Re: bitte bleib da, Jase!
myrrhe schrieb am 29. Dezember 2002 um 16:03 Uhr (556x gelesen):
Hallo Jase,
es ist sehr, sehr traurig und schlimm, wenn man den
liebsten Menschen verliert. Ich weiß das, und ich kann
Dir das zutiefst nachfühlen. Den Moment des
Abschieds mitzuerleben, die Leere, die dann folgt… all
das ist fast nicht zu ertragen.
Doch das Leben muß weitergehen! Bitte laß den
Gedanken an Selbstmord in Dir nicht groß werden! Du
hast doch eine Verantwortung für drei kleine schutzlose
Kinder! Sie erleben Deine Trauer mit, auch wenn sie
sich nicht ausdrücken können, und haben Angst vor
dem, was geschehen könnte! Auch Dein Bruder würde
gewiß nicht wollen, daß Du weggehst und sie hilflos
zurückläßt.
Dein Bruder ist bei Dir, denn es gibt keinen wirklichen
Tod, nur einen Verlust des fleischlichen Körpers. Er ist
noch genau derselbe wie vorher, er liebt Dich so wie
früher, und er verläßt Dich nicht. Und ich bin sicher, er
hat schon versucht, sich bei Dir zu melden – doch
Trauer und Verzweiflung machen oft blind für diese
feinen Zeichen.
Mein Rat an Dich: Behandle Deinen Bruder als
Lebenden. Zünde eine Kerze an, stell Blumen hin, setz
Dich ruhig hin, versuche innerlich abzuschalten, und
rede mit ihm. Wenn Du magst, frag ihn nach seinem
Tod, wie er ihn erlebt hat…, wen er drüben getroffen
hat, was er tut, was er noch sagen oder erledigen
möchte… so kