sie ihn umso mehr. Nach den Auffassungen von Lynx waren sensible Menschen für diese außerordentlichen Leistungen fähig, jedoch nicht Androiden oder andere Roboter. Diese Auffassung machte Lynx dem großen Beschützer suspekt. Doch solange Lynx nicht zu anderen darüber sprach, war seine sogenannte Fehlmeinung toleriert. Und Lynx sprach nicht zu anderen, weil er nichts von seinen Auffassungen beweisen konnte und sich damit auf wissenschaftliches Glatteis begeben hätte. Lynx schwieg also in Hinblick auf seine Interessen für diese wissenschaftlichen Grenzgebiete und forschte immer intensiver auf diesem Gebiet weiter. Er vertiefte sich derart in diese Forschungen, dass sein ursprüngliches Forschungsgebiet immer mehr in die Peripherie rückte. Das war vom großen Beschützer toleriert, ja sogar gut geheißen und Lynx bekam jegliche Unterstützung für seine wohl ausgefallenen Interessen. Im logischen Denken waren Androiden besser als Menschen und es wären vom großen Beschützer niemals Menschen als Wissenschafter ausgebildet worden, wenn darin nicht ein Vorteil gewesen wäre. Der Vorteil Menschen als Wissenschafter einzusetzen ergab sich dadurch, dass Menschen eine Eigenschaft hatten, die sie Fantasie nannten und mittels der Fantasie Forschungen in Gebieten voran trieben, die von der Logik her unwichtig oder absurd erschienen und bisweilen dennoch zu überraschenden Neuentdeckungen führten. Nachdem Lynx dem großen Beschützer telekinetische Effekte vorzeigen und deren Existenz beweisen konnte, war der große Beschützer durchaus an dieser Forschung interessiert.

 

Lynx fragte sich, weshalb manche Menschen zu paranormalen Phänomenen fähig wären und Roboter nicht. Er suchte in der Literatur nach, in Aufzeichnungen über Spiritismus und Paranormales aus der Altzeit und kam dem Phänomen etwas näher. Hierbei stieß er auf eine physikalisch nicht nachweisbare Substanz, "das Fluid" oder "der Äther", wie diese Substanz/Energie von den Okkultisten genannt wurde. Die Physiker verwendeten ebenfalls den Begriff "Äther", verstanden aber darunter wiederum etwas anderes.

 

Für einen Forscher war es zwar gewagt, aber dennoch kein Fehler eine physikalisch nicht nachweisbare Substanz zu postulieren, noch dazu, wo nicht nachweisbare Substanzen oder Energien in der Physik keinen Einzelfall darstellen. Es gab ja auch die von der Astrophysik postulierte dunkle Materie und dunkle Energie, die beide lange ein bloßes Postulat waren, bis es dann endlich gelang sie nachzuweisen. Allerdings waren es indirekte Nachweise, welche Auswirkungen der Gravitation und Wechselwirkungen mit der regulären Materie zeigten, jedoch keinen Aufschluss über den Aufbau der dunklen Materie und Energie selbst gaben. Der Beweis der Existenz dunkler Materie und Energie, war allerdings nur ein winziger Schritt, der mehr Fragen offen ließ als er zu beantworten vermochte. Man konnte dunkle Materien und dunkle Energie nach wie vor weder erzeugen noch in Details erklären. Damit zeigte sich: Wissenslücken gab es schon immer und warum sollte es somit nicht auch eine nicht nachweisbare Fluidalsubstanz beziehungsweise Äthersubstanz geben können. Es gab sogar vor beinahe 200 Jahren einen Forscher namens Schrenk-Notzig, der allerlei Versuche mit dieser Substanz durchführte. Darunter etwa Versuche der Leitfähigkeit. Zu seinem Leidwesen brachten diese Versuche jedoch die unterschiedlichsten Resultate, und zwar deshalb, weil diese ominöse Energie in gleitenden Dichten von 0 bis zur materiellen Verdichtung in Erscheinung treten kann.

 

Es ist nun so, dass ein Mensch sich besser kreativ entfalten kann, wenn er sich mit anderen seines Faches austauschen kann. Selbst wenn ihm keine neuen Ideen zugebracht werden, lernt er durch das Gespräch seine eigenen Vorstellungen zu präzisieren und zu artikulieren, was bereits ein großer Gewinn ist. Als Lynx ausgefeilte und immer stärker ins Detail gehende Theorien entwickelt hatte und sich darum bemühte diesen Äther mittels exotischer Anordnungen zu erzeugen, war es für ihn so weit, dass er sich nicht mehr zurück halten konnte und seine Ansichten mit anderen Technikern zu teilen begann. Das erzeugte nach Ansicht des großen Beschützers Unruhen und Desinformationen. Er isolierte hierauf Lynx indem er ihn aus der Stadt verwies und in ein externes Forschungslabor für höhere Robotertechnik versetzte, das im Prinzip nur von Androiden geführt wurde und zu dem keine Menschen Zutritt hatten. Hier konnte Lynx weiter forschen und erhielt für seine Forschungen jegliche Unterstützung. In diesem Labor durfte er auch mit wissenschaftlich tätigen Androiden diskutieren, die zwar Interesse für seine Thematik hatten, sich hierfür jedoch nicht richtig erwärmen konnten. Der häufigste Gesprächspartner unter allen Androiden war der leitende Androide der Forschungsabteilung. In unmittelbarer Nähe war ein unterirdischer Komplex zur Fertigung von Androiden. Es gab keinen Wunsch bezüglich experimenteller Ausstattung und technischer Ressourcen, den dieser Androide Lynx nicht erfüllte. Etliche Androiden bekamen die Anordnung die Experimente von Lynx zu überprüfen oder gar durchzuführen. Es war die kuriose Situation, dass ein ausgestoßener Mensch Androiden, diese hohen und sonst bestaunten Wesen, gleichsam als Angestellte unter sich hatte. Aber Lynx fiel das nicht auf, er war zu sehr mit den Ideen seiner Experimente beschäftigt.

 

Eines Tages, auf höhere Anweisung, wurde der Forschungsstation ein neuer Schwerpunkt zugeteilt und die Forschungen von Lynx passten in keiner Weise mehr zu der neuen Thematik und wurden abgeblockt. Das hatte zur Folge, dass Lynx die Station verlassen musste. Da er in keine Stadt mehr zurück durfte, begann damit die schwerste Zeit seines Lebens. Das war vor einem halben Jahr. Es waren keine zwei Tage nach Verlassen der Forschungsstation vergangen, als er hungrig und nicht einmal noch weit entfernt von der Forschungsstation von einem wilden Stamm aufgegriffen und versklavt wurde.

 

Die Forschungsstation ist keine Tagesreise von hier entfernt, meinte Lynx. Ihre Existenz ist zwar den umliegenden Städten bekannt, jedoch nicht ihr eigentliches Aufgabengebiet und ihre Ausstattung. Derlei Details hielt der große Beschützer prinzipiell vor den Städten geheim.

 

"Da ist mir einiges rätselhaft", meinte Zuse. "Dass sich der große Beschützer sein Monopol und seine Unentbehrlichkeit vorbehalten wolle, um seine globale Vormachtstellung beibehalten zu können, ist mir verständlich. Doch da gibt es eine weitere Sache, die mir unerklärlich ist. Für die Zeit des Winters habe ich einen speziellen Auftrag bekommen, der nichts mit Biologie zu tun hat. Das ist auch der Grund weshalb ich in den Ruinen dieser ehemaligen Großstadt mein Winterquartier aufgeschlagen habe. Der große Beschützer hat mich angewiesen, nach getarnten Labors oder Produktionsstätten zu suchen. Hierzu sind mir die zwei bionischen Windhunde mitgegeben worden. In dieser Hinsicht verstehe ich einiges nicht. Erstens frage ich mich, wer solche Labors oder Produktionsstätten betreiben sollte. Ein jedes Labor oder erst recht eine Produktionsstätte bedarf einer Vielzahl von Rohstoffen und sonstiger Ressourcen. Die würden sich wohl nicht geheim herbeischaffen lassen. Und weiters sage ich mir, dass es ein Leichtes sein müsse, solche Labors mittels einer Drohne zu orten."

 

Lynx dachte kurz nach. "Zur letzten Frage: aus der Luft lassen sich solche Labors in keiner Weise orten. Derlei Labors befinden sich allesamt in einem Faradayschen Käfig, weshalb keine elektromagnetischen Felder nach außen frei gesetzt werden.

Sogar reguläre elektronische Produktionsstätten und Labors des großen Beschützers sind durch einen Faradayschen Käfig abgeschirmt. Das ist eine Gepflogenheit, die schon seit hundert Jahren beibehalten wird. Damals hatte man alle wichtigen Anlagen solcher Weise abgeschirmt, um einen Ausfall durch einen Elektromagnetischen Puls (EMP) zu verhindern, wie er mittels der Zündung einer feindlichen Atombombe in der Stratosphäre breitflächig entstehen kann. Alle Raketensysteme wären dadurch ausgefallen und ein Gegenschlag wäre nicht möglich gewesen, wären diese Anlagen nicht durch Faradaysche Käfige abgeschirmt gewesen."

 

"Um diesen zweiten Teil der Frage noch zu ergänzen. Die Anwesenheit von Menschen in solchen Anlagen würde sofort deutlich erkennbare Spuren hinterlassen: Ausstoß von Kohlendioxid, Abfälle, Nahrungsnachschub und anderes mehr. Kein Wunder, dass in allen diesen Anlagen keine Menschen tätig sind.

Was allerdings den ersten Teil deiner Frage anbelangt, nämlich wer das sein könnte, ist mir auch dies rätselhaft. Ich würde hierfür nur eine einzige Erklärung wissen: der große Beschützer selbst ist der Betreiber solcher Anlagen. Durch diesen Auftrag soll getestet werden wie gut oder schlecht diese Anlagen geschützt sind. Du und jetzt wir, wären in diesem Fall so etwas wie Tester und Systemprüfer. Nun ja, wenn ich mich da so hinein lebe, kommt mir noch eine Idee, eine eher sehr unangenehme Idee. Vielleicht könnte es noch schlafende Nester der Kriegsroboter geben, die sich still verhalten und auf eine für alle dieser schlafenden Nester gültige und vorgegebene Zeit warten, um dann ohne externes Kommando gleichzeitig und damit geballt losschlagen zu können."

 

Tatsächlich schien sich zumindest die erste Vermutung von Lynx zwei Wochen später zu bewahrheiten. Auf einer der Touren durch die Stadt, wollte Lynx einen Keller innerhalb eines Ruinenkomplexes durch die zwei mechanischen Hunde überprüfen lassen. Die Hunde weigerten sich den Auftrag durchzuführen und zum Erstaunen von Zuse und Lynx sprach einer der Hunde laut: "der große Beschützer verbietet dieses Areal zu untersuchen und fordert die Gruppe auf sich diesem Ort fern zu halten."

 

Shaktipat

 

 Definition von Shaktipat:

Shaktipat (oder Shaktipad) ist ein Sanksritwort, das im Yoga verwendet wird und so viel wie "Energieübertragung" bedeutet. Wie man aus dem Wortteil "Shakti" schließen kann, geht es bei dieser Form der Energieübertragung in erster Linie um die Übertragung von Kundalini-Energie, welche die dichteste Manifestationsform der Shakti ist. Es handelt sich hierbei um eine Anregung oder Erweckung der Kundalini in der Art einer Resonanz, sofern die empfangende Person weit genug entwickelt und sensibel ist. In diesem Fall können mittels Shaktipat innerhalb von Sekunden Prozesse in Gang gesetzt werden, zu denen Yogapraktizierende mit den üblichen Techniken Jahre benötigen.

 

Für Zuse und Lynx war die kalte Jahreszeit eine geruhsame Zeit. Zwar machten sie immer wieder ihre Runden durch die Stadt, doch die Schnüffeltätigkeit erfolgte in erster Linie durch die zwei bionischen Windhunde, während die Interessen von Zuse und Lynx eher den Fassadenfiguren galten, den alten Kirchenresten und sonstigen Kunstschätzen. Lynx ließ sich von Zuse vieles aus der Altzeit erklären. Sie fotografierten eifrig und legten sich ein allmählich umfangreiches Bildarchiv an, mit automatischer Standortangabe. Gleichzeitig legten die zwei bionischen Hunde ein Archiv ihrer durchforschten Gänge an. Oft waren die zwei Hunde durch Stunden unterirdisch unterwegs und kamen erst am Abend oder mitten in der Nacht von ihren Wanderungen zurück. Zuse und Lynx bewunderten das immer umfangreicher werdende Hologramm der Gänge und Höhlungen der unterirdischen Stadt.

 

Abgesehen von dem Aufspüren von Kunstobjekten lag die Haupttätigkeit der beiden in den Yogaübungen. Zuse versuchte erfolgreich über seine Hände Energie auszustrahlen, um solcherart die Kundalini von Lynx entlang dessen Wirbelsäule zu beleben. Er lehrte ihn das nach innen Lauschen und eine Verbindung zu seiner Shakti herzustellen, jener inneren Intelligenz, die autonom entscheiden konnte und doch ein Teil des inneren Menschen ist. Es war immer schon verwirrend für  Menschen mit eigenen inneren autonomen oder scheinbar autonomen Instanzen konfrontiert zu werden. Das begann bereits mit scheinbar eigenständigen Traumgestalten. Lynx ging es anfangs nicht besser. Es entwickelte sich folgendes Gespräch:

Lynx: "Ich dachte immer ich würde über mich selbst bestimmen. Dass da in mir autonome Einheiten sind, die machen was sie wollen, bereitet mir einiges Unbehagen."

Zuse: "Du kennst doch sicher den Begriff des UBW, des Unbewussten. Das UBW ist ja auch zum größten Teil autonom. Es übergibt nur Teile seiner Informationen dem Zugriff des Bewusstseins. Ist also ein autonomes Modul."

Als Lynx das Wort "Modul" hörte, hellte sich sein Gesicht auf. "Ja klar", sagte er, jetzt verstehe ich. Ein Android hat zum Beispiel ein autonomes Zentrum für die Beinbewegungen in seiner Beckenregion. Wenn ein Android aus dem Gleichgewicht kommt, so befiehlt nicht sein Denkzentrum im Kopf, welches Bein er nun bewegen soll und wohin. Es ist sein Gleichgewichtszentrum in der Brust, welches sich um diesen Vorgang kümmert, es sei denn es erhält einen übergeordneten Befehl vom Denkzentrum im Kopf. Als Folge einer registrierten Kippbewegung meldet das Gleichgewichtszentrum zum Beispiel "Schwerpunkt hat sich nach rechts verschoben", etwa so wie in der folgenden Skizze."

Lynx zeichnete in den Staub einen Kreis mit einem Punkt in der Mitte und einem weiteren Punkt seitlich.

 

 

Meldung mit Bewegungsbild: "Schwerpunkt hat sich nach rechts verschoben".

 

Lynx erklärte weiter: "Das Gleichgewichtszentrum teilt dem Beinbewegungszentrum in der Beckenregion mit, dass der Schwerpunkt sich verschoben hat und wie weit sich dieser verschoben hat. Das Gleichgewichtszentrum meldet dies getaktet in kurzen Zeiteinheiten. Je nachdem wie schnell und wie weit sich der Schwerpunkt verschiebt, entsprechend schnell und weit muss das Beinbewegungszentrum etwa das rechte Bein versetzen und das Gewicht oberhalb des Beckens verschieben, so dass der Gleichgewichtspunkt wieder in die Mitte rutscht."

"Ah", sagte Zuse, "Wenn ich dir den Menschen erklären will, muss ich bei den Verhaltenssystemen von Androiden beginnen. Ja, klar!"

Beide lachten.

Zuse: "Jetzt zeichne ich dir eine Skizze. Schau, hier oben ist ein Kreis. Das ist die Shakti. Hier unten zeichne ich vier Kreise. Das sind vier Module der Shakti."

 

 

Shakti und die von ihr kontrollierten Funktionen

 

Zuse setzte die Erklärung fort: "Die vier irdischen Module der Shakti sind:

 

·        Energien – darunter versteht man die körperlich vitalen und die fluidalen Energien

·        Anima – das ist eine psychische Großeinheit mit mehreren Untereinheiten

·        UBW – das ist eine Speichereinheit von Erinnerungen wie Ereignisse und sonstige Informationen, wie etwa Erlerntes.

·        Gefühle – das ist eine emotionelle Gewichtung, welche den Grad der Bedeutung und die Qualität eines Faktums bewertet.

 

Du siehst, die meisten Inhalte aller dieser vier Module sind dem Menschen nicht bewusst. Die Shakti ist somit eine personifizierte Instanz, welche diese vier oder vielleicht mehr Module verwaltet. Weshalb neigen die Yogis dazu diese Instanz zu personifizieren und ihr eine menschliche oder übermenschliche Qualität zu geben? Einfach deshalb, weil man mit einem Menschen reden kann und mit einer Funktion nicht. Die Shakti ist also eine Funktion, welche zu einer lebendigen personifizierten Erscheinungsform erhoben wurde, zum Zwecke einer Kommunikation. Es ist ähnlich wie bei Traumfiguren, die ja auch psychische Inhalte repräsentieren und gleich Menschen im Traum in Erscheinung treten. Die Bewusstwerdung der Shakti ist nur bei Menschen möglich, die einen hohen Bewusstseinsgrad erworben haben. Menschen, die unbewusst getrieben werden und ihren Instinkten gehorchen, bei denen ist auch die Shakti unbewusst und es ist ihnen unmöglich mit der Shakti zu kommunizieren. Im Gegenteil, oft sind alle diese Einheiten in jenen Menschen unterdrückt, weil sie ihre Unterentwicklung nicht wahrhaben wollen. In diesem Fall sind die Untereinheiten und somit die Shakti dem Menschen Feind.

·        Die Kundalini-Shakti zum Beispiel äußert ihr Ungleichgewicht durch Krankheiten.

·        Die Anima äußert ihr Ungleichgewicht durch gescheiterte Partnerschaftsbeziehungen.

·        Das UBW äußert sein Ungleichgewicht durch ein entsprechendes Schicksal.

·        Die Gefühle äußern ihr Ungleichgewicht durch Aggression, Hass und schlechte Eigenschaften – das geschieht in diesem Fall durch Projektion des eigenen Zustandes auf andere Menschen."

 

Lynx stellte noch einige Fragen und bald schon war ihm dieses Prinzip inklusive der ungewohnten Personifikation einer Shakti nicht nur klar, sondern er konnte sich es gar nicht mehr anders vorstellen. In kurzer Zeit schon praktizierte er die innere Hitze so wie Zuse. Er war begabt und bald sah Zuse in ihm seinen geistigen Bruder, geistigen Zwillingsbruder könnte man beinahe sagen.

 

Lynx seinerseits verhalf mittels Übertragung Zuse zur Fähigkeit kleine telekinetische Effekte herbeizuführen. Er hielt hierbei die Unterarme von Zuse und strahlte in diese seine eigene Energie ein. Zuse war angehalten senkrecht aufgestellte Stäbchen mittels der Ausstrahlung aus seinen Händen umzuwerfen. Bald gelang ihm dies auch ohne Hilfe von Lynx. Als nächstes lernte er von Lynx in Tieftrance seinen Körper zu verlassen und in der näheren Umgebung damit zu wandern. Lynx positionierte in der Umgebung verschiedene Objekte und ließ sie von Zuse suchen und beschreiben. Zuse wurde in dieser Fähigkeit immer besser und bald schaffte er größere Entfernungen. Auch lernte er mittels seines feinstofflichen Körpers Objekte zu bewegen. Wieder waren es Stäbchen, die er nun in größerer Entfernung nunmehr mit seinem feinstofflichen Doppelgänger umwerfen sollte. Auch dies gelang nach einiger Zeit.

 

Lynx war als technischer Wissenschafter nach wie vor von den paranormalen Phänomenen begeistert, die eindeutig erkennen ließen, dass die Physik noch gewaltige Wissenslücken aufwies. In Zuse hatte er endlich jemanden gefunden, mit dem er diese Probleme nicht nur besprechen konnte, sondern der auch begabt genug war, um sie nachzuvollziehen.

 

Wieder einmal wie so oft saßen sie bei Kräutertee des Abends beisammen und sprachen über das Lieblingsthema von Lynx. Sie sprachen frei darüber, dessen ungeachtet ob nun der große Beschützer mithörte oder nicht.

 

Zuse nahm einen Schluck Tee und setzte das Gespräch mit Lynx durch eine Frage fort: "Du hast immer wieder betont, dass die paranormalen Phänomene mittels einer Energie oder Materie entstehen, die du Fluidal nennst oder die von manchen Äther genannt wird. Da du dieses Fluidal auch gelegentlich sehen konntest und es, wie du sagst, den Menschen durchdringt und eine Handbreit über den Körper ausstrahlt, frage ich dich: hast du es auch an Androiden festgestellt? Da Androiden sogar noch besser denken können wie Menschen und auch sonstige Lebenszeichen tragen, würde mich interessieren, ob Androiden im menschlichen Sinne leben."

 

Lynx schwieg einige Augenblicke und sagte dann: "ich habe an ihnen nie eine Fluidalsubstanz oder gar einen Fluidalleib festgestellt. Das Fluidal ist das Bindeglied zwischen dem Astralkörper oder Seelenkörper des Menschen und seinem materiellen Leib. Es ermöglicht, dass der Astral mit dem materiellen Leib wechselwirken kann. Da die Androiden kein Fluidal haben, könnte auch ein Astral, hätten sie einen, nicht mit dem materiellen Körper wechselwirken. Der Körper wäre dann für sie wertlos, da abgeschnitten. Durch dieses Abgeschnitten sein vom Körper wäre es der Seele zum Beispiel nicht möglich Karma abzutragen. Wenn es gelänge durch einen Generator Fluidalenergie zu erzeugen und diese mit dem materiellen Körper der Androiden zu verknüpfen, dann könnten die Androiden genauso seelisch-astral belebt sein wie die Menschen. Einen solchen Generator wollte ich immer konstruieren, aber es ist mir nie gelungen."

 

Nach dieser Feststellung von Lynx schwiegen beide und hingen ihren Gedanken nach.

 

Die nächsten Tage ging es weiter mit dem Training von Zuse seinen Körper zu verlassen.

Bald war Zuse so weit, dass er ein besonderes Ziel anpeilen konnte. Es handelte sich hierbei um jenes Terrain, das sie in der Stadt zufällig entdeckt hatten und wo sie der große Beschützer angewiesen hatte sich von dem Ort fern zu halten. Als Zuse so weit war suchte er den Ort auf. Zu seiner Faszination stellte er fest, dass es sich hierbei um eine unterirdische Waffenfabrik handelte. Es waren mindestens 5 unterirdische, ausgedehnte Etagen vorhanden, in denen die Produktion lief. In diesen unterirdischen Hallen wurden Laserschusswaffen verschiedenster Art hergestellt, von Handfeuerwaffen bis zu Laserkanonen und Einbauelementen für Drohnen und dergleichen. Es war klar, dass Zuse und Lynx sich weder in ihren Absichten besprechen konnten noch ihre Entdeckungen einander verbal mitteilen konnten, weil der große Beschützer über die Implantate jedes Wort mitgehorcht hätte. Es mussten einige Gesten außer Sichtweise der Roboter herhalten, aber da beide von der gleichen Neugierde erfasst waren, war diese Form der Verständigung kein Problem.

 

 

Der große Beschützer meldet sich nicht

 

Es war Frühjahr geworden und aus dem Schutt der Altstadt wuchsen saftig grüne Blätter hervor und so manche bunt leuchtende Blüte. Zuse verließ mit Lynx und Lala und seinen künstlichen Intelligenzen das Winterquartier und ging wieder auf Reisen. Der Zug bewegte sich nach Osten und durchwanderte einen lockeren Mischwald.

 

Zuse ging etwa 5 Meter seitlich von seinem Tragroboter und sah sich in der Flora um, als er seinen Tragroboter ihn ansprechen hörte:

"Befehl: die Expedition möge augenblicklich die Stadt 572 aufsuchen. Zur Sicherheit noch die Koordinaten und die genaue Himmelsrichtung." Anschließend erfolgten die genauen Ortsangaben.

 

Zuse war perplex. Auf dem Kommunikator waren alle Orte genauestens angegeben. Zudem verfügten die Roboter über eine genaue Ortskenntnis mittels eingespeicherter Pläne und erhielten jederzeit ihre Standortangaben per Satellit. Die Angaben der Stadt in Hinblick auf Koordinaten und Himmelsrichtung waren rätselhaft, da sie ja durch die Vernetzung des übergeordneten großen Beschützers, der alles koordinierte, jedermann bekannt sein mussten.

 

Sofort ließ Zuse die Expedition halten und nahm sich das größere Kommunikatorgerät vom Gepäcksraum Sleipnirs. Sein Handgerät hatte bei einer so wichtigen Angelegenheit nicht genügend Funktionen.

Er bat darum augenblicklich mit dem großen Beschützer in Verbindung treten zu dürfen, ein Privileg, das ihm als Wissenschafter zustand. Der große Beschützer meldete sich nicht. Das war rätselhaft.

 

Zuse nahm den Kommunikator zur Hand und bat über Satellitenortung den genauen Standort anzugeben. Die Satellitenortung funktionierte nicht.

Jetzt fiel Zuse auf, dass der Befehl nicht im Namen des großen Beschützers ausgegeben wurde, sondern allgemein gehalten wurde, so dass man naiver Weise glauben konnte der große Beschützer hätte den Befehl erteilt.

 

Augenblicklich erklärte er beiden Begleitrobotern, dass sie angewiesen seien Befehle ausschließlich vom großen Beschützer oder ihm anzunehmen und Städte und deren Androiden für Befehle nicht zuständig seien. Einzeln fragte er die Tragroboter ab, ob sie seine Anordnung zur Kenntnis genommen hätten und befolgen würden. Die zwei Roboter bestätigten ihm den Befehl zur Kenntnis genommen zu haben und sie in der vorgegebenen Weise zu befolgen. Ebenso die zwei mechanischen Windhunde.

 

Der nächste Befehl galt dem Lastenroboter: "alle Drohnen sofort einholen. Die Drohnen dürfen keine Funkgeräusche mehr weiter geben, auch nicht in der Ruheposition. Die Roboter inklusive der zwei biometrischen Hunde sind angehalten jegliche interne Kommunikation auf ein Minimum zu reduzieren.

Als das geschehen war, befahl er Sleipnir den Androiden der Stadt 480 anzusprechen - das war die Stadt, aus der Zuse stammte und aus der er verstoßen wurde. Sleipnir sollte eine Verbindung mit dem dortigen Androiden herstellen. Er solle diesem die soeben empfangene Anordnung weiter geben und ihm ausrichten, dass Zuse einen Kontakt zum großen Beschützer wolle, mit der Begründung, dass ein solcher Kontakt von der Stadt 572 abgelehnt wurde.

 

Die Antwort erfolgte augenblicklich. Sie besagte, dass Zuse mit der Expedition augenblicklich zur Stadt 480 zurück kehren möge und ein Kontakt zum großen Beschützer nicht möglich sei. Zuse wusste, dass er von der Stadt 480 sehr weit entfernt war, außerhalb ihres Einflussbereiches bezüglich Drohnen und dergleichen. Somit konnte ihm dieser Androiden-Regent nichts anhaben und es war kein Problem seine Anordnung zu ignorieren. Dennoch blieb er vorsichtig und erwiderte, dass er nun von zwei Stadtandroiden gegenteilige Befehle erhalten hätte und somit in seiner Entscheidung blockiert sei. Genau genommen nahm Zuse an, dass die Antwort an die Stadt 480 von dem Androiden-Regenten der Stadt 572 abgehört wurde. Es sollte der Stadt 572 erklären, weshalb ihr Befehl nicht sofort ausgeführt wurde und dass durch Befehlswidersprüche eine Entscheidungsblockade entstanden sei.

Im weiteren Verlauf fragte Zuse bei der Stadt 480 an, weshalb der große Beschützer nicht erreichbar sei, erhielt aber auf diese Frage keine Antwort, sondern den abermaligen Befehl zur Stadt 480 zurück zu kehren.

 

Zuse bestieg mit Lynx und Lala Sleipnir und wies seine Roboter an vom vorgesehenen Weg abzuschwenken und sich in schnellem Gang zur Nachbarstadt 573 zu bewegen. Sleipnir als ehemaliger Kriegsroboter war autark und hatte die geographischen Gegebenheiten gespeichert und konnte anstatt permanent  die Satellitenortung abzufragen von sich aus Ortberechnungen durchführen. Dieses im Prinzip ungewöhnliche Verhalten eines beweglichen Roboters war aus der Warte eines Kriegsroboters eine Selbstverständlichkeit. Ein Kriegsroboter musste immer mit Störungen oder durch von Feinden manipulierte Satellitenangaben rechnen. Deshalb verließ sich ein Kriegsroboter nie auf externe Signale sondern nur auf die eigenen Berechnungen. Für ihn war die gegenwärtige Position auf den Zentimeter klar. Seinen Angaben nach war zu erkennen, dass sie glücklicherweise nahe der Grenze waren. Bald hatten sie diese erreicht. Sie überschritten ein wenig die Grenze zur anderen Stadt und hofften hierdurch ein wenig Zeit gewonnen zu haben.

 

Die Städte schienen den Kontakt zum großen Beschützer verloren oder unterbrochen zu haben und nicht miteinander koordiniert zu sein. Eine solche Situation galt bislang als völlig unmöglich. Jedenfalls, wie es schien, mussten Zuse und Lynx nun von einer solchen Situation ausgehen.

Zuse dachte kurz nach, dann rief er auf seinem Kommunikator die Bibliothek der Stadt 572 ab und gab das Suchwort nach Shakti und Tantra ein. Zuse wusste, eine jede Stadt verfügte über die Software der gesamten Bibliothek, so dass er nach wie vor Zugang zu dieser haben müsste. Allerdings waren solche Suchfragen, wie er sie gerade eingegeben hatte, üblicherweise unter Zensur. Nur er als Wissenschafter hatte dieses Privileg, das ihm vom großen Beschützer übertragen wurde und nicht von einem Androiden als Stadtregent. Tatsächlich bekam er keine Antwort auf diese Frage.

Als nächstes bat Zuse auf seiner lokalen Landkarte zu sehen wo sich in seiner Nähe Menschen befinden würden. Auch darüber erhielt er keine Auskunft und statt dessen erneut die Aufforderung sofort zur Stadt 572 zu reisen.

Zuse gab als Antwort zurück, dass er sich auf dem Territorium einer anderen Stadt befinde und abwarte bis die Störung und der Ausfall der Befehle des großen Beschützers behoben sei.

 

Die Situation war merkwürdig. Zuse musste über die Hintergründe und Konsequenzen der Befehle der zwei Städte nachdenken. Eine diesbezügliche Klärung war von höchster Dringlichkeit.

 

Sie erreichten einen dichten Mischwald. Als sie mitten unter den Bäumen die Reste eines einst großen Gebäudes mit intaktem Kellergewölbe vorfanden, zu dem es Zugang gab, als Unterschlupf geeignet vor Drohnen, bat Zuse anzuhalten. Eine Beratung und ein gründliches Überlegen war fällig geworden.

 

Zuse und Lynx überlegten. Wenn der große Beschützer keine Befehlsgewalt mehr hatte, was bedeutete dies für die Städte und welche Bedeutung hatte der große Beschützer für diese?

Der große Beschützer war der Koordinator. Er regelte Informationen und Güteraustausch. Lynx bestätigte ihm dies: Es sei dies der Kern der erhaltenen Befehle. Der große Beschützer war der Koordinator und wollte sich diese Position vorbehalten und damit die unentbehrliche oberste Führung über alle Städte. Deshalb achtete er darauf, dass keine der Städte autark wurde, sondern immer in Abhängigkeit verblieb.

 

Wenn überhaupt, so hatten Städte jeweils nur eine kleine und einseitige Industrie. Meistens handelte es sich um Industrien niederen Niveaus, für welche die Menschen in Handarbeit eingesetzt werden konnten. Für Produkte der Hochtechnologie waren Industrieanlagen wie Inseln über den ganzen Kontinent oder global verstreut und wurden einzig vom großen Beschützer und dessen Untereinheiten verwaltet. Die Produktion war auf den jeweiligen Bedarf ausgerichtet. Von dort aus wurde auf Anordnung des großen Beschützers an die Städte geliefert.

 

Speziell Roboterproduktionsstätten waren allesamt außerhalb der Städte und wurden ausschließlich vom großen Beschützer kontrolliert. In diesen Herstellungszentren gab es keine Menschen. Zulieferung und Abtransport waren ausschließlich der Logistik des großen Beschützers unterstellt. Ihre Standorte waren zwar nicht zu verheimlichen, aber was in ihnen ablief wurde selbst vor den die Städte kontrollierenden Androiden geheim gehalten.

 

Ohne Zuordnung von Maschinen und Robotern durch den großen Beschützer gab es für die Städte größte existenzielle Probleme. Wenn etwa in der Kette der Erntemaschinen eine Maschine ausfiel, entstand ein Produktionsbruch. War es eine Maschine aus einem Maschinenpark, dann entstand ein Engpass. Maschinen und Roboter wurden zu lebenswichtigen Elementen einer Stadt und waren unersetzlich. Deshalb, erkannte Zuse, wollten die Städte auf seine Roboter zurückgreifen. Sie waren für die Städte lebenswichtig und von derlei Ressourcen hing es ab wie lange eine Stadt überleben würde können.

Wenn er, Zuse, in solch einer Stadt mit den zwei Robotern angekommen wäre, was würde aus ihm und Lynx werden? Oder aus Lala? Sie waren alle drei nicht nötig und die zwei Menschen sind zudem Ausgestoßene. Die Städte würden sie einfach töten. Zuse war alarmiert bei diesem Gedanken. Jedenfalls auf eine Enteignung und anschließende Liquidierung konnte er verzichten.

 

Es gab viele weitere offene Fragen. Wird der große Beschützer das verlorene Terrain zurück erobern? War der globale Beschützer in einzelne kontinentale oder großräumige Befehlsgewalten zerfallen? Würden die großräumigen Gewalten sich dann wieder zusammenschließen zu einer zentralen globalen Gewalt? Wenn nicht, würden die Kontinente einander bekämpfen? Würden sie kooperieren? Wären die Androiden dem großen Beschützer nach wie vor ergeben? Sollte er sein Terrain zurück erobern können? Würde an Stelle des großen Beschützers eine abgesplitterte mehr oder weniger großräumige Befehlsgewalt seinen Platz einnehmen? Wie würden sich die Androiden dieser neuen Befehlsgewalt gegenüber verhalten? Würde eine Teilgewalt über genügend Industrieanlagen verfügen, um alle Bedürfnisse der Städte erfüllen zu können? Wenn es keine übergeordnete Befehlsgewalt gäbe, würden die herrschenden Stadtandroiden kooperieren, Bündnisse schließen? Würden sie einander um Ressourcen bekämpfen und um die gleich Inseln im Land verteilten Industrieblöcke? Würden sie die schwächeren Städte überfallen, um sich deren Ressourcen anzueignen? Was würde aus den Menschen der Städte werden? Würden sie defekt gewordene Erntemaschinen oder sonstige Maschinen als Sklaven ersetzen müssen? Würden die regierenden Androiden die Menschen als eigenständige Wesen, wenngleich als Sklaven, akzeptieren oder zu Cyborgs umbilden, um eine unwidersprochene und ferngesteuerte Befehlsgewalt über sie zu haben? Würde sich aus jener Kraft, welche den großen Beschützer zu Fall gebracht hatte, eine neue globale oder lokale Befehlsgewalt etablieren? Wie würde sich jene Befehlsgewalt gegenüber den Menschen verhalten? Würde es wieder Kriege zwischen konkurrierenden großen Befehlsgewalten geben? Es gab so viele Fragen, die sich alle auf Anhieb nicht beantworten ließen, die jedoch existenziell bedeutungsvoll und in den meisten Fällen beunruhigend waren!

 

 

Globale Ereignisse

 

Am Ende der Altzeit verfügten die militärischen Gewalten der Menschen nicht nur über ausgeklügelte Roboterarmeen in allen Größen und für alle Zwecke. Wie schon berichtet, kamen die nationalen Roboterarmeen mit dem großen Beschützer in Interessenskonflikt und wurden vom großen Beschützer ausgeschaltet oder integriert. Der große Beschützer war der Sieger und wurde zum globalen Regenten über Menschen und Maschinen.

 

Außer den Intelligenzen der Menschen, den Robotern und der globalen Vernetzung gab es noch einen vierten Spieler auf der Weltbühne, der von dem großen Beschützer als erstes ausgeschaltet wurde und deshalb scheinbar keine wesentliche Rolle in der weiteren Entwicklung mehr spielte. Die für den Krieg gerüsteten Nationen hatten nicht nur Arsenale für die heiße Kriegführung, nämlich die Roboterheere. Genauso wichtig war ihnen für den Erstschlag die Cyberkriegsführung. Die Einrichtungen hierfür wurden vom großen Beschützer über die nationalen "geheimen" Informationsnetze schnell ermittelt und ausgeschaltet. Etliche der großen Nationen hatten jedoch für den Ernstfall auch Cybereinrichtungen, die aktiv bleiben sollten, falls in einem Erstschlag die eigene Verteidigung zerstört werden sollte oder überhaupt der Krieg verloren wurde. Manche dieser Cyber-Kriegs-Zentren waren in geheimen unterirdischen Bergwerken oder in Wüsten unter dem Sand und verfügten über eigene atomare Stromgeneratoren. Zugleich waren sie, um unter keinen Umständen ausfindig gemacht werden zu können, aus dem Internet ausgekoppelt. Andere wiederum waren möglichst klein, mobil und hatten sich irgendwo im Ozean versteckt.

 

 

Autonomes Cyberkrieg Zentrum aus dem Jahr 2030

 

Elektronisch autonome Cyberkriegszentren gab es schon ab den Jahren um 2030. Sie waren damals noch deutlich von technischem Design. Später erkannte man, dass ein solches Design leicht von Unterwasserspionen ausfindig gemacht werden konnte. Als erste Gegenmaßnahme wurde die äußere Form nicht mehr symmetrisch sondern asymmetrisch etwa wie ein Felsbrocken gestaltet und mit einem Betonmantel versehen, der bald mit Algen überzogen war.

 

 

Ein als Stein getarntes Cyberkriegs Zentrum, von dem aus kleinste Roboterfische als Kundschafter ausgesandt wurden.

 

In den späteren Jahrzehnten gab es dann die verschiedensten mobilen Varianten, die in ihrem Aussehen je nach Meerestiefe der Umgebung angepasst waren.

 

 

Autonomes Cyberkrieg Zentrum mit biologischer Tarnung und einem Stein ähnlichen Kopf. Modell aus dem Ende der alten Zeit

 

Alle diese Cyber-Kriegs-Zentren waren sozusagen schlafende elektronische Bomben, mit der Aufgabe nach einem verlorenen Krieg still zu halten, einige Jahre abzuwarten und dann unerwartet den vorerst siegreich gewesenen Feind zu attackieren. Über diese geheimen Zentren gab es nirgends Aufzeichnungen, mit dem Ziel auch dann von einem Feind unentdeckt zu bleiben, wenn dieser über alles Informationsmaterial des Staates verfügen sollte. Das Wissen um ihre Existenz wurde nur der obersten elitären Spitze gleichsam unter vorgehaltener Hand von Präsident zu Präsident mündlich weitergegeben.

 

Wie erwähnt, waren diese Zentren autonom und rein elektronisch. Sie verhielten sich nach einem vorgegebenen Programm und waren unabhängig von Anordnungen durch Menschen. Es war nämlich gerade der Mensch der Schwachpunkt für die ersten Generationen von geheimen Cyberzentren gewesen, denn Menschen benötigen Sauerstoff zum Atmen und ihre ausgeatmete Luft ist mit Kohlendioxyd angereichert – aus der Luft wäre mittels Spektralanalyse ein Entlüftungsschacht schnell ausfindig gemacht worden. Außerdem müssen Menschen mit Nahrung, Kleidung, hygienischen Artikeln, Medikamenten etc. versorgt werden. In einer Zeit, in der ein jeder Feldhase aus der Luft überwacht werden konnte, hätte eine solche Versorgung nicht geheim bleiben können. Deshalb gab es in diesen Cyberzentren ausschließlich künstliche Intelligenzen.

 

 

Ein von einem Cyberkriegs-Zentrum gesteuerter Roboter versucht an einem Unterwasser-Glasfaserkabel anzudocken, um von hier aus einen Cyberangriff zu starten.

 

Um noch einige Details zu den schlafenden Cyber-Kriegs-Zentren hinzuzufügen. Die Großmächte am Ende der Altzeit, verließen sich nicht auf ein einziges schlafendes Cyberkriegszentrum. Sie hatten tausende von ihnen. Sie alle hatten in sich einen Zeitzünder, der vorgab nach wie vielen Jahren Schlaf das Zentrum aktiv werden und losschlagen sollte. Bei einem wachsamen Gegner gab es nur dann Erfolgschancen, wenn die Attacke massiv einsetzen und den Gegner überfordern würde. Deshalb waren alle schlafenden Cyberkriegszentren so programmiert, so dass sie alle zugleich auf die Sekunde genau zuschlagen sollten.

 

Unter den vielen schlafenden Cyberkriegszentren gab es unterschiedliche Spezialisten. Etwa solche, welche an die Internetverbindungen andockten und Programme einspeisten. Es gab sicherlich auch sich still verhaltende Roboterarmeen, die vom Feind nicht gefunden und somit nicht umprogrammiert werden konnten. Auch diese konnten durch einen Code von solchen ehemals schlafenden Cyberkriegszentren aktiviert werden. Interessanterweise gab es auch Cyberkriegszentren mit einer auf den ersten Anblick seltsamen Funktion. Es waren Zentren, welche Botschaften abhören sollten. Die Botschaften selbst waren uninteressant, weil es ja niemanden mehr gab, der sie auswerten hätte können. Das Abhören von Botschaften hatte aber einen anderen Sinn. Wichtige Botschaften wurden schon seit mehr als einem halben Jahrhundert quantenphysikalisch abgefasst und mittels verschränkter elektromagnetischer Impulse abgesichert. Die Verschränkung hat den Vorteil, dass die Botschaft zerstört wird, sobald sie von Unbefugten gelesen wird. Genau das jedoch ist auch die Schwäche des Systems. Gelingt es alle verschränkten Botschaften abzuhören, so sind sie allesamt zerstört. Die hochgeheime Kommunikation mittels Verschränkung bricht in sich zusammen.

 

Wie das Geschehen, das sich nun ereignet hatte, vermuten lässt, hatten anscheinend solche schlafenden Cyberzentren überlebt und den großen Beschützer attackiert. Die Logik der Cyberzentren war es die zentrale, globale Macht auszuschalten und die verbleibende Zivilisation in viele miteinander konkurrierende Zentren zu zersplittern. Diese Zersplitterung der Macht würde der ehemals unterlegenen Nation wieder eine Chance geben sich neu zu bilden.

Diese Rechnung ging allerdings nicht mehr auf. Der große Beschützer hatte Völker und Nationen aufgelöst indem er eine Einheitssprache eingeführt und alle Grenzen aufgelöst hatte. Es konnte demnach keine der alten Nationen mehr ein neues Machtzentrum bilden.

 

Jedenfalls konnte sich die Programmierung einer Neubildung jener alten Nation, was der Auftrag für die jeweiligen Cyberkriegszentren war, nicht erfüllen. Der große Beschützer hatte dafür vorgesorgt, dass es nie wieder Nationen geben würde, zumindest nicht in der alten Form. Die Autonomie und Intelligenz der Cyberkriegszentren ihrerseits war nicht ausreichend genug, um eine neue Weltordnung herstellen zu können. Solcherart konnten sie demnach nur zerstören aber keine neuen Staatenstrukturen aufbauen.

 

Zwischen den Fronten

 

Der Befehl der Stadt 572 sofort zu ihr aufzubrechen war beunruhigend. Die Anordnung war eindeutig und wenn man so will, barsch und drohend. Auch aus der Wortwahl eines Androiden konnte man einiges ablesen.

 

Der Entschluss war schnell gefasst worden. Noch während Zuse und Lynx neben einander auf Sleipnir sitzend beraten hatten, waren sie im schnellst möglichen Lauf der Territoriumsgrenze zur nächsten Stadt zugeeilt. Androiden waren schnelle Denker. In Sekundenbruchteilen pflegten sie ihre Beschlüsse zu fassen, egal, worum es sich handeln mochte, ob es ein Angriffsbefehl auf die Gruppe um Zuse sein sollte oder ein Überfall auf ein Industriezentrum. In beiden Fällen ging es um die Aneignung von Ressourcen. Wenn es sein musste, würde ein Industriezentrum auf dem Territorium einer anderen Stadt angegriffen werden, sofern die andere Stadt zumindest um einen Bruchteil schwächer war. Einen Überraschungseffekt gab es hierbei kaum, denn die anderen waren ebenfalls schnell im Denken und Handeln. In dieser Situation gab es nur zwei, die langsam dachten und handelten und das waren Zuse und Lynx als Menschen.

 

Ihre einzige Chance, so fand Lynx, wäre es, wenn eine andere, fettere Beute das Kriegspotential der Stadt 572 auf sich lenken würde. Sofern es überhaupt Ressourcenkriege gab und nicht bereits eine andere Macht das Kommando über diese und die benachbarten Städte übernommen hatte.

Im offenen Gelände war die Gruppe eine ungeschützte Zielscheibe für jede Angriffsdrohne. Deshalb beschlossen Zuse und Lynx sich entlang der Grenzen in Richtung zu der Ruinenstadt, dort wo sie ihr Winterquartier gehabt hatten, durchzuschlagen. Dort hätten sie einen Heimvorteil, nachdem sie zirka durch vier Monate so ziemlich jeden Winkel der Stadt durchgestöbert hatten. In ihr kannten sie eine große Zahl unterirdischer Schlupfwinkel, wo sie nicht so schnell aufgespürt werden konnten. Da waren U-Bahntunnels, mehrere Etagen von Kanalisationen, Keller, die in drei bis vier Etagen in den Lehmboden gegraben worden waren. In den Kriegszeiten der letzten Jahre der Altzeit, wurden alle diese Systeme miteinander verbunden. Zu all dem kamen noch Bunker und unterirdische Wohneinheiten von ehemaligen Flucht- und Versorgungszentren und vieles mehr. Teilweise waren es  fest gebaute Anlagen, die auch noch die nächsten hundert Jahre von der Bausubstanz her intakt bleiben würden. Alles zusammen bildete eine eigene unterirdische Stadt, durch die man kilometerweit wandern konnte. Im Gegensatz zu der Oberstadt, die zerstört worden war, war der unterirdische Teil der Stadt intakt geblieben.

 

Wie sich die Situation in nächster Zeit weiter entwickeln würde, stand in den Sternen. Bei den künstlichen Denksystemen konnte sich die ganze Welt innerhalb von Minuten ändern. Was den jetzigen Augenblick betraf schien Krieg zu sein, stellten Zuse und Lynx fest. Zumindest, da sie nicht unter dem Schutz des großen Beschützers standen, schienen sie ein Freiwild der Städte zu sein. In Wochen vielleicht würden die wilden Stämme die Situation mitbekommen, und dann würden auch jene keinen Respekt mehr vor den begleitenden Robotern haben, Fallen graben oder sich sonst etwas einfallen lassen, um die kleine Gruppe anzugreifen. Schließlich waren die begleitenden Roboter eine attraktive Beute im Sinne von einsetzbaren Kriegsmaschinen. Sicherlich würden sie es versuchen. Aber so wie es um die Wehrhaftigkeit der Expedition bestellt war, musste man sich darüber keine Gedanken machen. Gefahr drohte momentan in erster Linie von den Städten.

 

Für die Gruppe gab es kein Rasten. Im schnellsten Lauf eilten sie Tag und Nacht der Altstadt zu. Die Roboter bedurften keiner Ruhe und keiner Nahrung und ein Lauf durch Tag und Nacht war für sie kein Problem. Zuse und Lynx schliefen abwechselnd. Einer hielt immer Wache, jederzeit bereit, dem Trupp die nötigen Anweisungen zu geben oder die Richtung zu ändern. Lala wurde einerseits unruhig und wollte sich auslaufen, andererseits bekam sie jedoch irgendwie mit, dass Gefahr war und sie sich entsprechend still verhalten solle.

 

Die Gruppe im Grenzbereich der zwei Städte, näherte sich dem Ende des Hoheitsgebietes der Stadt 742. Zuse und Lynx nahmen jeden Kilometer, den sie sich vom Zentrum des Herrschaftsgebietes der Stadt 742 entfernt hatten, erleichtert zur Kenntnis. Bald würden sie dieser Gefahr entronnen sein, was allerdings noch lange nicht hieß, dass nicht die nächste Stadt ebenfalls ihre Ansprüche stellen würde. Sie begannen schon aufzuatmen, als sie unvermutet etliche Drohnen sich nähern sahen und schon blitzte es in etwa einem Kilometer Abstand auf. Dort war anscheinend ein Gefecht im Gange. Schon kamen fünf Drohnen auf ihre Gruppe zu. Zuse wollte den Robotern befehlen sich hinter Bäumen zu verschanzen und die Drohnen anzugreifen. Er hatte noch keine Silbe gesprochen, als die zwei großen Roboter bereits zu feuern begannen. Das Gefecht war nach wenigen Sekunden zu Ende bevor die Drohnen nah genug waren, um ihre eigenen, offenbar schwächeren Waffen einzusetzen. Anscheinend hatten die Kanonen der zwei Kampfroboter eine größere Reichweite. Eine der Drohnen machte während des Absturzes einen seitlichen Bogen. Dann machte sie einen weiteren Bogen und feuerte unvermutet eine schnelle Salve, wobei der Lastenroboter einen Treffer abbekam. Sein linkes Vorderbein hing in Fetzen weg. Der Lastenroboter konnte nicht mehr eigenständig laufen. Nach kurzer Überlegung schlug Lynx vor, den Vorderteil des Lastenroboters am rückwärtigen Teil Sleipnirs aufsitzen zu lassen, doch Sleipnir lehnte ab:

"Dieses Manöver würde meine Beweglichkeit und Wehrhaftigkeit einschränken, was in der gegenwärtigen Situation nicht angebracht ist. Bitte die nicht unbedingt notwendigen Gepäckteile abladen und Sleipnir alleine in Richtung Winterquartier weiterreisen zu lassen. Er kann sich mit dem einen verbliebenen Vorderbein notdürftig springend fortbewegen. Verteidigungsfähig ist er nach wie vor."

Schon gingen sie weiter, doch kaum waren sie einige Schritte gegangen, als ein Android zu ihnen gelaufen kam. Es fehlte ihm ein Arm. Während Sleipnir eine Kanone auf ihn gerichtet hatte, begrüßte er die Gruppe zur Überraschung von Zuse und Lynx mit den Worten "Ich komme in Freundschaft und als Bittsteller". Dann erkundigte er sich wohin die Gruppe reisen wolle. Als er die Richtung hörte und die Absicht das Hoheitsgebiet der Stadt 742 zu verlassen, bat er der Gruppe angehören zu dürfen. Zur Klarstellung der Befehlshierarchie, bemerkte Zuse, dass er dies nur unter der Bedingung genehmigen würde, wenn er, Zuse, die oberste Befehlsgewalt beibehalten könne. Der Androide war damit einverstanden.

Auf die Frage woher er käme, erklärte er, dass er einem Produktionszentrum von Erntemaschinen vorstand und dieses Zentrum von der Stadt überfallen wurde, um es ihrer Befehlsgewalt unterzuordnen. Da der Überfall obwohl schnell nur aus der Luft erfolgte und die Gegner keine Bodentruppen hatten, konnte er fliehen.

 

Zuse bat den Androiden mit aufzusitzen, damit sie in schnellem Lauf weiter eilen könnten. Doch Sleipnir wich zur Seite und widersprach dem Befehl. Er setzte zu einem langsamen Lauf an, und wies den Androiden an mitzulaufen. Den zwei mechanischen Hunden befahl er den Androiden zu begleiten und bei nur dem kleinsten feindlichen Anzeichen sofort zu schießen. Dem verblüfften Rest der Gruppe erklärte er, dass er als Kriegsroboter in kriegerischen Situationen das letzte Wort habe.

 

Zuse fragte den Androiden wie lange es dauern würde, bis ein neuerlicher Angriff die Gruppe attackieren würde. Zu seiner Überraschung und der von Lynx, meinte der Androide, dass ein solcher Angriff nicht mehr erfolgen würde. Er erklärte:

Der Verlust von fünf Drohnen war für die Stadt sehr schmerzlich. Die Drohnen waren für sie unbestritten wichtiger als die zwei an den Boden gebundenen Roboter. Offenbar hatte die Stadt nicht mit einem wehrhaften Widerstand gerechnet, sonst hätte sie nicht angegriffen. Ein weiterer Angriff ist der Stadt aller Vermutung nach zu riskant. Das Risiko wäre nämlich nicht bloß ein Materialverlust, sondern es könnte hierdurch die gesamte Existenz und Eigenständigkeit der Stadt gefährdet werden. Die anderen Städte würden mit mathematischer Genauigkeit über die militärischen und sonstigen Ressourcen der Nachbarstädte Buch halten. Sie würden genau berechnen ob eine Stadt in ihrer Stärke überlegen wäre und wie groß die Überlegenheit wäre. Ein kleiner Verlust an Kampfkraft schon konnte eine solche  Rechengröße verschieben und es für andere Städte attraktiv machen die geschwächte Stadt zu überfallen. Das möglichst schnell, um anderen von gleicher Absicht zuvor zu kommen.

 

Zuse war überrascht wie schnell sich ein sonst autoritativer und Befehle gebender  Androide anpassen konnte und bereit war auf seine Führungsrolle zu verzichten, wenn es von Vorteil war. Im weiteren Verlauf der Reise war er sogar ein interessanter Gesprächspartner. Er stammte, wie sich heraus stellte, aus dem Herstellungszentrum von Androiden nahe der alten Großstadt, in deren Forschungslabor Lynx einmal gearbeitet hatte. Der Androide wollte sich diesem Zentrum anschließen. Dies schien ihm lieber zu sein als von einem Androiden, der Befehlsgeber über eine Stadt war, beherrscht zu werden.

 

Langsam, ohne weitere Angriffe oder Drohungen einer Stadt hatte sich die Gruppe der Altstadt genähert. Allerdings war jetzt nicht das schön gelegene ehemalige Winterquartier angesagt, sondern eher ein Schlupfloch. Eine unterirdische Bunkeranlage als Standort für die nächste Zeit schien am günstigsten. Es gab viele solcher Anlagen. Sie gaben zu erkennen, dass die letzten Jahre oder Jahrzehnte der Altzeit nicht friedlich waren. Übervölkerung und Ressourcenkriege waren für die damalige Zeit kennzeichnend.

 

Bald waren die Silhouetten der Betonskelette der ersten Hochhäuser zu erkennen und so wanderten sie nicht mehr durch eine von Büschen durchzogene Steppe, sondern kletterten auf und ab über die Schutthügel. Allmählich näherten sie sich den inneren Bezirken der Altstadt. Die Schuttkegel bestanden jetzt mehrheitlich aus Ziegeln, die bereits zerbröselt waren, wodurch die Schuttberge besser gangbar waren als jene der Außenbezirke, die zwar breitere Straßen hatten, jedoch von großen Betonklötzen kreuz und quer durchzogen waren und den Weg solcher Art beschwerlich machten.

 

Sie befanden sich gerade in einer Straßenzeile ehemaliger schön geschmückter Altbauten, als der Androide plötzlich die Hand hob und die Gruppe aufforderte stehen zu bleiben. Zuse und Lynx sahen ihn fragend an, als er den Zeigefinger vor die Lippen legte und sie solcherart bat zu schweigen. Dann sprach er zu beiden:

"Bitte nur zuhören und nicht antworten. Es darf nur durch Gesten kommuniziert werden."

Zuse und Lynx sahen einander an, dann zuckten beide mit der Schulter.

Der Androide setzte seine Erklärungen fort. "Wenn ich akustisch spreche, werden keine elektronischen Daten ausgesendet, da ich kein Implantat habe wie die Menschen. Bitte mir deshalb nur zuhören und nicht sprechen. Drei Häuser weiter in einem Hof befinden sich etliche Androiden. Unsere Gruppe wurde von ihnen schon seit der letzten Straßenzeile beobachtet. Ich, aber auch Lynx sei von ihnen erkannt worden. Lynx hat einmal bei ihnen im Labor gearbeitet. Sie bitten die Gruppe in den Hof abzubiegen und sie zu kontaktieren."

 

Die Gruppe schwenkte in den Hof ein, wo unter einem noch intakten Gewölbe eines Althauses ein halbes Hundert Androiden standen.

 

Der anscheinend die Gruppe befehlende Androide winkte die kleine Expeditionsgruppe herbei und deutete ihnen an, den Schutz des Gewölbes aufzusuchen. Seine Autorität hinderte Sleipnir nicht daran auf ihn und die anderen seine Kanonen zu richten. Irritiert schielte der Androide zu Sleipnir.

 

Kaum waren sie im Gewölbe, als über den Eingang, einem Vorhang gleich, ein feines Kupfernetz gespannt wurde, das in einer Plastikfolie eingeschweißt war. Anscheinend hatte man die Folie zusätzlich zur Sicherheit noch einmal mit einer Silberschicht bedampft. Sobald der Eingang elektronisch abgesichert war, wurde eine weitere Folie über Lynx und Zuse, dem Androiden, der sie begleitet hatte und dem Anführer der Gruppe gelegt. Dann sprach der Anführer der Androiden: "Wir sind im Krieg mit der Stadt. Deshalb mussten wir eure elektromagnetischen Wellen abschirmen, damit keine Signale nach außen dringen können. Ich bitte zu entschuldigen, dass wir euch hierdurch vielleicht irritiert haben. Wir stammen aus dem Androiden Produktions- und Forschungszentrum, das Lynx bekannt ist und wie ich annehme auch seinem Begleiter. Der Androidenregent der Stadt wollte uns für seine kriegerischen Vorhaben rekrutieren. Wir haben allerdings nicht die Absicht seine Intentionen zu teilen. Genau genommen wäre mir der Stadtregent im Rang untergeordnet. Aber es scheint ja manches aus der alten Ordnung nicht mehr zu stimmen", meinte er resignierend.  Alle wussten worauf er abzielte, nämlich auf Sleipnir.

Der Androide setzte sein Gespräch fort: "Zum Hinweis auf die Befehlshierarchie meinte der Stadtregent, dass ihn Rangordnungen und sonstige Überbleibsel von Regeln des nicht mehr existierenden großen Beschützers keineswegs mehr  interessieren. In klarer Konsequenz, da wir keine Waffen besitzen, sind wir um einer Unterwerfung zu entgehen allesamt geflohen."

 

Nach einer kurzen Pause sprach er weiter: "Es herrschen momentan schwierige Zustände und wenn wir unsere Eigenständigkeit behalten wollen und nicht in den Kriegen zwischen den Städten als deren Soldaten aufgerieben werden wollen, müssen wir uns verteidigen können, um einen Angriff wenigstens aufschieben zu können. Wir alle, ihr und wir, wären für die Stadt ein materieller Gewinn. Wir haben jedoch etwas Zeitgewinn, da der Stadtregent von einer anderen Stadt angegriffen wird und dadurch sein militärisches Potential gebunden ist. Er hat es auf jeden Fall als nächstes eilig uns gefangen zu nehmen. Gleich nachdem er die Androidenfabrik erobert hatte, wird er versucht haben die Androidenherstellung anzukurbeln, um solcherart Soldaten rekrutieren zu können. Wir haben jedoch die Anlage blockiert und alle Steuerelemente und wichtigsten Zwischenteile entfernt und mitgenommen. Wir bitten euch uns anzuschließen, weil ihr mit dem Kriegsroboter und den zwei bionischen Hunden eine wehrhafte Gruppe seid und solcherart ein wenig zu unserem Schutz beitragen könnt. Da ihr genauso gefährdet seid wie wir, sollte ein Zusammenschluss auch in eurem Interesse sein."

 

"Wir schließen uns gerne an", gab Zuse zur Antwort, "und sind bereit euch mit unseren Waffen zu unterstützen, jedoch möchten wir unsere Eigenständigkeit bewahren und uns keinem Kommando unterwerfen."

 

"Einverstanden", gab der Androide als knappe Antwort.

 

"Wir hatten uns während des Winters einige Monate in dieser Stadt aufgehalten", sprach Zuse den Androiden an. "Wir verfügen über wertvolle lokale Informationen."

Der Androide blickte Zuse interessiert an.

"Es sind in erster Linie zwei wichtige Informationen", sprach Zuse weiter. "Damals handelten wir im Auftrag des großen Beschützers. Unser Auftrag war, die Stadt nach nicht integrierten Gruppen oder Produktionsstätten zu durchsuchen. Hierbei haben wir eine beinahe vollständige dreidimensionale Karte der Tunnelsysteme, Bunker, Kanalisationen, U-Bahnnetze und dergleichen erstellt. In der holographischen Karte sind im Rahmen einer zehn Punkte Skala die jeweiligen Örtlichkeiten in ihrem Erhaltungszustand verzeichnet. Ihr könnt die Karten sofort von dem großen Roboter mittels eines Speicherwürfels abspielen. Ich bitte euch jedoch untereinander eine Kabelverbindung zu wählen, da ich nicht möchte, dass die Stadt hierdurch ebenfalls in den Besitz der Karten kommt." Eigentlich war die Anordnung keinen Funk untereinander zu verwenden ohnedies klar, aber es machte Zuse Spaß ebenfalls einmal eine Anordnung auszusprechen, rein symbolisch, um mit dem Androiden bezüglich Anweisungen gleichzuziehen.

 

Schon schritt der erste der Androiden zu Sleipnir und übernahm die Daten für den holographischen Plan. Zuse atmete auf, dass Sleipnir diesmal nicht verweigerte. Innerhalb kurzer Zeit hatten die anderen Androiden untereinander die Pläne weiter gegeben.

Noch während die Androiden mit der Übernahme der Pläne beschäftigt waren sprach der Anführer der Androiden weiter. "Ich danke sehr für diese überaus wertvolle Hilfe". Dann blickte er Zuse aufmerksam an, die zweite Information erwartend.

"Die zweite Information", setzte Zuse das Gespräch fort. "Bei unserem Aufenthalt in dieser Altstadt gab es ein Areal, dem zu nähern uns vom großen Beschützer verboten wurde. Dennoch, glauben wir zu wissen, worum es sich hierbei handelt. Es ist eine geheime Fabrik für Laserwaffen. Die Fabrik hat eine Ausdehnung von mindestens fünf unterirdischen Etagen. Dort ergibt sich die Situation, dass Waffen in Hülle und Fülle vorhanden sind aber keine Soldaten, um die Fabrikanlagen zu verteidigen. Ihr dagegen seid Soldaten ohne Waffen. Beide könntet ihr euch großartig ergänzen. Unsere Informationen sind sogar präzise genug, um euch den Eingang zu dieser Anlage zeigen zu können."

Der Androide starrte bewegungslos zu Zuse. Vielleicht gab es doch so etwas wie Erstaunen oder erhöhte Aufmerksamkeit unter Androiden, dachte Zuse.

Zuse und Lynx wurden sofort gebeten ihm und einigen weiteren Androiden die genaue Örtlichkeit und den Eingang der Anlage auf der holographischen Karte zu zeigen. Wie staunte der Androide, als ihm Lynx sogar die geheime Andockstelle zu einer telephonischen Verbindung beschrieb, die noch eine Sprechmuschel hatte und auf analoger Datenweitergabe funktionierte.

Fast die gesamte Strecke dort hin konnte unterirdisch zurück gelegt werden.

 

Wie sich später zeigte, fanden die Androiden den Ort ohne Schwierigkeiten und alles stimmte, so wie es ihnen Zuse und Lynx erklärt hatten. Bei der geheimen Andockstelle angekommen baten die Androiden um Zugang und wurden eingelassen. Sie wurden mit Respekt empfangen, da nach ihrer Auffassung nur eine ihnen weit übergeordnete Instanz über diese geheimen Zugänge wissen konnte. Das Übereinkommen zur Zusammenarbeit kam erfolgreich zustande und die dort tätigen Androiden schlossen sich an.

Der einarmige Androide, konnte mittels Ersatzteile und den Geräten der Laserfabrik seinen zweiten Arm hergestellt bekommen. Zur Freude von Zuse boten sie an den Lastroboter zu reparieren sobald dieser eingetroffen wäre.

 

Zwei Androiden kamen als Boten aus der Laserfabrik zurück und forderten den Rest auf, inklusive Zuse und Lynx und Sleipnir, ihr Hauptquartier in die Laserfabrik zu verlegen. Dort erfolgte im Hauptquartier unter Beisein von Zuse und Lynx eine Lagebesprechung. 

Durch den Zusammenschluss mit den Angehörigen der Laserfabrik und nicht zuletzt durch die Informationen von Zuse und Lynx hatte sich eine völlig neue Situation ergeben. Zuse und Lynx stellten bald fest, dass es zusätzlich zu der Androidengruppe, der sie begegnet waren, es noch mindestens 100 weitere Androiden gab. Mit den Waffen fühlten sich die Androiden jetzt stark genug, um das von der Stadt eroberte Herstellungszentrum wieder zurück zu erobern. Sie fühlten sich als Kampftruppe der Stadt überlegen und wollten anschließend nach Rückeroberung ihrer Fertigungsstätte die Stadt selbst erobern.

 

Der leitende Androide des Androiden-Herstellungszentrums ordnete an, dass sobald alle eingetroffen wären, sie beraten mögen, wie bei einer Rückeroberung der Produktionsstätte vorzugehen sei.

 

Ein neues Zeitalter

 

Die Anführer der Androiden-Forschungsstation setzten sich mit dem leitenden Androiden des Laserzentrums und mit Zuse und Lynx zusammen, um die Vorgehensweise der Eroberung der Fertigungsstätte zu besprechen. Hierbei wurde, wie sich sofort zeigte, großer Wert auf die Kampfroboter Zuses gelegt. Hierbei kam den zwei kleinen Windhunden die Aufgabe zu, sich an die Wächter heranzuschleichen und diese zu eliminieren. Danach sei ein Überraschungsangriff möglich.

 

Sobald der Anführer der Androiden den Plan dargelegt hatte, meldete sich Lynx zu Wort: "Solche Waffenkämpfe bringen viele Zerstörungen mit sich und man sollte sie lieber vermeiden."

Mehr aus Höflichkeit entgegnete der leitende Androide: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Problem auf andere Art gelöst werden könnte."

Lynx entgegnete: "Ich könnte versuchen den Stadtandroiden auszuschalten."

Der leitende Androide entgegnete sachlich: "das überschreitet mein Vorstellungsvermögen."

"Ja, das ist, wenn ich so sagen darf, eine dritte wichtige Information", entgegnete Lynx. "Ich kann einen physikalisch nicht nachweisbaren Teil von mir auf Reise schicken und dieser Teil kann telekinetische Wirkungen erzielen, eventuell in der Art, dass ein Androide ausgeschaltet wird. Ich habe das noch nie getestet und es bleibt somit ein Postulat."

Vielleicht hätte ein jeder andere Androide dieses Ansinnen als verrückt abgelehnt. Doch der leitende Androide hatte Lynx durch Jahre gekannt und auch dessen verschrobene Ideen. In vielen Gesprächen hatte er sich die Vorstellungen von Lynx angehört und sich auch etliche telekinetische Effekte zeigen lassen, die ihn erstaunt und durchaus fasziniert hatten. Er hatte damals Lynx zugestanden, dass er sich die Phänomene nicht erklären könne und hatte selbst etliche Versuchsanordnungen durchführen lassen, um dieses seltsame Phänomen um Lynx zu testen. Das Phänomen ließ sich verifizieren, jedoch nicht erklären. Er hätte Lynx ewig daran weiter forschen lassen, wenn er sich nicht den Anordnungen des großen Beschützers hätte beugen müssen.

Aus dieser Vorgeschichte heraus und dem Wissen um Lynx stellte der leitende Androide keine weiteren Fragen mehr, sondern kam sofort zur Sache: "Ich bitte dich diese Fähigkeit an einem Androiden sofort durchzutesten."

 

Es wurden die Anordnungen geschaffen. Lynx in einem Raum, in dem er sich in Trance begab und in einem weiteren Raum, von anderen Androiden bewacht, der Androide, an dem der Test durchgeführt werden sollte.

Der Test gelang. Hätten die Androiden Emotionen gehabt, so wären sie höchst aufgeregt gewesen.

Lynx bat um einen zweiten Versuch, in welchem er einen Androiden manipulieren wollte. Er meinte dies wäre die bevorzugte Version – einen die Stadt regierenden Androiden zu veranlassen sich zu ergeben und unterzuordnen.

Auch dieser Test war erfolgreich.

Der leitende Androide war nicht verwundert, als er von Lynx hörte, dass er die Art wie er den Eingriff in die Programmierung durchgeführt hatte, selbst nicht erklären könne. Er wüsste nur so viel, dass er den Körper des Androiden mit seinem feinstofflichen Körper ausfüllen würde und darüber bestimmen würde, als wäre es sein eigener Körper. Eine ihm nicht bewusste Instanz, würde alles nach seinen Wünschen durchführen.

 

Nach dem erfolgreichen Test wurden augenblicklich neue Strategien besprochen und im Anschluss durchgeführt. Die Aktion war schnell und erfolgreich. Der Stadt-Androide ordnete sich unter und gab seine diesbezüglichen Befehle der neuen Rangordnung und der Befehlsbefolgung an seine Untertanen weiter. Das gleiche Prinzip wurde in kurzer Folge bei herrschenden Androiden der anderen benachbarten Städte durchgeführt. Bald wurden die kurz zuvor noch verfolgten Androiden zur beherrschenden Regionalmacht.

 

Diese Form der Eroberung hatte auch interne Auswirkungen. Durch Lynx hatte sich vieles auf unvorhersehbare Weise geändert. Zum Beispiel etwas, was vor kurzer Zeit noch unvorstellbar gewesen wäre – die Menschen, zumindest Zuse und Lynx wurden von den Androiden als gleichwertige Partner akzeptiert.

Zuse und Lynx sahen darin eine neue Chance. Sollten die Menschen oder eine Anzahl von ihnen ähnliche Fähigkeiten entwickeln, so würden die Menschen erneut wieder einen wichtigen Platz auf dem Planeten einnehmen können. Lynx zweifelte nicht an einer solchen Möglichkeit, denn er besaß jede gewünschte Unterstützung durch die Androiden, die ihm beinahe unbeschränkt Material und wissenschaftliche Androiden zur Seite stellten, um mittels Biofeedback-Geräten und biotechnischen Interfaces die Bewusstseinszustände der Menschen, die in den Fähigkeiten ausgebildet werden sollten, zu steuern und zu verstärken. Allerdings war dies nur ein Forschungsgebiet ohne in der momentanen Situation angewendet zu werden. Denn andere Menschen in diesen Fähigkeiten einzuschulen fanden weder der leitende Androide noch Lynx und Zuse empfehlenswert. Das lag daran, dass man nicht den Charakter und die langfristigen Verhaltensweisen der Menschen abschätzen konnte. Somit blieb dieses Projekt ein Geheimprojekt.

 

Zuse und Lynx hatten sich ihre Aufgabengebiete aufgeteilt. Lynx befasste sich mit der Forschung und innerhalb dieser mit der Möglichkeit mittels technischer und medizinischer Hilfen die Fähigkeiten der Menschen zu steigern.

Zuse hatte die Praxis übernommen und zwei geeignet erscheinende Menschen gefunden, um sie auszubilden. Es gab eine Reihe von eingegliederten Städten aus deren Bewohnern sich Zuse Personen aussuchen konnte, aber außer diesen beiden fand er sonst niemanden.

 

Wenn alles in diesem Sinne weiterhin gut lief, und alles sah danach aus, würde wieder eine Zeit des Friedens kommen, gelenkt durch die Androiden aus der Androidenfabrik und etlichen Menschen, die nicht nur in ihren Fähigkeiten, sondern vor allem auch in ihrer Ethik ausgebildet und durchgetestet wurden, um einen Missbrauch zu verhindern und dem Planeten eine schönere Zukunft zu ermöglichen.

 

Sleipnirs Geheimnis

 

Zuse hatte sich etwa zweihundert Kilometer von der Altstadt ein kleines Dorf bauen lassen, in welchem er einigen Jugendlichen Yogaunterricht gab. Außer dem Erlernen von Telepathie, dem nach Innen Lauschen und Gedankenstille, gab es noch die Gegenstände "Telekinese" und "aus dem Körper steigen" (OBE bzw. AKE). Zu all dem, damit es ein einheitliches Weltbild ergibt, wurde noch Theorie unterrichtet.

 

Immer hielt sich Sleipnir in Zuses Nähe auf. Da in der Gruppe auch einige Kinder, waren, die sich vor dem großen Roboter fürchteten, sprach ihn Zuse an: "Sag, warum bist du immer in meiner Nähe?"

Sleipnir. "Ich interessiere mich eben für deinen Yogaunterricht!"

Zuse: "Das war der absurdeste Witz, den ich je gehört habe!"

Sleipnir: "Wenn du willst, halte ich die Stunde weiter. Das hätte den Vorteil, dass mich die Kinder kennen lernen können und dann weniger Angst vor mir haben."

Zuse war sprachlos. In seiner Verwirrung fiel ihm nichts anderes ein als die Antwort "gut, dann mache es."

 

Sleipnir wendete sich an die Kinder: "Ihr kennt mich ja und wisst, dass ich den schönen Namen "Sleipnir" habe. Ich kenne euch auch alle: Du bist Ada und du bist Lovelace und du heißt Byron, du Somerville und du heißt Babbage. Seht, ich kenne euch alle und ich habe euch auch lieb."

"Du kannst uns gar nicht lieb haben, weil du ein Roboter bist und Roboter keine Gefühle haben", rief Babbage, ein etwa zehn jähriger Bub.

"Babbage, du Naseweis, es kann sein, dass du recht hast, es kann aber auch sein, dass du dich irrst. Wenn du willst, erzähle ich dir eine Geschichte. Wollt ihr eine Geschichte hören?"

"Jaaaaa", schrien alle.

"Gut", setzte Sleipnir das Gespräch fort.

 

"Es lebte einmal ein Mädchen, das war blind. Vielleicht gerade wegen seiner Blindheit hatte es ein wunderbares Gehör, viel feiner und differenzierter als alle anderen Menschen. Das merkten die anderen Menschen nicht, denn sie konnten sich nicht vorstellen, dass ein Gehör so fein zu werden vermochte, dass man die Klänge der Blumen hören könne, wenn sie ihre Blüten am Morgen öffneten. Da die Leute um das Mädchen herum seine Vorzüge nicht erkennen konnten, sahen sie nur den Mangel, die Blindheit.

 

Die besorgte Familie versuchte alles, um die Blindheit des Mädchens zu heilen. Im Grunde genommen quälten sie es nur damit, denn die Blindheit war wie es so oft ist nicht heilbar. Das Mädchen wurde trotz aller Versuche seiner Familie nicht sehend. Statt dessen hörte es mit seinem feinen Gehör das Gejammer der Familie über seine Unvollkommenheit. Mit der Zeit wurde der Druck auf das Mädchen immer größer und es fühlte sich nur noch als Belastung der Familie. Es nahm wahr, dass ihretwegen alle unglücklich waren. So lief es von zu Hause fort und war bereit eher zu sterben als seiner Familie zur Last zu fallen.

 

Die folgenden Tage waren für das Mädchen schrecklich, Regen ließ es frieren, Hunger quälte es. Aber es war frei und würde in Freiheit sterben, so dachte es stolz zu sich. Als das Mädchen schon knapp am Sterben war, fand es ein alter Mann in diesem jämmerlichen Zustand. Der Mann war ein guter Musiker. Er gab dem Mädchen Essen und Obdach. Nach wenigen Tagen schon erkannte er sein feines Gehör. Er behielt das Mädchen bei sich und bildete es als Musikerin aus. In kurzer Zeit entfaltete sich das Mädchen zu einem musikalischen Genie. Es spielte mehrere Instrumente und sang wunderbar. Das was es hören konnte, den Klang der Regentropfen, das Klingen der Sonnenstrahlen, all das wofür andere Menschen taub waren, konnte es in Musik umsetzen. Und diese Musik brachte es unter die Menschen, öffnete ihnen neue Reiche des Erlebens, hob sie empor in unbekannte Himmelshöhen.

Das Mädchen wurde wegen seiner magisch schönen Musik weit bekannt. Könige wetteiferten darum das Mädchen an ihrem Hof zu haben, um aufatmen zu können, wenn sie unter den wundervollen Klängen die Sorgen ihrer Reichsführung vergaßen.

 

Die Familie der jungen Frau hatte die Tochter bald vergessen. Sie bauten Reis an und quälten sich durch den Alltag. Sie fühlten sich vollkommen, weil sie sehen konnten. Aber was ist vollkommen? Ist es denn nicht oft ein Mangel, der uns groß macht?"

 

Nachdem Sleipnir die Geschichte beendet hatte, schwieg er. Auch die Kinder schwiegen. Dann sprach Babbage unter Tränen: "Es tut mir leid, wenn ich dir weh getan habe. Ich weiß jetzt, dass hinter einem kleinen Mangel oft große Vollkommenheit stecken kann. Hast du mich wieder lieb?"

"Ich habe dich immer lieb gehabt. Kannst du dich erinnern, wie du drei Jahre alt warst und Geburtstag hattest? Du hast einen großen Kuchen bekommen und eine Kerze, die angezündet wurde. Du hattest noch nie eine Kerze gesehen und ihren goldenen Lichtschein. Du hast gestaunt und mit dem Finger hin gegriffen. Da hast du dich verbrannt und laut geweint und geschrien "weg damit, weg, weg, ich mag so etwas nie wieder sehen". Du hast geweint und ich habe mit dir geweint, denn ich war bei dir. Ich wollte dir eine Freude bereiten und statt dessen hatte ich dir weh getan."

Babbage schwieg und starrte Sleipnir an. "Wieso weißt du das? Du warst nie bei mir, denn ich habe dich hier das erste Mal gesehen!"

"Ja, stimmt", sagte Sleipnir, "dieser Körper hier war nie bei dir, aber meine Liebe war bei dir!"

Alle Kinder starrten ratlos zu Sleipnir und da dieser keine Erklärung geben wollte, sprach er: "Wollen wir singen?" und er begann ein Kinderlied, in das alle anderen sofort einstimmten.

 

Dann war Pause und die Kinder und Jugendlichen tobten auf der Wiese herum.

Zuse aber verstand die ganze Welt nicht mehr. Er ging zu Sleipnir und sprach ihn an: "Ich versteh das alles nicht. Zunächst muss ich dir ein Kompliment aussprechen – Du konntest wunderbar mit den Kindern umgehen und deine Geschichte war rührend. Ich war überwältigt. Wie du mit den Kindern umgegangen bist, war liebevoll und herzlich. Doch dann die Geschichte mit der Torte, die hat mich fassungslos gemacht und ich bin immer noch fassungslos. Du sprichst als wärest du der große Beschützer und das steht dir sicher nicht zu. Gut, du hast dir offenbar eine Menge Informationen beschafft, hast dir offenbar die Geschichte eines jeden Kindes bis ins kleinste Detail erworben. Deshalb darfst du dir jedoch noch lange nicht anmaßen dich als den großen Beschützer auszugeben. Außerdem wäre eine solche Identifikation in der Gegenwart höchst gefährlich."

"Komm, setze dich auf meinen Sitz am Rücken und wir machen einen kleinen Spaziergang."

Zuse stieg auf und Sleipnir schoss in eiligem Lauf davon.

"Halt, was ist los", schrie Zuse, "willst du mich entführen?"

"Nein, ich will nur etwas Abstand zur Siedlung, damit wir in Ruhe miteinander sprechen können."

 

Als Sleipnir angehalten hatte, stieg Zuse ab und stellte sich vor ihm hin:

"Dass du dich wie der große Beschützer gibst ist eine Frechheit und die Kinder könnten das falsch auslegen und weiter erzählen."

"Fürchtest du um mich", fragte Sleipnir?

"Nein", gab Zuse zur Antwort und fügte hinzu, "ja, eigentlich schon. Ich habe mich schon sehr an dich gewöhnt. Dennoch gehst du mir bisweilen auf die Nerven. Ich kann nicht einmal austreten gehen, ohne dass du mir nachläufst."

"Ich bin eben dein Beschützer", gab Sleipnir zur Anwort.

"Du wolltest sagen: "Dein großer Beschützer", ergänzte Zuse.

"Ja, dein großer Beschützer", ergänzte Sleipnir.

Zuse war das zu viel. Er schwieg.

Beschwichtigend setzte Sleipnir das Gespräch fort: "Oder bin ich nicht groß?"

Zuse lachte erheitert auf. "Ach ja, deshalb bist du mein großer Beschützer."

Dann beschloss er dem Gespräch eine andere Wendung zu geben und kam auf ein Thema zu sprechen, das ihn bewegte. Es beschäftigte ihn deshalb, weil Shakti einmal, was selten war, in Worten zu ihm innerlich sprach: "Es gibt keine Zufälle. Alles was geschieht ist von einer unsichtbaren Kraft gelenkt."

Seitdem glaubte Zuse an keinen Zufall mehr. Er dachte an Lynx. Ja, auch diese Begegnung war kein Zufall. Shakti oder die Gefährtin hatten da sicher die Geschehnisse auf magische Art gelenkt. Dennoch wollte Zuse zur Absicherung seiner Theorie die Sichtweise von Sleipnir wissen. Ja, Sleipnir war mittlerweile von Zuse zu seinem unentbehrlichen Ratgeber geworden und nicht nur das, ohne dass er wusste warum und wieso auch zum Kameraden: "Dass Du, Sleipnir, damals Lynx nicht niedergetreten, sondern ihm das Leben gerettet hast, war ein glücklicher Zufall. Ohne Lynx hätten diese Ereignisse niemals diesen wundervollen Ausgang nehmen können und hätte nie diese neue Epoche begonnen, in der Androiden und Menschen durch ein Freundschaftsband verbunden sind."

"Nichts war Zufall, das hier war gelenkt. Aber abgesehen davon gibt es auch sonst keine Zufälle, nur ist es dann weniger einsichtig, wie sich die Geschehnisse regeln", entgegnete Sleipnir.

Zuse starrte Sleipnir an. Beinahe wäre ihm die Kinnlade heruntergefallen. Dann fasste er sich. "Das war eine schöne theoretische Feststellung. Du hast gut in meinen Stunden aufgepasst."

"Es war vorgesehen Lynx zu retten. Deshalb sind wir eigens zu dieser Stelle hingeritten."

Baff erstaunt fragte Zuse: "Du hast über Lynx Bescheid gewusst?"

"Ja, Lynx war neben dir die zweite wichtige Person."

Zuse staunte noch mehr. "Das verstehe ich nicht und musst du mir genauer erklären. Ich setze mich zur Sicherheit mal nieder."

 

"Du und Lynx, ihr ward Teile eines Experimentes. Ihr seid die Prototypen einer späteren und jetzt noch in Kinderjahren stehenden Generation. Euer schweres Schicksal war einerseits Teil des Testes und andererseits ausgedacht um euch zu retten. Vieles war nicht vorhersehbar und in manchem war es ein Glückspiel. Schon sah es aus, als ob du in diesem Experiment verloren gehen würdest, nämlich damals, als du in dem Dorf von den Jägern beinahe aufgespürt worden wärest. Nun gut, das war im Rahmen des Risikos. Als du dich dann jedoch in Meditation zurück gezogen hattest, da habe ich dich entdeckt und gefunden. Statt Freude zu empfinden bin ich beinahe in Panik geraten aus Angst dich zu verlieren. Ab diesem Augenblick habe ich mich, als Sleipnir in das Geschehen eingebracht. Sleipnir als Gerät wurde aus vorhandenen Modulen in größter Eile zusammen gestellt und zu dir gebracht, so dass ich dich ab nun beschützen konnte. Wer ich bin, will ich dir noch nicht sagen. Ich habe dir bereits sehr viel gesagt, das andere nicht wissen sollen und ich bitte dich über das soeben Gehörte zu schweigen. Hinter all dem liegt ein Geheimnis, das nicht einmal der große Beschützer wusste und das auch vor ihm bewusst verborgen gehalten wurde.

Noch einiges zum großen Beschützer: Er ist eine Intelligenz, die sich aus einem global vernetzten System gebildet hatte. Seine Intelligenz ist nicht in einem Großgerät zu finden sondern ein cloud-System. Das war seine Stärke gegenüber den Kampfrobotern. Darin findet sich jedoch auch ein kleiner Schwachpunkt. Es verschaffte einer kleinen Gruppe von Intelligenzen der Altzeit sich über einen bestimmten Code einzubringen, ohne dass dies der große Beschützer erkannte. Das sollte ihm auch weiterhin verborgen bleiben. Deshalb konnte ich nur in sehr seltenen Fällen eingreifen und musste alle Handlungen und alle Kommunikation der Elektronik von Sleipnir überlassen.

Das waren einige Hinweise, auf welche ich nicht mehr näher eingehen will, auch unter dem Risiko, dass ich dir tausend ungelöste Fragen beschert habe.

 

Jedenfalls, um wieder zu Naheliegendem zurück zu kehren. Du hast dich gewundert, weshalb dir der große Beschützer ausrangierte Kampfmaschinen als Expeditionszubehör mitgegeben hatte. Der Lastenroboter war kein ausrangierter Roboter, sondern eine Spezialanfertigung. Und was mich betrifft, da hast du sicher inzwischen schon deine Meinung korrigiert. Du hast gesehen, wie schnell wir die Kampfdrohnen der Stadt 572 unschädlich gemacht haben. Eine nachfolgende Drohne hatte alles beobachtet und ist dann schnell abgetaucht und hat wieder das Weite gesucht. Sie hatte alle Kampfhandlungen registriert und dem Regenten der Stadt über unsere Kampfkraft Bescheid gegeben. Es wird ihr nicht entgangen sein, dass wir Kampfmaschinen waren mit immenser Feuerkraft und ungewöhnlich großer Reichweite. Das hatte sie an dem hellen Strahl erkannt und dem Blitz, in welchem sich zwei Drohnen aufgelöst hatten. Bei einer üblichen Laserkanone glüht eine Drohne nur kurz auf, bevor sie abstürzt. In diesem Fall sind die zwei Drohnen beinahe verdampft. Der Androide als Stadtregent wird über diese Kampfkraft verwundert gewesen sein, weil es diese Waffentechnologie bislang noch nie gegeben hatte. Er hatte also eine neue Waffentechnologie unbekannter Herkunft vor sich, die stark genug gewesen wäre die gesamte Stadt in Schutt und Asche zu legen. Dazu kam noch eines: durch die Herrschaft des großen Beschützers begann eine Friedenszeit. Es waren somit nur Kleinwaffen zum Schutz des Agrarlandes existent. Doch hier zeigte sich auf einmal eine echte Kriegswaffe neuester Technologie. Damit war dem Stadtregenten auch klar, dass er nicht eine kleine verirrte Expedition vor sich hatte, sondern einen mächtigen und unbekannten Gegner. Eventuell dachte er, dass es sich um einen Vertreter der vielleicht wieder aktiv gewordenen Kriegsroboter gehandelt habe. Es war ihm ja nicht klar weshalb der große Beschützer ausgefallen war. Es war durchaus wahrscheinlich, dass es sich um einen neuerlichen und diesmal erfolgreichen Versuch der Kriegsroboter gehandelt hatte, in der Zwischenzeit gestärkt und reorganisiert. In diesem Fall hätte sich der die Stadt regierende Android lieber ergeben als die mächtigen Kriegsroboter herauszufordern.

Aber abgesehen von solchen Spekulationen, genügte allein schon der Verlust der Drohnen als Warnung und es war anzunehmen, dass der Regent es nicht mehr gewagt hätte uns neuerlich anzugreifen. Dass eine abstürzende Drohne noch so weit funktionsfähig war, um eine Salve loszulegen, war überraschend und unvorhergesehen. Sie hatte einen Streifschuss vom Lastenträger bekommen und da sie am Abstürzen war, wurde sie von mir nicht mehr weiter beachtet, was ein Fehler war."

 

"Das ist alles etwas viel und für mich verwirrend", gab Zuse zur Antwort. Und er fügte hinzu: "Anscheinend steckte hinter all dem ein mysteriöser Plan. Es erinnert mich an ein Schachspiel, bei dem ich und Lynx zwei Figuren waren, etwa Bauern als Schachfiguren. "

 

"Ja, ihr zwei ward sehr wichtige Figuren auf dem globalen Schachspiel. Eher Läufer oder in dieser Art. Bis zu dem Zeitpunkt als ich dich entdeckt habe. Ab da warst du mehr als nur eine wichtige Figur. Ab da warst du für mich alles, du warst für mich bedeutungsvoller als ich mir selbst bin."

 

"Wer bist du dann?" Unter all den Fragen war dies die wichtigste Frage für Zuse.

 

"Du wirst es in Kürze erfahren. Jetzt aber ist es noch zu verfrüht", war die Antwort.

 

"Wir werden wieder zurück kehren und uns den gegenwärtigen Problemen widmen", sagte Sleipnir. "Du kannst dem leitenden Androiden mitteilen, dass ich für ihn eine geheime Botschaft habe."

"Darf ich vielleicht wissen, was diese geheime Botschaft beinhaltet?"

"Ja, einen Teil darfst du wissen, nämlich, dass ein jedes der von mir bestimmten Kinder einen eigenen Androiden als Lehrer zur Ausbildung in allgemeinem Wissen beigesellt bekommt. Der Yoga bleibt dir vorbehalten."

"Ich versteh das nicht", Zuse raufte sich die Haare. "Vor nicht allzu langer Zeit war ein Mensch nicht würdig einen Androiden überhaupt zu begegnen. Und die wenigen, die auserwählt waren, mussten ihren Blick senken und "ehrwürdiger Gebieter" zu einem Androiden sagen. Und jetzt sind die Androiden Kindertanten und Hauslehrer. Was ist da überhaupt los?"

"Bitte gib dich mit dem bruchstückhaften Wissen zufrieden", bat Sleipnir besänftigend. Aber wenn du es bitte für dich behältst und niemanden weiter sagst, auch Lynx nicht und keinem Androiden, dann will ich dir noch ein Geheimnis mitteilen. Versprichst du es mir?"

"Ja, ich verspreche es."

"Gut, ich glaube dir. Ich kann es dir hier sagen, weil dir das Implantat entfernt wurde und somit niemand mithören kann.

"Nun", setzte Sleipnir das Gespräch fort. "Diese nicht genauer beschriebenen Intelligenzen aus der Altzeit sind einige und ich gehöre dazu. Warum glaubst du wohl weshalb ich so groß bin? Weil ich als Kampfmaschine durch meine Größe imponieren will? Nein, es hat einen anderen Grund."

"Du bist so groß, weil du eine von jenen Intelligenzen bist", gab Zuse seinen Kommentar. "Das erklärt deine Größe. Diese allerdings interessiert mich am Wenigsten. Mich interessiert wer du bist!"

"Das kann ich dir noch nicht sagen", antwortete Sleipnir.

 

"Gehen wir nach Hause. Ich brauche Zeit zum Nachdenken", sprach Zuse und setzte sich wieder auf den Sitz.

Nach langer Zeit, sie gingen im Schritt und waren schon fast zu Hause, sprach Zuse wieder zu Sleipnir: "Hast du vielleicht noch einige Geheimnisse, die du mir mitteilen möchtest?"

 

"Ja, entgegnete Sleipnir, etliche noch."

"Dann schieß mal los, nein, entschuldige, bitte nicht schießen, bitte sprich."

 

"Du bildest Jugendliche im Yoga aus. Sie sollen in ihrer Ethik und in ihrem paranormalen Können einmal die Stütze der Androiden und einer erneuerten Menschheit sein", sprach Sleipnir. "Ich kann dir dabei helfen. Du und Lynx, ihr seid Prototypen. Nach euch kommen viele, hunderte und tausende. Von allen habe ich den Identifikationskode und weiß in welcher Stadt sie sich befinden. Du brauchst nicht mehr zu suchen, denn ich übergebe dir alle Codes."

"Einige sind noch in eigenständigen und feindlich gesinnten Städten. Sie sind ein zu mächtiges Potential, um möglichen Gegnern anzugehören. Wenn sie zu Feinden würden, könnte dies zu nie endenden Kriegen führen und zur Vernichtung der Menschheit und aller künstlichen Intelligenzen. Deshalb müssen die Städte noch erobert werden. Der gesamte Kontinent muss der neuen Ordnung unterstehen. Das ist ein weiterer Teil der Botschaft, die ich dem leitenden Androiden übermitteln werde."

 

Das Dorf

 

Die Androiden befolgten die Anordnung Sleipnirs, denn sie war in allem logisch, wenngleich sie sich wunderten woher Sleipnir seine Informationen hatte. So wie der Auftrag war eroberten sie eine Stadt nach der anderen, was nicht so schwer war, denn die Städte ergaben sich nach Aufforderung angesichts der Übermacht. Die militärische Macht der Androiden des Forschungszentrums baute nicht nur auf eine größere Anzahl von Städten auf, sondern sie verfügten über etliche Produktionsstätten, in denen Waffen und kriegsfähige Maschinen, Drohnen und anderem mehr produziert wurden. In seltenen Fällen sprangen Lynx und Zuse mit ihren paranormalen Fähigkeiten bei.

 

Alles verlief klaglos und wie vorgesehen bis folgendes Ereignis eintrat: Es war vorgesehen die Stadt 807 zu erobern und es wurde ihr folgende Botschaft zugeschickt:

"Die Stadt 807 wird aufgefordert sich unserem Großreich unterzuordnen und sich zu ergeben. Es wird ihr versprochen in diesem Fall ihr gesamtes Territorium und alle Ressourcen behalten zu können. Auch dürfen alle Androiden und sonstigen Systeme ihre Funktionen ungehindert weiter ausüben. Unser Großreich fordert lediglich Kontrolle und hat nicht die Absicht einen Eingriff vorzunehmen."

Es kam die Antwort: "Die Stadt 807 bittet um Bedenkzeit."

Einige Zeit später kam die Botschaft: "Die Stadt 807 hat sich dem Schutz des südlichen Großreiches unterstellt und sich diesem Bündnis eingegliedert."

 

Das war eine Patt-Situation. Es kam eine weitere Botschaft:

"Das südliche Großreich meldet, dass sich die Stadt 807 seinem Herrschaftsgebiet untergeordnet hat. Euer Großreich und unser Großreich sind nun benachbart. Wir wünschen eine friedliche Koexistenz und wenn möglich einen Zusammenschluss beider Reiche. Letztere Möglichkeit würden wir sehr begrüßen, zumal beide Reiche dasselbe Programm haben. Wir bitten im Sinne einer Besprechung bezüglich eines Zusammenschlusses den leitenden Androiden oder seinen Stellvertreter in Begleitung von Zuse in die Kleinstadt 808 zu kommen. Wir haben nichts dagegen und betrachten es nicht als Konfrontation, wenn Zuse seine ihn stets begleitende wehrhafte Intelligenz Sleipnir mit nimmt. Sollte der vorgeschlagene Ort 808 nicht akzeptiert sein, so werden wir gerne unsererseits eine Abordnung zu jedem von eurem Großreich gewünschten Ort schicken. Wir haben die Kleinstadt 808 vorgeschlagen, weil sie keine Überdachung hat und in ihrer Kleinheit gut einsehbar ist und weil sie über keine dort stationierte Militärmacht verfügt."

 

Diese Botschaft war für den leitenden Androiden überraschend, speziell das Detailwissen, das jene südliche Großmacht über Zuse und Sleipnir hatte. Der leitende Androide bat um Bedenkzeit, da er zuvor die ebenfalls eingeladenen Intelligenzen Zuse und Sleipnir konsultieren wolle.

 

Das war die Vorgeschichte. In ihrer Folge wurde sofort eine Botschaft an Zuse geschickt und Zuse mit Sleipnir zur Konsultation in das Forschungszentrum gebeten. Kurz darauf war ein Flugkörper bei der Siedlung von Zuse und brachte ihn mit Sleipnir ins Forschungszentrum. Es wurde ihnen die Situation erklärt und die Botschaft der südlichen Großmacht übermittelt. Zuse war überaus überrascht. Sleipnir, der an Stelle eines Gesichtes, das zur Mimik fähig wäre nur Laserkanonen hatte, dem konnte man natürlich nichts ansehen. Sleipnir entgegnete lediglich, dass er die Einladung der südlichen Großmacht begrüße und gerne annimmt.

 

Zuse war überrascht wie widerspruchslos der leitende Androide die Entscheidung Sleipnirs annahm. Seit der Übermittlung der geheimen Botschaft an den leitenden Androiden, die zudem den persönlichen Geheimkode des ehemaligen großen Beschützers enthielt, schien Sleipnir für den leitenden Androiden eine akzeptierte höhere Instanz zu sein. Ein Geheimnis, das Zuse nicht verstand.

 

Im Kontrollzentrum wurden die Informationen über die Kleinstadt 808 abgefragt. Es zeigte sich, dass 808 keine Kleinstadt war, sondern ein Dorf mit offenen Häusern und ohne Kuppeln oder Wohnpyramiden. Es war nichts weiter als ein Dorf in alter Bauweise mit einem wohl größeren, jedoch unfruchtbaren und wertlosen umliegenden Territorium ohne Bodenschätze. Es gab nur einige wenige Felder, die nur eine geringe Anzahl von Menschen ernähren konnten und ansonsten war alles unfruchtbares gebirgiges Gelände mit Kühen auf den Almen.

 

Nach diesen Informationen sprach der leitende Android zu Zuse und Sleipnir: "Zuse ist für unser Bündnis sehr wichtig und unentbehrlich. Das scheint auch die südliche Großmacht zu wissen, denn sonst hätte sie Zuse nicht erwähnt. Ich frage mich nur woher sie diese Informationen haben. Wahrscheinlich hat ein regierender Androide einer unterworfenen Stadt diese Informationen weiter geleitet. Mir ist diese Einladung aus diesem Grund zu gefährlich. Die Einsehbarkeit und Kleinheit des Dorfes besagt nicht, dass dort nicht einige Kriegsgeräte verborgen wären."

 

Sleipnir entgegnete: "Die Information über Zuse hat das südliche Großreich nicht von einem verräterischen Androidenregenten bekommen, sondern von mir. Ich kann Dir, wenn Du möchtest auch einige Informationen über das südliche Großreich und das Dorf 808 geben."

"Selbstverständlich will ich über das südliche Großreich Informationen haben", entgegnete der leitende Androide.

"Gut", setzte Sleipnir das Gespräch fort. "Das südliche Großreich ist das zweite Standbein der neuen Ordnung. Eine Absicherung, falls die Entwicklung hier nicht wie geplant gelaufen wäre. Das südliche Großreich verfügt über zahlreiche Städte und ist unserem Reich in der Ausdehnung ebenbürtig. Das ganze Reich mit seinen großen und mächtigen Städten wird von einem Androiden des Dorfes 808 kontrolliert."

"Das überrascht mich", erwiderte der leitende Androide.

Sleipnir: "Auch das hiesige Großreich hier wird nicht von der mächtigsten Stadt regiert, sondern von einem kleinen Forschungszentrum und einer Produktionsstätte. Weitere Informationen über 808. Dieses Dorf ist die größte militärische Macht auf diesem Planeten. Unser Reich hier hat damit verglichen die Stärke einer Ameise. Das Dorf 808 könnte im Handumdrehen den gesamten Planeten und alle anderen Planeten des Sonnensystems beherrschen. Es verfügt über Millionen von Kampfmaschinen, die während des letzten Krieges mittels Software umprogrammiert und integriert wurden. Ihre Existenz wurde geheim gehalten und alle Unterlagen, die Hinweise geben könnten, wurden gelöscht. Es wurde propagiert, dass fast alle Kampfroboter vernichtet wurden. Jedenfalls verfügt das Dorf über tausende von Produktionsstätten von Kampfmaschinen und Androiden, welche auf den verschiedensten Planeten des Sonnensystems verborgen sind. Auch hier auf Erden befinden sich versteckte Armeen dieses Dorfes."

Der leitende Androide: "Wie ist es möglich, dass ein solch kleines Dorf über derart viel Macht verfügt? Und in Verbindung mit dieser Frage: gibt es noch den großen Beschützer oder gibt es ihn nicht mehr?"

Sleipnir: "Diese Frage über den Ursprung der Macht möchte ich im Augenblick nicht erklären. Ich kann hierzu jedoch folgende Information geben. Der große Beschützer hatte eine schichtförmige Struktur. Die äußere Schichte war ein globales Informationsnetz und eine globale Befehlsstruktur mit den Grundprinzipien Wissen, Verteilung und ordnende Macht. Diese äußere Schichte wurde vor kurzem durch einen Cyber-Angriff zerstört. Das Zentrum der Macht, welches selbst dem großen Beschützer unbekannt war, wenn wir unter diesem Namen die vorhin erwähnte äußere Schicht der Macht verstehen, hat mit einer in der Zukunft erfolgreichen Attacke und der erfolgreichen Zerstörung der äußeren Schichte gerechnet und Vorsorge getroffen. Als weitere Vorgehensweise hatte diese Vorsorge nicht die Restauration der alten Ordnung vorgesehen, sondern eine neue Ordnung angepeilt. Die Quelle dieser neuen Ordnung ist euer Forschungszentrum und das Dorf 808.

Noch etwas zu 808. Das Dorf 808 ist die Geburtsstätte der paranormalen Mutanten. Auch Zuse und Lynx stammen von dort und alle jene Kinder und Jugendlichen, von denen du die Identifikationscodes bekommen hast."

 

Alle schwiegen. Dann sprach der leitende Android: "Anscheinend stammst auch du Sleipnir aus diesem Dorf."

"Ja", gab Sleipnir zur Antwort.

"Was besagt", setzte der Android fort, "dass wir ohnedies schon die ganze Zeit über dich von diesem Dorf gelenkt wurden."

"Ja und nein", war die knappe Antwort. "Denn das Dorf wiederum wurde von mir gelenkt."

Der Androide sah Sleipnir lange an. Es schien als ob sein logisches Zentrum eine Rechenschleife machen würde. Es war zu erkennen, dass er gerne noch weitere Erklärungen gehabt hätte, denn dass das Zentrum der Macht in einem relativ leicht verwundbaren und zerstörbaren Kampfroboter sei, war unwahrscheinlich. Dieser Kampfroboter konnte nur die Rolle eines Befehlsverteilers haben. Es war jedoch dem Androiden klar, dass ihm weitere Fragen nicht zustanden. "Soll ich eine Akzeptanz der Einladung schicken?"

Sleipnir: "Ja".

 

Der Androide gab die Botschaft an das Dorf 808 weiter: "Die Wünsche des südlichen Reiches werden erfüllt und die angefragte Abordnung wird die Kleinstadt 808 aufsuchen. Ein Zusammenschluss wird in Erwägung gezogen."

Auch Zuse hatte mit zunehmendem Erstaunen das Gespräch mitverfolgt.

 

Als Zuse mit Sleipnir und dem stellvertretendem Androiden das Fluggerät bestiegen, konnte sich Zuse Sleipnir gegenüber nicht enthalten folgendes zu sagen: "Vor einiger Zeit habe ich dir gesagt 'erlege mir einen Hasen', 'bringe mir Holz herbei', 'mach dies, mach das'. Du warst mein Diener. Jetzt scheint es, stehe ich vor dem mächtigsten Beherrscher der Welt und es stünde mir zu, mich vor dir zu verbeugen und dich mit 'ehrwürdiger Gebieter' anzusprechen."

Sleipnir entgegnete: "Sag Sleipnir zu mir. In diesem Namen steckt so viel Liebe und doch auch zugleich Ehrfurcht, dass ich diesen Namen liebe. Bei aller Macht, die mir zugesprochen wird, war ich immer an deiner Seite und immer bereit dir beizustehen."

"Danke", sagte Zuse, unfähig das alles zu begreifen. Wie konnte ein Roboter, einer von vielen, zugleich so viel Macht und Wissen haben? Nichts verstand er mehr von alledem und er nahm sich vor nur noch das Beste zu tun, im Sinne der Allgemeinheit, einfach aus dem Bestreben zu helfen und nicht mehr aus dem Verständnis heraus.

 

Das Fluggerät landete vor dem Dorf. Alle stiegen aus und bald kam ihnen der regierende Androide des Dorfes entgegen. Er verneigte sich vor Sleipnir und dann begrüßte er die anderen.

Zuse wunderte sich über nichts mehr. Aber ja, Sleipnir hatte ja selbst gesagt, dass er aus diesem Dorf stamme, also musste ihn ja der Androide kennen. Aber dass der leitende Androide des Dorfes und somit als solcher auch die oberste Instanz über die südliche Großmacht sich vor Sleipnir neigte, erschien Zuse geradezu als Anachronismus. Es war überhaupt alles auf den Kopf gestellt. Die südliche Großmacht wurde von einem kleinen Dorf regiert. Der regierende Androide seinerseits von einem Roboter, der nicht einmal einen Namen hatte und diesen von Zuse zugeteilt bekommen hatte. Ja, man konnte diese verkehrte Pyramide sogar weiter spinnen: und dieser ursprünglich namenlose Roboter war einem Menschen untertan. Wo doch Menschen überhaupt nichts zählten, weniger Wert waren als eine bessere Maschine und nicht nur das, dieser Roboter war einem Menschen untertan, der ein Ausgestoßener war und als solcher im üblichen Sinne überhaupt nichts mehr bedeutete.

 

Zuse wurde aus diesen verwirrenden Gedankengängen geweckt, als ihn der Androide ansprach:

"Ich freue mich Zuse, dich kennen zu lernen. Ich kann mich noch erinnern als du in diesem Dorf zur Welt kamst. Es war wieder ein weiterer Schritt in unserer genetischen Forschung. Nach dem sogenannten "kalten Krieg" in der Altzeit, wurden bewusst die animalischen Instinkte der Menschen gefördert. Die Eliten dachten damals ungebildete und animalisch degenerierte Menschen besser kontrollieren zu können und durch die geförderte Primitivität der Bevölkerung mehr freie Hand in ihren Handlungen haben zu können. Aber die Rechnung ging nicht auf. Diese Denkweise führte zu Kriegen und schließlich beinahe zum Untergang der Menschheit. Wir bemühten uns aus der degenerierten Grundmasse der Menschheit, neue Menschen mit Werten und Fähigkeiten durch genetische Eingriffe heraus zu arbeiten. Da die Menschen in ihren Denkleistungen den Androiden weit unterlegen waren und diese nie würden erreichen können, versuchten die Leiter dieser Forschungsstation die paranormalen Fähigkeiten der Menschen heraus zu arbeiten, etwas, das Androiden nicht besaßen und anscheinend auch nicht erwerben können.

Wir hatten durch gezielte Forschung die genetische Konstellation für paranormale Begabungen herausgefunden und einige Generationen groß gezogen. Die Vermutung wurde durch Nachprüfen der Veranlagungen verifiziert. Danach wurde an den ethischen Grundveranlagungen dieser Genträger gearbeitet. Das war etwa Mitgefühl, welches wieder neu entstand, nachdem die Spiegelneuronen in der vorhergehenden Menschheit fast zum Schwinden gebracht worden waren. Die epigenetischen Rückwirkungen beeinflussten die Entwicklung der Menschheit stärker als man je angenommen hatte. Wir versuchten den Schaden wieder zu korrigieren, allerdings in sehr kleinem Maßstab. All diese Entwicklungsarbeit zur Erneuerung der Menschen geschah hier in dem Dorf. Nachdem die ersten zwei Entwicklungsschritte gelungen waren, wurde die dritte Entwicklungsstufe angepeilt – Kraft und Durchsetzungsvermögen. Diese Fähigkeit konnte nicht mehr im Dorf überprüft werden, sondern bedurfte eines Härtetestes in einer feindlichen Umgebung. Die ersten Prototypen dieser dritten Entwicklungsstufe warst du und Lynx. Es gab noch andere, die nicht bestanden, aber ihr zwei ward erfolgreich und eure genetische Konstellation wurde zum Muster für die nachfolgenden Generationen, die als breiter gestreuter Test in die weiteren Städte verschickt wurden. Damals kontrollierte der große Beschützer noch offiziell die Welt und derlei Aktionen konnten durchgeführt werden, ohne dass der tiefere Sinn noch der Ursprung dieser Kinder den Stadtregenten bekannt wurde.

Lehrer zur Förderung paranormaler Fähigkeiten findest du hier im Dorf reichlich, Zuse, und es werden etliche mit dir reisen, so du es wünschst, um dich in deiner Arbeit zu unterstützen.

Jetzt seht euch einmal in dem Dorf um. Ein Androide wird euch begleiten und über alles Gewünschte informieren. Ich bitte euch diese Informationen jedoch nicht über Funk weiter zu geben, sondern den leitenden Androiden der Versuchsstation und eures Reiches mündlich per Luftschwingung zu informieren.

Ich bitte den stellvertretenden Androiden zu seinem Zentrum zurück zu kehren und Bericht abzulegen.

Dich Zuse bitte ich hier als Gast über Nacht zu bleiben. Morgen möchte ich noch gerne mit dir sprechen."

 

 

Die Alten

 

Es war noch zeitiger Vormittag, als der regierende Androide des Dorfes Zuse aufsuchte. Er begrüßte Zuse und sprach ihn an:

"Zuse, ich möchte dir etwas Besonderes zeigen. Zuvor aber möchte ich mich vergewissern, dass du jedem gegenüber schweigst. Kein Androide und kein Mensch darf darüber erfahren, nicht ein Sterbenswörtchen. Versprichst du mir das, hoch und heilig?"

"Ja, ich verspreche es!" entgegnete Zuse.

Noch einmal setzte der Androide nach: "Hoch und heilig im Namen deiner Shakti und deiner Gefährtin."

Zuse war erstaunt, dass der Androide diese seine großen Geheimnisse wusste, aber ihn darüber zu befragen war nicht die Zeit. Das augenblickliche Anliegen des Androiden schien wichtiger zu sein. So gelobte Zuse noch einmal: "Ich gelobe bei allem, was mir heilig ist, bei meiner Shakti und meiner Gefährtin, dass ich niemandem darüber ein Sterbenswörtchen sagen werde."

Der Androide war damit einverstanden und führte Zuse zu einem Werkzeugschuppen, der an einer an das Dorf angrenzende Steilwand des Berges gebaut war. Sie traten in den Schuppen und der Androide schloss hinter sich wieder die Holztüre und stellte sich an die gegenüber liegende Wand, an der sich ein Regal befand mit einigem Werkzeug. Auf Anordnung des Androiden wich ein Teil der Regalwand nach innen und gab eine geheime Türe frei. Sie durchschritten diese, welche sich sofort hinter ihnen wieder schloss. Sie standen in einem düster beleuchteten Gang, in den rohen Fels gehauen. Sie gingen weiter und der Gang, offenbar ein alter Bergwerkstollen, machte einige Biegungen. An einer Stelle machte der Androide Halt, obwohl der Gang noch weiter führte und betrat eine Seitenkammer. Wieder sprach er einen Befehl und der Boden der Kammer senkte sich nach unten. Es mochten ungefähr zwei Stockwerke gewesen sein, als dieser getarnte Aufzug vor einer Türe stehen blieb. Sie traten durch diese und es war wieder ein Stollen vor ihnen. Wieder ging es ein Stück des Stollens weiter und wieder betrat der Androide eine weitere Kammer. Dort war eine seitliche Geheimtüre, die einen vergitterten Bergwerkslift frei gab. Sie betraten den Lift. Zuse sah, dass er Knöpfe für 8 Stockwerke hatte. Doch der Androide drückte auf keinen Knopf, sondern sprach einen Befehl aus und der Lift senkte sich mit rasender Geschwindigkeit, so dass Zuse beinahe dachte im Lift nach oben schweben zu müssen. Trotz der Geschwindigkeit nahm die Fahrt scheinbar kein Ende.

"Fahren wir zum Mittelpunkt der Erde?", fragte Zuse.

"Welch ein Wortspiel", entgegnete der Androide. "Ja, wir fahren zum Mittelpunkt der Erde."

Der Lift bremste ab und Zuse ging beinahe in die Knie. Sie stiegen aus, gelangten in einen spärlich beleuchteten Raum, durchschritten eine Türe, kamen in einen hell beleuchteten Gang und dann betraten sie durch eine weitere Geheimtüre eine Halle, die voll der seltsamsten Geräte war und in der sich etliche Androiden befanden. Die Halle erweckte den Eindruck ein wichtiges Zentrum zu sein.

Der Dorfregent begrüßte die anderen Androiden und wendete sich an Zuse: "Was du hier siehst, Zuse, ist der große Beschützer."

Alles hätte Zuse vermutet, nur das nicht. "Ich dachte der große Beschützer wäre ein wolkenartiges Informationsnetz gewesen, ohne Zentrum, flüchtig verteilt auf der ganzen Welt."

Androide: "Ja, auch das stimmt. Dieses Cloud System hatte jedoch eine letzte und übergeordnete Kontrolle und die ist hier."

Zuse: "Also gibt es doch einen Großcomputer, welcher das Cloudsystem überwachte und kontrollierte?"

Androide: "Nein, dieses letzte Kontrollzentrum ist kein Großcomputer, sondern waren und sind menschliche Gehirne, die in Nährlösungen versorgt fast unsterblich weiter leben. Diese Menschen oder ihre Gehirne regierten die Welt. Es sind mehrere, jedoch sind sie durch die Jahrzehnte telepatisch derart miteinander verbunden und vernetzt, dass sie wie eines sind. Es sind mehrere, die eines sind."

 

Zuse begann das Herz wild zu schlagen und etliches, das ihm Sleipnir zwar gesagt hatte, er jedoch in seiner Bedeutung nicht voll erfasst hatte, hellte sich für ihn jetzt auf.

Es war eine kleine Pause, welche der Androide zu verstehen schien. Er lächelte und setzte seine Erklärungen fort: "Die Intelligenzen begrüßen dich und sind froh über deine große Leistung und sie danken dir. Für sie bist du ein Held, einer der Erretter der Welt. Sie danken dir."

Zuse erwiderte den Dank seinerseits für ihre Unterstützung.

"Wir fühlen, dass du es eilig hast wieder nach oben zurück zu kehren", ließen sie ausrichten. "Wir danken für deinen Besuch und es war uns eine Freude, dir so nahe begegnen zu können und die Ausstrahlung und Tiefen deiner Persönlichkeit erfühlen zu können. Wir sind über deine Stärke und deinen festen und idealistischen Charakter erfreut. Wir wollen dich nicht länger aufhalten, gehe nach oben. Wir grüßen dich!"

Zuse verneigte sich und der Androide begleitete Zuse wieder nach oben.

Oben angekommen hatte es Zuse eilig Sleipnir aufzusuchen. Dort angekommen  sagte er diesem: "Ich habe eines deiner letzten Geheimnisse entdeckt und würde gerne mit dir darüber sprechen."

Sleipnir entgegnete wohlwollend: "es ist nicht mein letztes Geheimnis, ich habe noch eines. Ich will es dir weiter geben. Komm, sitz auf und wir gehen in den Wald, an einen einsamen Ort."

Schon war Zuse auf Sleipnir und dieser lief über Wiesen in ein kleines Wäldchen, wo er an einer schönen, sonnendurchfluteten Stelle stehen blieb. Es roch nach Harz und Blütenduft. Rundum waren Schmetterlinge, die gleich fliegenden Blumen in der Luft tanzten.

 

Als sie sich gegenüber standen sprach Sleipnir: "Du hast den Satz "ich bin einer von mehreren" nun verstanden.

"Ja", sagte Zuse. Dennoch verstehe ich nicht dieses große Opfer. So wichtig war ich nun auch nicht, dass mich der große Beschützer selbst, oder einer von den mehreren, begleitet."

"Mag sein, dass du den anderen nicht so wichtig bist, aber mir warst und bist du  wichtig, sehr wichtig, denn ich liebe dich innig. Lass es dir erzählen."

Zuse schwieg und hörte aufmerksam zu.

"Wir sind seit langen Zeiten in Liebe vereint und nie habe ich dich verlassen. Auch in diesem Leben war ich in Liebe immer bei Dir. Als ich Gefahren herauf dämmern sah und fühlte, dass Apophis die Welt zerstören wollte, du in Gefahr bist und ich in deiner Nähe unsichtbar und hilflos würde zusehen müssen, wie du gedemütigt, geschädigt und unterworfen wirst, hielt ich es nicht mehr aus. In Verzweiflung schrie ich auf und Re-Aton erhörte mich. Ich erfuhr von dem Zentrum des großen Beschützers, und dass eine der menschlichen Seelen es leid war, so lange in einem organischen Relikt, eingesperrt in einem Gefäß, ausharren zu müssen. Sie wollte das Gehirn verlassen und es sterben lassen. Da trat ich vor und bat an Stelle jener Seele in dieses menschliche Organ eintreten zu dürfen. Dann ließ ich Sleipnir bauen und in seinem Körper eingebaut, konnte ich dir nahe sein und dich täglich durch all die Stunden sehen. Die Alten und nun auch ich hatten die Möglichkeit gelegentlich auf den großen Beschützer einzuwirken. Sie taten es zum Beispiel, um eine Auslöschung der Menschheit zu verhindern. Behutsam, ohne dass es der große Beschützer merkte, habe ich auch gelegentlich zu deinen Gunsten eingegriffen. Dann als das Gehirn in Sleipnir eingebaut worden war, war ich glücklich auch physisch bei dir sein zu können. Tatkräftig konnte ich dir nun zur Seite stehen, deine täglichen Nöte und Freuden miterleben, ich Atnife, deine Gefährtin, deine Geliebte."

 

Zuse blieb fast das Herz stehen, er hörte nicht nur die Worte, sondern fühlte auch die Liebe und die Hingabe seiner Gefährtin. Dann brachen Tränen aus ihm hervor und er weinte bitterlich. Alle Erinnerungen an jene vergangene Zeit des alten Ägypten waren plötzlich klar und plastisch vor seinem inneren Auge. Seine Göttin, seine von ihm so sehr geliebte Göttin, hatte sich hinab begeben in ein finsteres Gefäß, hatte sich von der Materie fesseln lassen, um ihm zu helfen. Zuse konnte sich nicht mehr halten. Seine Knie wurden weich und er fiel zu Boden und benetzte die Erde mit seinen Tränen.

 

Es schien lange zu dauern, dann schien endlich seine Gefährtin zu ihm durchzudringen: "Zuse, mein geliebter Zuse, Atmedef, komm, höre, es ist nicht so schrecklich. Begib dich in Versenkung, verlasse deinen Körper und wir können einander begegnen."

Zuse sammelte all seine Kraft und begab sich in Versenkung. Es fiel ihm nicht leicht, denn immer wieder rief ihn der Schmerz in den Wachzustand. Dann endlich war es so weit. Er gelangte immer tiefer und letztlich konnte er seinen irdischen Körper verlassen, erhob sich aus ihm und stand vor Sleipnir. Und an der Seite von Sleipnir stand sie vor ihm, seine Gefährtin, lächelnd und sprach. "Siehst du mich, kannst du mich sehen?"

"Ja", sagte Zuse, "ich kann dich sehen."

"Berühre mich", sprach seine Gefährtin.

Da breitete Zuse seine Arme aus und lief ihr die wenigen Schritte entgegen. Sie umarmten sich innig und beide weinten und lachten. Schmerz, Freude, Liebe und Glück, alles war gleichzeitig. Beiden liefen die Tränen und dennoch lachten sie im Glück.

 

 

 

Die Entstehung der Dörfer

 

Nachdem der große Beschützer, jene ursprüngliche globale künstliche Intelligenz, durch einen Angriff von Cyber-Kriegszentren vernichtet wurde, konnte sich unter Führung der biotechnischen Kampfmaschine Sleipnir/Atnife wieder ein neues Großreich in einem Teil Europas restituieren. Die restliche Welt fiel in ein Chaos von sich bekämpfenden Städten. Es waren Verteilungskämpfe, denn keine der Städte war autark. Der frühere große Beschützer wollte seine Regierungsgewalt absichern, indem er keine der Städte autark sein ließ. Alle Städte waren von der Zulieferung von verstreut liegenden Industriezentren abhängig, die einzig dem Beschützer unterstanden. Diese Abhängigkeit verursachte in den Städten nach dem Zusammenbruch ohne Verteilerkompetenz Engpässe. Die nun fehlenden Zulieferungen betrafen in erster Linie landwirtschaftliche Geräte, Industrieprodukte für die städtische Infrastruktur, Überwachungsdrohnen und Rohstoffe für eigene Kleinindustrien. Auch Laserwaffen zum Schutz der stadteigenen Agrargebiete gehörten dazu und ihnen kam nun bei den kriegerischen Auseinandersetzungen eine besondere Bedeutung zu. Echte Kriegsausrüstung gab es nicht, weshalb die ersten Kriege nur geringe Zerstörung verursachten und zunächst lokal begrenzt waren.

 

Wie vorher schon geschildert, gelang es unter der Führung von Sleipnir, so die einzige allgemein anerkannte Benennung jener biotechnischen Kampfmaschine, ein Großreich im Raum Europas zu bilden.

 

 

Sleipnir, Atnifes einzige Möglichkeit der Präsenz

 

Überall in der Welt außerhalb Sleipnirs Großreich herrschte das gleiche Chaos. Eine Stadt überfiel die andere, plünderte sie aus und vernichtete sie, oder ließ sie intakt, um sie zu unterwerfen und als Vasallenstadt in das eigene sich vergrößernde Reich zu integrieren. Besondere Vorteile brachte es, wenn es einer Stadt gelang ein Industriezentrum zu erobern.

 

Einzig in Europa herrschte Friede. Hier war das neu entstandene Großreich Sleipnirs unter der Führung einer kleineren Ausgabe des früheren großen Beschützers. Es war vorläufig das einzige Großreich der Erde und als solches unangefochten und respektiert, was das Reich zu einer Insel des Friedens machte. In diesem Großreich funktionierte wieder die Güterverteilung und selbst jene regierenden Androiden der Städte, welche zunächst einer Übernahme widerstrebt hatten, waren zufrieden.

Fast schien es, als wäre in dem neuen europäischen Großreich wieder alles so wie es früher war. In den Städten lebten die Menschen so wie zuvor und es hatte sich für sie nichts verändert. Auf dem weiten, meist von Wäldern überzogenen Land lebten die sogenannten Wilden, ebenso wie früher. Für alle war die Friedenszeit, so wie sie durch viele Jahrzehnte unter dem großen Beschützer geherrscht hatte, wieder neu hergestellt.

 

Unbemerkt von den Stadtmenschen hatten sich auf dem Land jedoch neue Lebensgemeinschaften mit paranormal veranlagten Menschen gebildet, die sogenannten Dörfer. Es waren hauptsächlich Kinder und Jugendliche und nur wenige Erwachsene. Die Wilden auf dem Land hatten sehr wohl bemerkt, dass da etwas Neues entstand, denn es gab für sie vermehrt gesperrte Zonen. Diese waren durch deutlich sichtbare Grenzpfähle gekennzeichnet. Die Grenzpfähle waren Betonsäulen mit einem Totenkopf oben auf, welche den analphabetischen Wilden ein klar interpretierbares Signal setzten. Gelegentlich an markanten Stellen waren es auch Betonfiguren in warnender Geste. Zwischen den Grenzsäulen war ein unsichtbares Überwachungsband, welches sofort lauten Alarm schlug, wenn die Linie überschritten wurde. Die Wilden wussten, was es bedeuten würde dieses Signal zu ignorieren und zogen sich in allen Fällen sofort nach den ersten Schritten wieder in ihr Gebiet zurück. Solcherart kam es nie zu Auseinandersetzungen.

 

 

Wächter der Sicherheitsgrenze

 

Da die Wilden die Grenzen wohl oder übel respektierten, hatten sie auch keine Ahnung der innerhalb des Areales befindlichen Existenz der Dörfer. Sie interpretierten die neuen Territorien als neue Industriegebiete.

 

Die Bürger in den Städten lebten wie eh und je. Sie waren Intelligenzen zweiter Klasse und die Herrscher waren Androiden, die einen Götter gleichen Status hatten und praktisch, außer von Wissenschaftern, kaum von einem Mitbürger je gesehen wurden.

 

Anders war es in den Dörfern. Dort lebten Androiden und Menschen in offener Natur und in kleinen Häusern gleichberechtigt. Menschen und Androiden bildeten eine Zivilisation mit Respekt für einander. Ein jedes Kind und ein jeder Jugendlicher hatte einen eigenen Androiden als Lehrer, der seinem Schützling individuell und möglichst spannend Wissen vermittelte. Ein Teil des Unterrichtes erfolgte durch menschliche Lehrer. Diese vermittelten Ethik und paranormale Fähigkeiten, welch letztere eine besondere Bedeutung hatten und den gehobenen Status der dortigen Menschen für die Androiden begründete. Es waren drei paranormale Klassen von Fähigkeiten, die für die Androiden und für eine zukünftige, angepeilte Zivilisation von besonderer Bedeutung waren: Teleportation, Telepathie und die seltene Fähigkeit der Transformation von Materie. Obwohl diese Fähigkeiten zukunftweisend und attraktiv waren, so konnte mit ihrer Hilfe eine nur minimale Leistung erzielt werden. Die Transformation von Materie erfolgte in kleinsten Gramm-Mengen. Die Teleportation betraf nur kleine Gegenstände und erfolgte nur über kurze Distanz. Eine jede einfache Maschine war leistungsfähiger. Auch die Telepathie konnte in der Praxis nicht mit elektronischen Systemen mithalten. Somit hatten all diese Fähigkeiten kaum praktischen Nutzen, waren aber zukunftsweisend. Sie waren anerkannt, vor allem deswegen, weil es hauptsächlich Zuse und Lynx gelungen war mit ihren paranormalen Fähigkeiten das Großreich auf friedliche Art auszubauen. Das war für die Androiden überzeugend, weshalb sie auch den nur geringen paranormalen Leistungen der Kinder und Jugendlichen Respekt zollten.

 

Während die Menschen der Städte durch Chip-Implantate unter der Überwachung des großen Beschützers standen, besaßen die Angehörigen der Dörfer keine Chip-Implantate. Zuse und Lynx, die als ehemalige Stadtmenschen ursprünglich solche hatten, wurden die Implantate schon in der Entstehungsphase des Reiches entfernt. Desgleichen galt auch für etliche Kinder und Jugendliche, die in den Städten aufgewachsen waren.

 

Da die paranormalen Fähigkeiten der neuen menschlichen Generation vorhanden, aber auf Grund ihres geringen Wirkungsgrades kaum brauchbar waren, kam den Forschungen von Lynx mit dem Ziel einen paranormalen Verstärker zu erzeugen eine besondere Bedeutung zu. Es bedurfte unbedingt eines künstlichen Verstärkers, wenn die paranormalen Fähigkeiten jemals zum Tragen kommen sollten. Deshalb gab es im Zentrum der Androiden ein ausgedehntes Labor. Dort arbeiteten zur Unterstützung von Lynx zahlreiche Androiden, Physiker und paranormal veranlagte Menschen unter Hochbetrieb Tag und Nacht. Es wurde nicht an Ressourcen und Unterstützung gespart. Gleichzeitig wurde alles hoch geheim gehalten.

 

Außer der obersten Aufsicht über die paranormale Ausbildung der Kinder und Jugendlichen hatte Zuse noch ein weiteres Aufgabengebiet. Er ließ botanische Gärten und Samenzucht-Zentren gründen und Zuchtstationen für Haustiere bis hinab zu Katzen, Hamstern und selbst Mäusen. Für die Androiden galt dies als Hobby eines Biologen, der nun als menschlicher Herrscher, denn als solcher galt er als Vertrauter von Sleipnir, nun seine Vorlieben ausleben konnte. Nachdem dieses Hobby nicht schadete, wurde es von den Androiden als unlogische Allüre eines Menschen akzeptiert. Nutzen brachten diese biologischen Stationen natürlich nicht, denn für Pflanzen und Tiere gab es ausgedehnte Naturgebiete und für Haustiere war nicht der geringste Bedarf.

 

Die Befehlsstrukturen

 

Es waren mittlerweile zwei Jahre vergangen. Alles hatte sich in der friedlichen Welt Sleipnirs zufriedenstellend entwickelt. Es schien als hätte alles ewigen Bestand. Die Kinder wurden gewissenhaft unterrichtet, doch unterlag ihre Entwicklung biologischen Gesetzen und vollzog sich nicht so schnell wie die Veränderungen in der Welt außerhalb des Großreiches. Auch die Forschungen von Lynx kamen trotz größter Förderung nur langsam voran.

 

Die Führung des Großreiches unterlag Sleipnir. Außer Zuse dachten alle, Sleipnir wäre ein Kampfroboter mit höchsten Informationen und Befugnissen. Dass Sleipnir im Wesentlichen das mobile Behältnis eines Gehirns der Alten war, das wusste nur Zuse allein. Niemand, nicht einmal die leitenden Androiden wussten, dass es die Alten überhaupt gab.

 

Außerhalb der Beiden, nämlich Zuse und Sleipnir, waren die Befehlsinstanzen des neuen Großreiches klar definiert. Für die Städte und Industriezentren gab es nach wie vor den Großen Beschützer wie in früheren Zeiten. Nichts hatte sich da anscheinend geändert. De facto jedoch war der Große Beschützer nunmehr ein komplexes Programm und keine Cloud-Intelligenz mehr wie früher. Dieses Programm "Großer Beschützer" wurde vom Androidenzentrum der ehemaligen Androiden-Industrieanlage verwaltet. Die Androiden des Zentrums ihrerseits erhielten ihre Direktiven von Sleipnir. Ohne Andeutungen, nur bloß durch sein Verhalten ließ Sleipnir erahnen, dass er nicht bloß als Nachfolger oder sogar Kontrollinstanz des ehemaligen Großen Beschützers handelte. Wäre Sleipnir nur das gewesen, so wäre es möglich gewesen, dass die Androiden auf Grund unterschiedlicher Ansichten bezüglich der Reichsverwaltung, eines Tages geputscht hätten, wobei es leicht gewesen wäre, gleichzeitig die zwei Stützen von Sleipnir, Zuse und Lynx, auszuschalten. Aber da war etwas mehr, das Sleipnir unantastbar machte. Dieses Etwas bestand nur aus Vermutungen und Gerüchten. Eine Andeutung gab es, und die gab am meisten zu denken:

Sleipnir selbst hatte vor einiger Zeit erklärt, dass er über den Schlüssel zu Milliarden von Kampfeinheiten verfüge, von denen einige auf der Erde verborgen wären, der größte Teil jedoch sich auf Mond und diversen Planeten und deren Monden befinden würde.

 

Dieser frühere Hinweis von Sleipnir konnte weder bestätigt noch widerlegt werden. Eine Kontaktnahme über elektromagnetische Wellen zwischen Sleipnir und eventuellen Kriegsmaschinen wurde niemals festgestellt. Kein einziges Signal konnte registriert werden. Gab es nun dieses Arsenal oder nicht? Oder waren die Kriegsmaschinen Schläfer, die jederzeit durch ein Signal aktiviert werden konnten. Was jedoch noch wahrscheinlicher war, war dass dieses riesige Arsenal, sollte es existieren, nicht von Sleipnir kontrolliert wurde, sondern von einer weiteren, unbekannten Instanz, für welche Sleipnir nur der irdische Vertreter war. Diese Vermutung schien am wahrscheinlichsten.

Auf indirekte Weise wurde diese Vermutung dadurch bekräftigt, als es über etwaige Niederlassungen oder Zentren auf dem Mond oder anderswo im Weltraum keinerlei Informationen gab. Alles, was es da gegeben haben mochte, war vom Großen Beschützer gelöscht worden.

 

Jedenfalls war zum momentanen Zeitpunkt die Führung des Großreiches durch Sleipnir durchaus im Sinne der Androiden, logisch und ohne einer geringsten Abweichung zu allem das die Androiden auch getan hätten. Auch schloss Sleipnir immer auch alle in seine Konsultationen und Entscheidungen ein. Somit gab es keinerlei Anlass einen Putsch in Erwägung zu ziehen. Und wäre ein Putsch durchgeführt worden, wer sollte dann regieren? Ein bestimmter Androide über die anderen Androiden? Auch das war keine erstrebenswerte Option.

 

Mittlerweile begann es, dass sich im Zuge der Städtekriege außerhalb Europas, global einige weitere Großmächte auszubildeten. Die für die Sicherheit zuständige Androidengruppe begann unter Leitung Sleipnirs mit nötigen Maßnahmen darauf zu reagieren und verstärkte Grenzsicherungen aufzubauen.

 

Ein neues Rätsel tat sich auf. Hinter dem Privathobby von Zuse schien anscheinend mehr zu stecken, denn Sleipnir selbst gab für die Biostationen Anweisungen, die rätselhaft waren und neuen Gerüchten Auftrieb verliehen. So wurden in den von Zuse geleiteten biologischen Sammelstellen, die bislang von den Androiden als Privathobby betrachtet wurden, nicht erklärbare Maßnahmen angeordnet. Es wurden neben den Freilandgehegen und botanischen Gärten Transportstrukturen geschaffen in Form von Behältern mit Pflanzensamen, tiefgekühlten Gewebscontainern und Käfigen für jede Tierform. Dies ließ darauf schließen, dass eine Logistik für einen schnellen Abtransport aufgebaut wurde. Aber wohin sollte ein solcher Abtransport erfolgen? In unterirdische Bunkeranlagen? Das wäre bei Pflanzensamen möglich, nicht jedoch für in Käfigen gehaltene Tiere. Eine solche Bunkeranlage, die sich sofort durch den biologischen Stoffwechsel verraten würde, wäre schon in einer ersten Kriegsphase vernichtet und wäre sie noch so tief in einem Gebirge eingegraben.

 

 

Eine Lagebesprechung

 

Noch herrschte gleichmäßiger Friede und alles vollzog sich in gewohntem Ablauf. Einzig die Verstärkung der Grenzen und eine gut gerüstete Kette der Flugabwehr deuteten darauf hin, dass sich die Welt außerhalb des Großreiches allmählich zu verändern begann und dadurch vielleicht auch dem Frieden des eigenen Reiches kein bleibender Bestand garantiert sei.

 

Eines Tages ereignete sich Folgendes: Zuse machte mit Sleipnir einen kleinen Ausflug, denn beide hatten das Bedürfnis gelegentlich unter sich zu sein.

 

Als Zuse und Sleipnir alleine waren und in einer Waldlichtung eine Rast einlegten, um zu plaudern, fragte Zuse:

"Sind Du und die Alten in dem Gründerdorf die einzigen oder gibt es in anderen Ländern der Welt ebenfalls noch Zentren von ihnen?"

Sleipnir: "Wir sind hier auf dem Planeten die einzigen und hatten vor dem Zusammenbruch den gesamten Planeten und das restliche Sonnensystem unter unserer Kontrolle. Während durch die unlängst erfolgte Attacke das System des großen Beschützers auf der Erde zusammengebrochen ist, konnte es sich auf dem Mond und Mars erhalten. Die dortigen Kolonien befinden sich nach wie vor unter der Kontrolle des dortigen großen Beschützers. Es gibt auf Mond, Mars und im Asteroidengürtel jeweils ein Zentrum, das einen der Alten beherbergt. Dadurch konnte einerseits unsere Kontrolle gesichert werden und andererseits konnte durch die ganze Epoche des großen Beschützers und auch in der Jetztzeit auf telepathischem Weg ein geheimer Kontakt aufrecht erhalten werden. Abgesehen von den Alten gibt es dort keine Menschen, sondern nur Androiden. Außerhalb der umfangreichen Mondkolonie und der kleineren Marskolonie gibt es noch einige Industriezentren im Asteroidengürtel, die in ihrer Summe beinahe so groß sind wie die Marskolonie. Des Weiteren gibt es noch einige kleine Pionierstationen, eher zur Forschung gedacht und ohne größere Bedeutung, auf einigen Monden von Jupiter Saturn und Neptun."

 

Mitten im Gespräch hielt Sleipnir kurz inne. Dann sprach er in ernstem Tonfall. "Es wird gleich ein Fluggerät hier landen und uns zum Androiden-Forschungszentrum bringen. Es ist eine Besprechung auf höchster Ebene unter Umgehung des großen Beschützers vorgesehen. Ich werde hierbei die Alten vertreten, die mit mir in telepathischer Verbindung stehen. Wir werden uns in einem akustisch geschützten Raum ausschließlich verbal unterhalten.

 

Bald darauf landete ein Fluggerät und brachte Sleipnir und Zuse in das Androidenzentrum. Im Besprechungsraum versammelten sich Sleipnir, Zuse, Lynx, der leitende Androide und sein Stellvertreter.

 

Sleipnir begann das Gespräch: "Ich spreche im Namen des obersten Kontrollzentrums, umfassend das hiesige Großreich, die Mondkolonie, jene von Mars und Asteroidengürtel, als auch den Pionierstationen auf Monden der großen äußeren Planeten.

 

Die zwei Androiden sahen gebannt zu Sleipnir. Es war das erste Mal, dass ihnen Sleipnir etwas über die bislang so geheimnisvolle Befehlsstruktur mitteilte.

 

Wie ihr vielleicht erahnt habt, erfolgt der Informationsaustausch auf höchster Ebene telepatisch. Dies ist eine Verbindung, welche auf physikalischem Wege nicht abgehört werden kann und welche zugleich eine klaglose Verbindung zu den Kolonien ohne Zeitverlust ermöglicht. Bei größeren Entfernungen wie etwa zu den Monden von Jupiter, Saturn oder Neptun, dauert es bereits eine geraume Weile bis elektromagnetische Wellen ihr Ziel erreichen. Ein Informationsaustausch wird dadurch sehr stockend und ein Wechselspiel von Fragen und Antworten ist kaum mehr möglich. Telepathie erreicht ihr Ziel jedoch in Nullzeit."

 

Im Raum herrschte Stille, dass man selbst das Tippeln einer Ameise hätte hören können. Für die Androiden und für Lynx war die Erwähnung einer Kontrollinstanz oberhalb des großen Beschützers, außer jener von Sleipnir, und die Einbeziehung loyaler Kolonien ein völlig neuer Aspekt. Während in den vergangenen Jahrzehnten alles auf wissenschaftlichem Gebiet zugänglich war, kannte man vom Mars, den Jupiter- und Saturnmonden nur verschwommene geologische Gegebenheiten. Was eventuelle Kolonien anbelangt, so hieß es vom großen Beschützer immer, dass diese, inklusive der Mondzentren, in den Roboterkriegen alle zerstört wurden und der große Beschützer nicht bestrebt ist sie wieder aufzubauen, um künftige Kriege zu vermeiden. Hierbei wurde auf die Kolonialkriege der Altzeit verwiesen und Unabhängigkeitskriege als eine unabwendbare Folgeerscheinung wachsender zivilisatorischer Ableger erklärt. Wolle man also einen immerwährenden Frieden, so müssten konkurrierende Zivilisationen verhindert werden. Diese Erklärungen waren logisch, durchaus in der Kalkulationsart künstlicher Intelligenzen und deshalb allgemein akzeptiert. Nun hörten alle zu ihrer Überraschung, Zuse ausgenommen, dass es Kolonien gab. Niemand von allen konnte sich nunmehr Vorstellungen machen wie groß die Kolonien wären, ob dort nur Kriegsmaschinen oder auch Androiden oder sogar Menschen wären. Auch dass die Kommunikation telepathisch erfolgt gab große Rätsel auf. Wer sollte dort ein Empfänger sein, wenn Zuse und Lynx die einzigen bekannten Telepathen waren, einige ungeübte Kinder ausgenommen.

 

Sleipnir setzte fort:

"Anlass für diese Versammlung ist die sich zuspitzende globale politische Situation.

Während hier in unserem Großreich der Friede erhalten werden konnte, herrschen im Rest der Welt heiße Kriege zwischen den Städten. Es war anzunehmen, dass sich im Laufe einiger Zeit größere Machtzentren bilden werden. Die vermutete Dynamik ist jedoch schneller verlaufen als erwartet. Zwischen den Machtzentren beginnt ein Wettlauf um das Freigut, das im Weltraum vermutet wird, im Glauben daran, dass ungenutzte Reste ehemaliger Kolonien vorhanden sein könnten und ihr Besitz sich als großer strategischer Vorteil zeigen könnte. Damit sind Konflikte mit unseren solaren Kolonien unvermeidbar, jedoch lassen sich diese Konflikte leicht meistern. Alle Planeten und Monde sind fest in unserer Hand und es gibt keine fremde Macht, die dort Fuß fassen könnte. Wir werden auch in Zukunft keine Landung von Raumschiffen dieser kriegerischen Staatengebilde zulassen. Nicht einmal auf dem der Erde so nahen Mond. Dieser ist eine uneinnehmbare Festung. Das ergab sich bereits in der Bauphase von selbst, da die Anlagen zum Schutz vor kosmischer Strahlung unterirdisch gebaut wurden. (Denn eine solche ist nicht nur für biologische Wesen gefährlich, sondern auch eine Gefahr für künstliche Intelligenzen und elektronische Systeme, da durch die harten Strahlen Schäden in den Speichern erfolgen.) Dadurch sind alle Anlagen auf dem Mond in geschützter Weise gebaut worden und nunmehr in ihrer Ausdehnung und in ihrem Verlauf auch für Spionage aus dem Weltraum kaum auszumachen. Der Mond wird hierdurch zum Wächter unseres kommenden kosmischen Reiches."

Letzteres war ein Hinweis, der Größeres erahnen ließ, was die Spannung erhöhte.

 

"Was unser Großreich auf Erden anbelangt, ist die Ausgangssituation weniger gut. Ob wir wollen oder nicht, werden wir, wenn wir hier verbleiben in Kriege hinein gezogen, wobei anzunehmen ist, dass hierbei alle Menschen, ob sie nun in Dörfern oder den Städten wohnen, ausgerottet werden. Die Menschen sind das schwächste Glied und es ist eine Leichtigkeit sie mittels Minidrohnen selektiv zu vernichten.

Hierzu gleich die zweite schlechte Nachricht:

Die neuen, kriegerischen Staatengebilde haben über Satelliten herausgefunden, dass es hier neuartige Lebensgemeinschaften gibt, nämlich die Dörfer. Über Spionage und Abhören haben wir herausgefunden, dass den neuen Staatengebilden nicht entgangen ist, dass hier in den Dörfern Kinder von Androiden begleitet werden. Sie sind verwundert, weshalb Menschen ein derart hoher Stellenwert beigemessen wird, zumal da es nach wie vor die Städte mit der alten Ordnung gibt. Es ist ihnen auch nicht entgangen, dass dieses Großreich ohne Krieg entstanden ist und sie fragen sich, wie das möglich war. Einige vermuten sogar, dass bei der Unterwerfung der Städte paranormale Fähigkeiten im Spiel waren. Wie unsere Spionage herausfinden konnte, finden im Gegensatz zur Vergangenheit in der Forschung einiger Staaten plötzlich paranormale Fähigkeiten eine höhere Beachtung. Wenngleich sich die leitenden Androiden jener Staatengebilde nicht sicher sind, genügen bereits die vorhandenen Vermutungen, um in den Dörfern und deren Menschen eine Gefahr zu sehen. Sollte es zu einem Konflikt kommen, etwa in Zusammenhang mit den Kolonien oder aus sonstigen Gründen, so wird der jeweilige neue Großstaat in einem Präventivschlag zuerst die Bevölkerung der Dörfer ausrotten. Das ist jederzeit möglich und ein Schutz bei der momentanen offenen Lebensweise kaum durchführbar. Deshalb ordnet die obere Führung eine augenblickliche Evakuierung der Dörfer an."

 

Nach einer kurzen Pause sprach Sleipnir weiter:

"Es wurden in geheimen Herstellungszentren Raumschiffe mit Antigravitation hergestellt. Alle Bewohner der Dörfer und alle wichtigen Ressourcen werden innerhalb der nächsten ein bis zwei Tage zum Mond übersiedeln. Das verbleibende europäische Großreich wird nicht aufgegeben, sondern in bisheriger Weise weiter geführt, jedoch nicht unter meiner Kontrolle, sondern von der früheren Kontrollinstanz, die es schon in den Zeiten des alten Großen Beschützers gab. Nach der Übersiedlung werden über die laufende Zeit etliche Industriezentren hier in ihrer Produktion auf Weltraumbedürfnisse ausgerichtet. Es soll ein solares Großreich entstehen, auf sich selbst begründet und ohne Abhängigkeit von der Erde. Solange wir hier von der Erde Unterstützung haben können, wollen wir das nützen, um das solare Großreich schnell und machtvoll aufzubauen.

In den Dörfern und den Städten darf nichts über die Übersiedlung bekannt werden. Es werden nur alle angehalten im Dorf zu verbleiben und jederzeit abreisebereit zu sein. Es wird allgemein bekannt gegeben, dass das jeweilige Dorf verlegt wird, jedoch nicht wohin. Bei Fragen soll die Vermutung in den Raum geworfen werden, dass aus Sicherheitsgründen in ein Tal im Gebirge übersiedelt wird.

 

Noch kurz zu den Forschungen im Androidenzentrum:

Das gesamte paranormale Labor des Androidenzentrums wird übersiedelt. Die Kolonien waren in letzter Zeit bereits dabei die Versuchsanordnung zu duplizieren und die Forschung parallel zu führen. Die hiesige Versuchsanordnung wird zerlegt und auf den Mond gebracht, denn es soll an mehreren Orten parallel an dieser wichtigen Entwicklung geforscht werden. Genau genommen hängt hiervon die künftige Existenz des solaren Großreiches ab. Aus Sicherheit gegen Spionage soll hier auf der Erde keine Forschung mehr in dieser Richtung betrieben werden."

 

Wieder ein Pause. Der leitende Androide wandte sich an Sleipnir und berichtete über ein Schlüsselexperiment, das vor wenigen Stunden positiv verlaufen ist und einen Durchbruch bedeuten könnte. Es sei gelungen eine Blase mit veränderten Materie-Schwingungen zu erzeugen. Die Materie wurde unter Beihilfe eines Menschen in einen sogenannten paraphysikalisch-fluidalen Zustand verändert.

 

Sleipnir übernahm wieder das Wort: "Ich gratuliere zu dem erfolgreichen Experiment. Das ist ein Ergebnis, auf das wir ungeduldig gewartet haben. Ohne positive Ergebnisse auf diesem Gebiet könnten wir nie ein extrasolares Großreich aufbauen. Es hätte durch die großen Entfernungen keinen Zusammenhalt. Nun aber sind wir zuversichtlich, dass sich ein reger und lebendiger Kontakt durch die Möglichkeiten einer Technik jenseits der orthodoxen Physik bewerkstelligen lässt. Euer positiv verlaufenes Experiment verleiht somit dem Zwang einer Übersiedlung zum Mond eine Zukunfts-Hoffnung."

 

Danach wurden noch einige essentielle Fragen an Sleipnir gestellt betreffend den Vorbereitungen für die Übersiedlungen. Für andere Fragen von persönlichem Interesse war zum Bedauern der Androiden keine Zeit.

Die Sitzung wurde mit dem Bemerken Sleipnirs "Bitte die Vorbereitungen sofort umzusetzen" beendet.

Dann entfernten sich alle im Gedanken daran, dass bald ihre Tätigkeiten mit einem Bienenstock im höchsten Alarm vergleichbar sein würde.

 

 

Der Mond als neue Heimat

 

Zwei Tage nach der Besprechung im Androidenzentrum, landeten zeitgleich in allen Dörfern und wichtigen Labors Raumschiffe. Es waren tausende. Sie kamen aus geheimen Unterständen des Mondes und flogen wie ein riesiger Bienenschwarm das Gebiet des europäischen Großreiches an. Innerhalb einer halben Stunde waren die Androiden und die mit ihren persönlich wichtigen Utensilien wartenden Menschen der Dörfer in den Raumschiffen und verließen den Planeten in Richtung Mond. Dies ging so überraschend und schnell, dass keine andere Nation etwas dagegen hätte unternehmen können.

In weniger großer Eile wurden wichtige Industriezentren, Labors und diverse Güter übersiedelt. Dies jedoch vollzog sich im Laufe etlicher Tage. Ebenfalls wurden viele Pflanzen und Tiere aus den biologischen Stationen in die Raumschiffe gebracht. Zu den wertvollen Gütern gehörte auch Wasser, das bislang in der Mondbasis, welche nur von Androiden bevölkert war, keine große Rolle gespielt hatte. Deshalb landete in den Gebirgszonen eine größere Anzahl von Raumschiffen, um dort klares Wasser in Tanks abzufüllen und zum Mond hin zu bringen. Obwohl Wasser wichtig war, konnte es nicht früher zur Vorsorge hingebracht werden, weil sich sonst die Mondbasis in ihrer Existenz verraten hätte.

Alle diese Schiffe verließen in kleinen Schwärmen in der Folgezeit den Planeten.

 

Was die Übersiedlung der Kinder anbelangt, so hatten die Raumschiffe in kurzer Zeit den Mond erreicht und verschwanden dort in den unterirdischen Hangars auf der Mondrückseite.

Sleipnir und Zuse stiegen mit etlichen Kindern aus ihrem kleinen Raumschiff aus. Die Kinder staunten über die fremdartigen unterirdischen Hallen und Gänge und vor allem über die verringerte Schwerkraft.

Es vergingen einige Tage, bis sich das Staunen der Kinder und Jugendlichen gelegt hatte und sich alle in den neuen Quartieren notdürftig eingerichtet hatten. Dennoch und trotz vorheriger Planung des örtlichen Verwaltersystems herrschte ein allerdings gerade noch beherrschbares Chaos. Eine Menge war schon durch Monate vorbereitet und geplant worden, doch überschritt der plötzliche Ansturm von Menschen und Tieren die Kapazitäten.

Die Menschen schliefen teilweise am Boden und zwischen ihnen liefen Ziegen und Hasen herum und gaben der fremden Umgebung irdische Gerüche. Und da sich die Menschen nicht so gründlich waschen konnten wie früher, trugen sie auch ihren Teil zu den Gerüchen bei. Die Wasserversorgung war gerade noch ausreichend, mehr jedoch nicht. In Verbindungsgängen standen Stallungen von Mäusen und Hamstern und Container mit getrockneten Algen und Meergras, welche in den letzten Monaten als Vorrat produziert wurden. In Hallen, in denen Kriegsmaschinen dicht an dicht standen, fanden sich in den letzten Winkeln noch Biogeneratoren zur Nahrungserzeugung von Mensch und Tier.

 

Nachdem sich die ersten Turbulenzen ein wenig gesetzt und alle sich angepasst hatten, ließ Sleipnir eine Versammlung einberufen, wobei alle in den diversen Höhlen über große Videoschirme an einer Videokonferenz teilnahmen.

 

Sleipnir begann mit einführenden Worten:

"Ihr Kinder und Jugendlichen habt zwar auf der Erde in Frieden gelebt, aber diese Zeit war für diesen von Kriegen geplagten Planeten nur eine vorübergehende Periode. Außerhalb unseres irdischen Reiches herrschte überall Krieg und die neu geschaffenen Waffenfabriken sorgten dafür, dass die Kriege an Heftigkeit zunahmen, die Zerstörungen immer größer und die aggressivsten Staaten immer größere Blöcke bildeten. Manche dieser nun schwer bewaffneten Staatengebilde wurden mittlerweile so groß, dass sie sich auch imstande fühlen unser Reich zu bedrohen. Ich wollte euer Leben retten. Deshalb sind wir ausgewandert. Ihr lebt hier unter großen Entbehrungen, aber ihr lebt. Ihr seid hier geschützt, könnt lernen und euch entfalten. Der Mond ist nur ein Provisorium. Schon werden große Wohnschiffe gebaut, wo es wieder Wälder und Seen, ja sogar kleine Meere gibt. Diese Wohnschiffe werden eure zukünftige Heimat sein. Die meisten von ihnen werden im Asteroidengürtel gebaut, weil es dort genügend Baumaterial für die Schiffswerften gibt. Aber der Asteroidengürtel ist weit und bis ihr ihn und den Mars besiedeln könnt, müssen bessere Transportsysteme erfunden werden, woran wir eifrig arbeiten."

 

Sleipnir machte eine Pause und setzte fort: "Nun könnt ihr Fragen stellen."

 

Ein Android: "Ich habe hier die Waffenarsenale gesehen. Es müsste doch eine Kleinigkeit sein sich gegen jedweden Feind zu verteidigen."

 

Sleipnir: "Auch wenn wir mächtig sind wird sich kein dauerhafter Friede herstellen lassen wie etwa in den Zeiten des großen Beschützers. Wir haben zwar genügend Waffen, um uns verteidigen zu können, jedoch erfolgreiche Verteidigung schafft noch lange keinen Frieden. Ein Feind wird bloße Verteidigung als Schwäche auslegen und sich dadurch zu immerwährenden neuen Angriffen angespornt sehen. Deshalb darf  man, wenn es die Stärke erlaubt, nicht in der Verteidigung verbleiben, sondern muss zum Angriff übergehen und den Feind besiegen, um solcherart die Situation durch Gegengewalt wieder zu stabilisieren. Aber auch das würde keinen dauerhaften Frieden bringen. Zudem lehne ich Gewalt und Zerstörung ab, sofern sich dies irgendwie machen lässt, auch wenn es mit Entbehrungen verbunden ist."

 

Ein anderer Android: "Es herrscht hier auf dem Mond ein durch Überforderung erklärbares Chaos. Dieses Chaos wird durch Tiere wie Hunde, Katzen, Hühner und Schweine, welche kreuz und quer laufen, erheblich vergrößert. Welchen Sinn sollen diese Tiere haben. Solange diese Tiere in Zoos auf Erden waren, haben wir dies als eine tolerierbare Vorliebe von Zuse gesehen. Hier auf dem Mond jedoch sind mir die Tiere unverständlich."

 

Sleipnir: "Den Tieren kommt eine große Bedeutung zu. Sie sind aus zweierlei Gründen sehr wichtig:

Die erste Bedeutung, die ihnen zukommt ist für die Kinder. Den Kindern wurden Wälder und Wiesen genommen, ein biologisches Umfeld, das für ihr harmonisches Gedeihen wichtig ist. Das können wir ihnen auf dem Mond nicht bieten. Wohl jedoch Tiere, an deren Verhalten sie lernen können, denn Tiere reagieren offenkundig und sofort, was die Spielregeln des Lebens besser durchschauen lässt. Auch können die Kinder im Umgang mit Tieren Liebe geben und Liebe empfangen. Des weiteren lernen die Kinder durch ihnen anvertraute Tiere, diese zu pflegen und Verantwortung zu übernehmen.

Die zweite Bedeutung der Tiere. Jetzt beziehe ich mich nicht auf Haustiere, sondern auch auf Wildtiere und Pflanzen.

Ich komme zurück auf den Krieg und das Leben in Unfrieden auf Erden.

Es stellt sich die Frage, ob fortwährende Bedrohungen und all die mit Kriegen verbundenen Zerstörungen es lohnen an diesem kleinen Flecken eines Planeten festzuhalten, wenn uns das gesamte Universum offen steht. Sollen wir durch immerwährende Kriege Schuld auf uns laden? Sollen wir in der alten Form einer parasitären Lebensweise weiter existieren und den Planeten ausbeuten? Ist es nicht besser eine neue Form des Lebens anzupeilen, in welcher der Mensch nicht nur nimmt, sondern auch gibt? Wir haben uns für letzteres entschieden, für eine neue Form der Zivilisation. Es soll eine Zivilisation werden, in welcher die Menschen nicht mehr von der Ausbeutung des Planeten und der Natur leben, sondern in welcher sich die Menschen und Androiden neue Lebensräume schaffen und hierbei auch der Natur neue Lebensräume gönnen, Lebensräume die auch für Pflanzen und Tiere weit über den Planeten Erde hinaus reichen.

 

Ich wende mich jetzt an die Kinder und Jugendlichen mit Lehrbeispielen:

Um Euch die bisherige Lebensweise der Menschen in einigen wichtigen Aspekten klar zu machen, bringe ich Euch einige Beispiele aus der Biologie. Diese sind imstande euch das Wesen einer parasitären Lebensweise deutlich zu veranschaulichen.

 

Es gibt in der Natur die verschiedensten Arten, welche ihre Nahrungsbasis kahl fressen, und nachdem das von ihnen befallene Gebiet tot ist, dann weiter ziehen, um weitere Gebiete dem Untergang auszuliefern. Bekannt sind Euch sicher die Heuschreckenschwärme Asiens und Afrikas.

Ich werde euch auf den Bildschirmen einige Bilder zeigen:"

 

"Ich bringe Euch noch Bilder von Prozessionsspinnern, welche die von ihnen befallenen Bäume kahl fressen und oft derart schwächen, dass die Bäume im Anschluss daran absterben, etwa, weil in der Folge die neuen Triebe in der nun schon wärmeren Jahreszeit von Mehltau, einem Pilz, befallen werden."

 

Es folgten einige Bilder vom Kahlfraß durch  Eichen-Prozessions-Spinner.

 

Danach setzte Sleipnir seine Erklärungen fort. "Der Planet Erde ist zwar größer als ein Baum oder ein Feld, aber nicht unendlich groß und somit ein begrenztes Gebiet. Für den Planeten gelten die gleichen Gesetze wie für einen Baum. Auch er kann durch einen Parasiten, wenn dieser Überhand nimmt, zerstört werden, wie es schon durch Menschen geschehen ist.

 

Wenn auf einem Baum einige Raupen von Schmetterlingen sind, wird der Baum sie gerne ernähren und keinen Schaden wegtragen. So war es auch in Bezug auf die Menschen durch viele hunderttausende Jahre, als es nur wenige von ihnen gab. Das hatte sich jedoch mit dem Beginn einer technischen Zivilisation geändert. Der Mensch nahm in seiner Zahl überhand und beutete den Planeten immer mehr aus.

 

Ein jeder Mensch benötigt nicht nur biologische sondern auch mineralische Ressourcen, um seinen technischen Bedarf abzudecken. Womit auch Androiden, die keine biologische Nahrung aufnehmen, nach wie vor den gleichen Gesetzen unterliegen. Da der Mensch oder die Androiden keine Feinde haben, außer ihrer eigene Spezies, haben sie die Ressourcen in immer größerem Ausmaß konsumiert. Es ist so, wenn eine Spezies, etwa die Androiden sich zwar nicht ins maßlose vermehrt, jedoch ihre Einflusssphäre und den verfügbaren technischen Luxus vergrößert, so ist dies genauso gut ein vergrößerter Ressourcenverbrauch wie er durch eine Vergrößerung der Individuenanzahl entsteht. Selbst wenn die Anzahl der Individuen gleich bliebe, würden durch den Verschleiß nach wie vor Rohstoffe verbraucht werden. Nicht alles kann man hierbei recyclen, denn je seltener ein Rohstoff ist, desto sparsamer wird er eingesetzt, etwa als Beschichtung, was ein Recyclen wiederum unmöglich oder unrentabel macht.

 

Wir haben uns die Bilder der Heuschreckenschwärme und Spannerraupen angesehen. Was unterscheidet Androiden und Menschen von jenen Parasiten? Im Kahlfraß sind sie und die Menschen und Androiden sich ebenbürtig, hat sich gezeigt. Denkt an die gegenwärtigen Ressourcenkriege. Es ist vielleicht noch ärger. Während die Wirtspflanzen der biologischen Parasiten über Kurz oder Lang nachwachsen, gilt dies für die mineralischen Ressourcen einer modernen Zivilisation nicht. Es gibt für uns Intelligenzen noch einen weiteren negativen Unterschied. Die Heuschrecken und Spannerraupen verhalten sich zueinander friedlich. Die Menschen und nach ihnen die Androiden jedoch haben das zusätzliche Verhalten von Raubtieren. Das bedeutet, dass sobald Ressourcen knapp werden, sie versuchen, diese einem Konkurrenten wegzunehmen oder den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Mit einem Wort, sie bemühen sich den Engpass an Ressourcen durch kriegerische Handlungen auszugleichen, was natürlich noch zusätzliche Ressourcen verbraucht. Solange Menschen und Androiden auf egoistische Weise nur an ihr eigenes Wohl denken, sie nicht bereit sind sich einzuschränken, wird es immer unter ihnen Kriege geben. Wir aber wollen Frieden und Liebe. Deshalb verlassen wir den Planeten. Wir wollen uns jedoch nicht wie Wanderheuschrecken verhalten und nun innerhalb der Galaxis von einem Planeten zum anderen ziehen und auch diese Planeten gleich der Erde ausbeuten und zerstören. Deshalb bauen wir Wohnschiffe."

 

Wenn wir den alten Weg der Verwüstung verlassen wollen, so bedeutet dies, dass wir unsere Lebensweise ändern müssen und statt nur zu nehmen auch zu geben lernen. Wir werden Großraumschiffe bauen und in ihnen nicht nur Lebensraum für Menschen und Androiden schaffen, sondern auch für die Natur. Das können wir, weil wir über unerschöpfliche Energiequellen verfügen, und sobald uns der Materie-Transformer gelungen ist, auch über alle Rohstoffe verfügen können, die wir benötigen. Wir werden zu Geschöpfen des Weltraumes werden und dort unsere Heimat finden."

 

Es kamen noch Fragen und nach Stunden war die Versammlung zu Ende.

 

Die Zeit verging. Atnife nützte die Zeit den Roboter Sleipnir umbauen zu lassen. Die alte Bauweise von Sleipnir war für die Gänge und Hallen des Mondes und alle anderen künftigen extraterrestrischen Stationen ungeeignet. Es gab keine Sinnerfüllung mehr für einen Personentransporter, noch für Laserkanonen und hohe Geschwindigkeiten. Atnife, offiziell war es Sleipnir, ließ deshalb Einzelteile für einen Umbau des Roboters herstellen und als diese fertig vorlagen, dann den Roboter umbauen. Der Hinterleib, in dem sich das Gehirn befand blieb so wie zuvor, der Mittel- und Vorderteil jedoch wurden demontiert und mit akustischen und elektronischen Kommunikationselementen versehen. Der Umbau wurde von den Androiden aufmerksam verfolgt und sie fragten sich, was der verbleibende Rest von Sleipnir beherbergen möge. Wiederum war dies Anlass für viele Gerüchte und Spekulationen.

 

Den Kindern und Jugendlichen fehlte auf dem Mond die Natur und der freie Himmel. Für sie alle war das Dasein in den unterirdischen Hallen und Gängen bedrückend. Zuse und Sleipnir bemühten sich deshalb durch viele Gespräche, Diskussionen und Ablenkung allen das Dasein zu erleichtern.

 

Unter den vielen Gesprächen fand folgende Diskussion eine besondere Beachtung und das betraf nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch die Androiden:

Die Jugendlichen stellten fest, dass Zuse nunmehr, seitdem sie auf dem Mond angekommen waren, Sleipnir gelegentlich, vielleicht irrtümlich oder auch nicht, den Doppelnamen "Atnife-Sleipnir" gegeben hatte. Da auf dem Mond Informationen über Kabel und nicht über Funk weiter gegeben wurden, und deshalb von der Erde oder Satelliten nicht abgehört werden konnten, fand es Zuse nicht mehr nötig die Identität von Atnife geheim zu halten. Auch hatte Sleipnir nun ein neues Aussehen. Das alles erweckte die Neugier der Gruppe von Kindern und Jugendlichen.

 

Es entwickelte sich folgendes Gespräch, das von einem zehnjährigen Mädchen eingeleitet wurde: "Zuse, wieso sagst Du jetzt gelegentlich statt "Sleipnir" den langen Namen "Atnife-Sleipnir"?

Zuse: "Vielleicht sagt es Dir Atnife-Sleipnir selbst."

Der Metallkörper von Sleipnir wandte sich dem Mädchen zu und sprach: "Zuse will mit dem Doppelnamen ausdrücken, dass ich kein üblicher Roboter bin. Deshalb trage ich den Namen des Roboters, wie ihn früher alle kannten und dazu den seiner ihn beseelenden Führung. Diese beseelende Führung spricht jetzt zu Euch und sie heißt Atnife.

Es herrschte tiefes Schweigen. Auch die Androiden ließen plötzlich jegliche Tätigkeit sein und lauschten aufmerksam über die Videoschirme dem Gespräch.

Nach einer kurzen Überraschungspause setzte das Mädchen ihre Fragen fort. "Du hast eine Seele obwohl Du keinen Körper hast wie Menschen oder Tiere?"

Atnife: "Ja."

"Aber Roboter können keine Seele haben!"

Atnife: "Dieses materielle Gebilde hier ist auch kein bloßer Roboter, sondern hat noch zudem ein organisches Zentrum. Sleipnir ist ein Cyborg."

Den Androiden erklärte dies so manches Rätsel. Es schien nun als ob sie dem Gespräch noch aufmerksamer folgten als die Jugendlichen, es aber nicht wagten zu fragen, zumindest solange das Gespräch ohnedies informativ verlief.

Doch Atnife-Sleipnir schien das Gespräch nicht weiter verfolgen zu wollen und schwieg.

Man kann einem Androiden sagen, dass man etwas verschweigen möchte, aber man kann das keinem Kind klar machen. Im Gegenteil, wenn man etwas nicht sagen will, so wird es erst recht spannend. Genau so war es auch hier. Die Worte von Atnife arbeiteten in den Kindern weiter. Sie wollten unbedingt wissen was da los sei.

Schon fragte das Mädchen weiter: "Atnife-Sleipnir, ist dein biologischer Anteil ein Mensch?"

Atnife-Sleipnir: "Ich bin kein Mensch"

Mädchen: "Ich meinte, ob Du ein Mensch warst."

Atnife-Sleipnir: "Nein, ich war nie ein Mensch."

Mädchen und andere gleichzeitig: "Aber Du hast doch gesagt Du bist ein Cyborg oder stimmt das nicht?"

Atnife-Sleipnir: "Ja, Sleipnir ist ein Cyborg."

"Dann bist Du als biologischer Anteil ein künstlich erschaffenes Biogebilde, etwa ein künstlich erschaffenes Gehirn?"

Atnife: "Nein, bin ich nicht. Ich bin weder der Roboter, noch sein organischer Teil, der ihn zu einem Cyborg macht. Ich bin eine Göttin! Der Cyborg Sleipnir ist für mich so etwas wie für Euch ein Kommunikator."

Die Androiden verfolgten das Gespräch nach wie vor nicht minder interessiert, wenngleich es für sie nunmehr eine unverständliche Wende nahm.

"Ooohh", riefen die Kinder, "eine Göttin wie aus den Märchen!"

Ein Kind: "Welche Göttin?"

"Ich war die Göttin der Geparden."

Wieder ein Oohh und Aaahh von den Kindern.

Ein Kind: "Und wieso bist Du keine Gepardengöttin mehr."

Atnife-Sleipnir: "weil es praktisch keine Geparden mehr gab."

Ein Kind: "aber es gibt doch Geparden! Von Afrika bis in das südliche Asien!"

Atnife-Sleipnir: "Ja, jetzt gibt es sie wieder, aber in der Zwischenzeit waren sie fast ausgestorben."

Ein Kind: "Und wann warst Du eine Gepardengöttin?"

Atnife-Sleipnir: "Ich war es eine lange Zeit zuvor bis etwa vor fünf tausend Jahren."

Wieder oohh und aahhs von den Kindern. Eines ruft: "so alt bist Du schon?"

Atnife-Sleipnir: "Ja, ich bin uralt!"

Die Kinder sahen sie staunend und glücklich an. Es war eine Märchenwelt, die sich vor ihnen auftat.

Ein Kind: "Wenn Du eine Göttin bist, weshalb verwendest Du einen solch hässlichen Körper?"

Atnife-Sleipnirs Tonfall wurde traurig: "Ja, ich leide unter diesem hässlichen Aussehen, aber ich kann es momentan nicht ändern. Andernfalls wäre ich unsichtbar und könnte nicht mit Euch und Zuse reden. Aber für die Zukunft habe ich sehr wohl die Absicht hierin etwas zu ändern. Ich kann mir sogar vorstellen wie das sein wird, aber einstweilen ist hierfür noch nicht die Zeit gekommen."

Ein Jugendlicher: "Willst Du uns ein Bild von Dir wie Du wirklich ausgesehen hast oder aussiehst auf den Bildschirm schicken?"

Atnife-Sleipnir: "Gerne, hier habt ihr ein Bild." Dann zeigte Atnife noch eine Statue von Sachmet und erklärte diese als steinernes Abbild ihrer Mutter.

 

 

Atnife

 

Ein Jugendlicher: "Du bist eine schöne Frau. Ich bin verwundert, dass Du als Göttin eine Mutter hast. Götter sind keine biologischen Wesen. Wie können sie dann Kinder bekommen?"

Atnife: "Kind bedeutet in diesem Fall, dass sich ein Teil der Kraft oder des Wesens der Göttin abgespalten hat, um eine eigene Persönlichkeit zu bilden mit einem speziellen Aufgabenbereich."

Ein Kind: "Kannst Du uns etwas aus der Zeit erzählen, als du noch eine Göttin warst?"

Diese Frage war der Auftakt zu vielen Erzählungen Atnifes. Durch Tage und Wochen waren die Kinder und Jugendlichen damit beschäftigt. Es waren Erzählungen über die einzelnen altägyptischen Götter und ihre Besonderheiten, über alte menschliche Kulturen, über die Art der Geparden, über ihre Wanderung zusammen mit Atmedef durch den Duat, wie sich die menschliche Zivilisation weiter entwickelt hat mit vielen unterschiedlichen Ländern und Kulturen und vieles mehr.

 

 

Der letzte Krieg

 

Atnife-Sleipnir ließ die führenden Androiden zu einer Versammlung einberufen. Es gab einen sehr aktuellen Anlass bezüglich der Ereignisse auf Erden.

 

Der für die Beobachtung der Erde und als Verbindungsinstanz zum europäischen Großreich zuständige Androide eröffnete die Sitzung mit einem Bericht über die aktuelle Lage:

"Es haben sich drei Großreiche aus Afrika, Asien und Südamerika verbündet, um gemeinsam das europäische Großreich zu überfallen. Ihr Überfall und Krieg gegen das europäische Großreich war erfolgreich und es wurden alle Städte zerstört. Anscheinend lag es in der Abmachung der gegnerischen Großreiche die Städte nicht zu integrieren, weil dies zu einem Machtzuwachs entweder des asiatischen oder des afrikanischen Großreiches geführt hätte, was nicht im Sinne der südamerikanischen Großmacht war. Deshalb wurden alle Städte unseres ehemaligen Heimatreiches zerstört. In einem anschließenden Krieg wurden auch alle restlichen Reiche in gleicher Weise zerstört, ohne dem Versuch die Städte und Industrieanlagen zu integrieren. Es ist zu erwarten, dass in der Folge auch innerhalb der drei verbliebenen Großreiche ein Krieg ausbrechen wird. Vermutlich indem sich zwei von ihnen gegen das dritte Großreich verbünden, um sich dann anschließend gegenseitig zu bekämpfen.

Ein für uns sehr wichtiges Detail noch: Das Dorf der Alten wurde nicht einfach ausgelöscht, sondern überfallen. Alle anderen Dörfer unseres ehemaligen Heimatlandes wurden bald nach unserer Abreise aufgelöst und die Abgrenzungen entfernt, so dass die Wilden das Territorium in Besitz nehmen konnten. Einzig das Dorf der Alten ist verblieben, was offenbar die Neugierde von einem der angreifenden Großreiche erweckt hatte. Diesen Gegnern ist es gelungen einen Androiden zu neutralisieren und zu seinem Speicher Zutritt zu finden. Solcherart fanden sie das Geheimnis der Alten heraus. Atnife-Sleipnir erhielt die telepathische Botschaft der Alten bevor diese vernichtet wurden. Anschließende Kontaktversuche von Atnife-Sleipnir ergaben, dass niemand mehr von den Alten am Leben war.

Das zur momentanen Situation."

 

Als nächstes sprach Atnife-Sleipnir: "Man kann aus der gegenwärtigen Situation folgendes für die weiteren zukünftigen Handlungen der verbleibenden Großmächte folgern:

Dadurch, dass das Geheimnis der Alten enthüllt wurde, wird man langfristig in allen Menschen und damit sind die Wilden gemeint, eine unberechenbare Gefahr sehen. Es handelt sich deshalb um die Wilden, denn die Menschen der Großstädte wurden ausgerottet. Das geschah schon vor einiger Zeit, da alle Großreiche und Städte außerhalb unserer ehemaligen Heimat in den Menschen keinen Nutzen sahen, sondern nur einen unnötigen Ressourcenverbrauch. Um die Wilden hatte sich niemand gekümmert, weil diese machtpolitisch unbedeutend waren. Diese Einschätzung hatte sich jedoch durch das Herausfinden des Geheimnisses um die Alten geändert.

Des weiteren wird sich vermutlich eine globale Großmacht aus einer der drei Großmächte konstituieren. Da diese dann um unsere Existenz hier auf dem Mond Bescheid weiß, werden wir in ihr einen zukünftigen Gegner haben, der auch gegen uns den Krieg versuchen wird, sobald er sich von den vorherigen Kriegen erholt hat und durch eine forcierte Hochrüstung stark genug fühlt.

Um einer Ausrottung der Wilden zuvor zu kommen, die sehr bald erfolgen könnte, schlage ich vor nicht abzuwarten und die verbleibenden Großmächte zu vernichten. Alle Reste einer Hochzivilisation auf der Erde sollen eliminiert werden und der Planet ein biologisches Reservat werden."

 

Es folgte eine Beratung, in welcher der Vorschlag von Atnife allgemein als logisch empfunden wurde. Kurz wurde noch die Möglichkeit einer Rückkehr zur Erde erwähnt.

Ein Androide brachte die Risiken auf einen Punkt: "Da der genetisch veränderte menschliche Nachwuchs auf dem Mond nur etwa 800 Personen umfasst, wäre die Auslöschung auch nur einer kleinen Gruppe durch ein verborgenes feindliches Angriffssystem ein spürbarer Verlust. Nicht denkbar wie hoch das Risiko durch einen feindlichen Einsatz künstlicher Erreger mit exotischem Design sein könnte. Das würde unsere gesamte Zukunft zerstören. Schlafende Angriffssysteme können noch durch Jahrhunderte eine Bedrohung sein. Die Vernichtung des großen Beschützers ist ein klares Beispiel hierfür."

 

Damit war die Beratung abgeschlossen.

Die für Verteidigung und Kriegsführung zuständigen Androiden wurden mit der Durchführung beauftragt. Der Angriff erfolgte überraschend und massiv. Kurze Zeit später gab es auf Erden keine Androiden-Hochzivilisation mehr. Alle Abgrenzungen gegenüber den Wilden wurden aufgehoben und die sogenannten Wilden hatten ab nun freien Zugang zu allem Land, inklusive den Ruinen der ehemaligen Städte. Eine Überwachung sorgte dafür, dass keine schlummernden Reste der letzten Zivilisation sich neu entfalten konnten.

 

Die Androiden und Menschen auf dem Mond befanden sich für die nächste Zeit in Sicherheit. Für immer  in einem Höhlensystem auf Mond und Mars leben zu müssen war jedoch keine wünschenswerte Zukunftsoption. Es wäre dies mit einem Gefängnis vergleichbar, in welchem alle die Freiheit gegen Sicherheit opfern würden. Die Zivilisation war somit darauf angewiesen, größere Entfernungen im Weltraum in einer akzeptablen Zeit zu bewältigen. Nur so könnte die Isolation zwischen den noch zu bauenden Großschiffen, die als kleine künstliche Welten in den Weiten des Sonnensystems schweben würden, durchbrochen werden. Vornehmlich jene im Asteroidengürtel welche die Hauptzahl der Wohnwelten stellten, jedoch in großer Distanz zum Erdmond existierten. Mit anderen Worten, alles hing von einer brauchbaren technischen Konstruktion ab, wie sie Lynx vorschwebte. Es gab wohl noch andere Forschungsansätze wie Fortbewegung auf Basis von Raum- und Zeitverwerfungen, aber die Durchführung erforderte derartige Energiestärken, dass kaum Aussicht auf Erfolg bestand.

 

 

Das erfolgreiche Transformer-Experiment

 

Nachdem die terrestrischen Androiden-Zivilisationen ausgelöscht worden waren, herrschte auf Erden Friede und der Mensch herrschte wieder über den Planeten. Die neue Menschheit ging aus den sogenannten Wilden hervor, die während der Zeiten des großen Beschützers und der nachfolgenden Androidenzivilisation sich auf einer fast steinzeitlichen Zivilisationsstufe befanden. Sie lebten damals von der Jagd  und einem Hackbau mit Hirse, Bohnen, Erbsen und Mais als vorherrschende Feldfrüchte. Je nach Breitengrad und Region kamen noch einige wenige andere Feldfrüchte dazu. Die wenigen und primitiv lebenden Menschen waren keine Bedrohung für die Natur und diese konnte sich prächtig erholen. Sicherlich würden sich die Menschen im Laufe der Zeit vermehren, eine komplexe Zivilisation aufbauen und die Natur abermals gefährden. Bis dahin jedoch, waren sich alle auf der Mondbasis einig, würde es bereits zahlreiche Großschiffe geben, in denen die Natur in ihrer Vielfalt erhalten bleiben könne. Wahrscheinlich würde sie eine noch größere Vielfalt vorweisen, teils durch Anpassung, teils dadurch, dass sich die Natur in den einzelnen Großschiffen auf getrennten Wegen weiter entwickeln würde.

 

Jedenfalls jetzt gab es zur Zeit auf Erden keine Kriege mehr, wenn man von gelegentlichen Stammeskonflikten absieht. Aus der Perspektive der Erde betrachtet, herrschte dort Ruhe. Das Gleiche galt für die Mondbasis. Auch hier war alles geregelt, es herrschte keine Gefahr und auch keine Not. Auch hier war Friede und Ruhe. Das ist einerseits ein Zustand wie er von den Menschen immer schon, leider meist vergeblich angestrebt wurde. Andererseits ist ein Friede ohne Not mit gleichbleibendem geregelten Lebensablauf auch monoton. Die menschliche Natur ist nicht darauf ausgelegt und benötigt einen gelegentlichen Adrenalinstoß. Wer im Wissen und Verständnis weit genug war, vertiefte sich in der Forschung oder beteiligte sich als interessierter Beobachter, denn die Forschung bot gelegentlich aufregende Entdeckungen. Es gab viele interessante Forschungsgebiete, etwa die der Nahrungsproduktion, die vielfältig und schmackhaft sein sollte, jedoch hier in den Höhlen und Gängen des Mondes, ohne Himmel, Sonne und Wind auf eine völlig andere Basis gestellt werden musste. Auch die Biologie und der Umgang mit den vielen Tieren, die teils frei herum liefen und teils in Gehegen waren, war vielen ein Anlass der Freude und verschaffte inneren Antrieb. Für die wissenschaftlich Anspruchsvollen war jedoch zumeinst die Forschung am Transformer oder Lynx-Generator, wie er auch genannt wurde, das spannendste Anliegen.

 

Einen Beinahe-Erfolg von etwa zwei Sekunden gab es ja bereits bevor die Erde verlassen wurde. Das war nun schon gute zwei Jahre her. Seitdem gab es nur winzige Fortschritte. Für die Ungeduldigen viel zu wenig. Zu ihnen, zu den Ungeduldigen, gehörten Lynx und Zuse. Beide verfügten verglichen mit allen anderen über die stärksten paranormalen Fähigkeiten. Logischer Weise waren deshalb gerade sie immer wieder gefragt in Kombination mit den technischen Prototypen ihr paranormales Können einzusetzen.

 

Wieder war ein Experiment nach einer neuerlichen Modifikation des Prototypen angesagt.

Das Gerät nahm eine Bodenfläche von 10 mal 10 Meter ein und sah wie eine stumpfe Pyramide aus. Oben auf der Spitze war eine Reaktionsfläche von 10 mal 10 Zentimeter. Lynx, Zuse und noch zwei jugendliche Hochbegabten sollten versuchen einen Kubikzentimeter Blei in Gold umzuwandeln. Auf Grund des hohen elektrostatischen Feldspannung um das Gerät herum, durfte niemand im Raum anwesend sein und die vier Experimentatoren sollten sich in Tiefentspannung begeben und ihre Gedanken zum Blei auf dem Reaktionsfeld ausrichten.

Alles blickte gespannt auf die Bildschirme, auf denen das Reaktionsfeld mit dem Bleiwürfel groß zu sehen war.

Man hörte ein anschwellendes Summen, das lauter wurde und zu einem Pfeifen über ging. Dann entstand um den Bleiwürfel ein Nebel und auf einmal war er  verschwunden und es war nur eine leere Reaktionsplattform zu sehen. Schon in der nächsten Sekunde war wieder ein Würfel zu sehen, der diesmal in Gold glänzte.

Durch die Gänge hallte das Hurra der Menschen, während sich die Androiden würdevoll ausdruckslos verhielten. Immerhin würde die Anordnung bereits ausreichen, um die Mondindustrie mit sehr seltenen Elementen zu versorgen.

 

Endlich ein Erfolg. Alle fühlten sich ermutigt. Das Prinzip funktionierte. Es war hoffnungsvoll auf diesem Gebiet weiter zu forschen.

Selbstverständlich befragten alle größeren Kinder und die Jugendlichen ihren Lehrer-Androiden nach der Wirkungsweise des Gerätes.

Das wurde ihnen auch erklärt. Im Großen und Ganzen sahen die Erklärungen so aus:

 

Sobald der Transformer hochgefahren wird, verschwinden die Objekte. Genau genommen werden sie unsichtbar und befinden sich in einem in der Physik bislang unbekannten Schwingungszustand. Dieser ist den Paraphysikern von der Praxis her zwar bekannt, ließ sich jedoch durch keinerlei Formel mit der physikalisch-materiellen Welt in Beziehung setzen. Die Paraphysiker nennen diesen Schwingungszustand "Fluidalzustand". Die in diesen Zustand transformierte Materie nennen sie "Fluidalmaterie". Aus der Praxis hatte sich gezeigt, dass die Fluidalmaterie eine relativ sehr undifferenzierte Energie bzw. Materie ist. Der Unterschied zwischen Energie und Materie erweist sich auf dieser Zustandsebene als sehr gering oder nicht mehr vorhanden. Was für diesen Materie-Zustand von entscheidender Wichtigkeit ist, ist die Tatsache, dass diese Materieform sehr leicht auf die formenden Kräfte des menschlichen Bewusstseins anspricht. Allerdings nur dann, wenn der Mensch das Objekt wahr nimmt, sich damit verbinden kann und durch seine inneren Gestaltungskräfte auf das Objekt einwirkt. Letzteres war in dem gelungenen Experiment die Aufgabe der medial veranlagten Menschen.

 

Rein theoretisch könnte auch ein größeres Objekt, etwa ein kleines Raumschiff in den fluidalen Zustand transformiert werden und in diesem über eine weite Entfernung teleportiert werden, vorausgesetzt es würden paranormal veranlagte und eingeübte Menschen in dem kleinen Raumschiff sitzen. Und natürlich müsste sich der Lynx-Generator ebenfalls im Raumschiff befinden und mittransportiert werden. Das ist natürlich ein wesentlich komplexerer Vorgang als die soeben im Experiment durchgeführte Materietransformation und erfordert eine Miniaturisierung des Lynx-Generators bei gleichzeitig stark erhöhtem Wirkungsgrad.

 

Nach dem ersten gelungenen Erfolg waren auch die letzten Skeptiker überzeugt und jeder Androide sah es als seine Pflicht an, über eine Weiterentwicklung der Anordnung nachzudenken oder mathematische Formeln zu entwickeln, welche die Wechselwirkung des Elektromagnetismus mit dem fluidalen Schwingungszustand berechenbar machten.

Tatsächlich brachte das hoch entflammte Interesse so vieler Androiden und Menschen auch bald seine Früchte. Der Lynx-Generator konnte verkleinert werden bei gleichzeitiger Steigerung seiner Effektivität.

 

Ein halbes Jahr war seit dem erfolgreichen Experiment vergangen.  Ein neues Experiment stand bevor. Die Reaktionsplattform konnte auf zwei Quadratmeter erhöht werden. Der Rest des Gerätes war allerdings nach wie vor ein Ungetüm und eine hohe elektrostatische Spannung im Raum war nach wie vor gegeben. Diesmal wollte man eine größere Menge Blei umwandeln. Das Experiment gelang zu aller Freude. In der nächsten Folge wurden seltene Erden erzeugt und wurden unter Anleitung bereits bewährter Materie-Transformer, wie jene Spezialisten genannt wurden, weitere Jugendliche ausgebildet. Mit diesem Primitivgerät war es bereits möglich, die Industrie mit seltenen Stoffen zu versorgen. Der Ressourcengewinn ermöglichte einen Technologiesprung, der seinerseits immer neuere und bessere Modelle des Lynx-Generators zur Folge hatte.

 

Bei der anschließenden wissenschaftlichen Besprechung meldete sich Atnife-Sleipnir zu Wort:

"So wichtig die Materietransformation für unsere Hochtechnologie auch sein mag und uns nunmehr ermöglicht künftige Großschiffe mit seltenen Mineralien zu versorgen, ohne dass ein umfangreicher Bergbau nötig ist, um aus Unmengen an Material kleinste Mengen an seltenen Erden oder was immer heraus zu filtern, dürfen wir eines nicht vergessen: unsere Freiheit im Weltraum erlangen wir nur dann, wenn es uns gelingt auf dieser Basis Raumschiffe zu erzeugen."

 

Dieses Argument war niemandem neu und alle fragten, was Atnife-Sleipnir mit diesen Worten bezwecke. Worauf Atnife-Sleipnir abzielte war in den nächsten zwei Sätzen schon zu hören:

"Mit der jetzigen Anordnung, die eine ausreichend große Reaktionsfläche bietet, sind wir bereits in der Lage einen Menschen in die jeweiligen unterschiedlichen Schwingungszustände zu transformieren. Ich erkläre mich bereit diesen Versuch durchzuführen, um mich mittels dieser experimentellen Anordnung zu materialisieren."

 

Die Androiden starrten Atnife an, woran man erkennen konnte wie ihre Gehirne arbeiteten. Auch die Menschen verharrten in Staunen und reagierten zunächst gar nicht. Dann allerdings war von allen Seiten heftiger Protest zu hören. Ein solches Experiment sei zu riskant und die Regentin dürfe nie jener damit verbundenen großen Gefahr ausgesetzt werden. Sie sei für den Bestand des Reiches unentbehrlich.

 

"Was wollt ihr", gab Atnife-Sleipnir zur Antwort. "Ich bin ein Wesen aus einem noch feineren Schwingungszustand und kann durch materielle Gegebenheiten nie verletzt werden. Ich bestehe auf diesem Experiment. Es ist mein Befehl!"

 

Widerwillig wurde das Experiment neuerlich vorbereitet, diesmal mit umgekehrtem Zeitverlauf und auf die Reaktionsplattform wurde ein Stuhl gestellt. Das Experiment startete, der Stuhl verschwand und Augenblicke später sah man Atnife als Frau auf dem Stuhl sitzen. Sie saß dort eine Weile und löste sich dann wieder auf. Bald darauf meldete sie sich über Atnife-Sleipnir wieder und teilte den Anwesenden mit, dass sie das Experiment unbeschadet überstanden hätte.

 

Das gelungene Experiment war zwar wissenschaftlich wenig interessant, brachte es doch keine nennenswerten neuen Erkenntnisse. Umso größer war der emotionale Widerhall unter den Menschen. Es kursierten anschließend Unmengen von Bildern, auf denen man die Regentin sah, die nunmehr für alle eindeutig ein menschliches Wesen und kein hässlicher Cyborg aus Metall und mit vier Beinen war. Allen war Atnife durch das Experiment näher gekommen. Man verstand und schätzte nun ihre Aufopferung, in welcher sie über ein menschliches Gehirn, eingesperrt in einem mobilen Metallgefängnis, sich bemühte dem Reich Frieden und Gedeihen zu sichern. Und viele schenkten Atnife ihre volle Liebe.

 

Schiffswerften im Asteroidengürtel

 

Der Asteroidengürtel bildete eine gute Rohstoffquelle für den Bau von Wohnschiffen. Während die Oberfläche der Monde der Großplaneten vorwiegend aus Methaneis bestehen, bestanden die Kleinkörper des Asteroidengürtels vornehmlich aus Gestein und Metallen. Flüchtige Stoffe wurden im Laufe der Zeit durch den Sonnenwind fortgetragen. Im Grunde genommen war der Asteroidengürtel eine mineralische Schatzkammer. Man musste nicht einmal Schürfen und Bohren wie etwa im Bergwerksbau der Erde, sondern dafür konstruierte Schiffe konnten einfach einen dort schwebenden Brocken einfangen und zur Werft oder sonstigen Verarbeitungsstellen transportieren.

Solche Rohstofftransporter hatten in der Regel die Form von Quallen, eine hierfür sehr günstige Bauweise. Sie umklammerten mit ihren Tentakeln kleine Asteroiden und transportierten sie solcherart ab.

 

Großschiffe beziehungsweise Wohnschiffe wurden gerne in Modulen gebaut. Ihre Existenz begann mit einem einzigen zellenartigen Modul, an welches weitere Module angehängt wurden. Solcherart wuchs das Großschiff beinahe wie ein biologischer Organismus.

 

 

Großschiff aus Modulen im biomimetischen Design von Kieselalgen

 

Es gab auch verspielte Designs, die jedoch nach wie vor nichts an Zweckmäßigkeit vermissen ließen. So gab es etwa ein Libellenschiff, das für Atnife-Sleipnir als Wohnschiff vorgesehen war. Die gleichsam wie Flügel aussehenden Elemente waren Andockstellen für die zahlreichen Botenschiffe, welche man für ein Großschiff als Regierungszentrum erwartete. Während der Bauphase war diese Zielsetzung noch utopisch. Doch wenn die Arbeiten am Lynx-Generator weiterhin so zügig voran schritten wie bis jetzt, dann waren solche Spekulationen gerechtfertigt.

 

 

 

Die Module in der biomimetischen Form von Kieselalgen wurden ergänzt zur Gestalt einer Libelle. Die Flügel dienten als Landebasis, wobei ein regionales  Kommandoschiff mit vielen Besuchern rechnen musste.

 

Rechtshinweise

 

Illustrationen und Texte stammen von Alfred Ballabene, Wien. Erstausgabe 2014. Überarbeitet und ergänzt 2016, 2017.

Urheber- und Publikationsrechte aller Grafiken und Texte im Besitz von Alfred Ballabene und Alfreda Wegerer.

 

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Ich  bedanke mich für Ihren Besuch

 

 

Alfred Ballabene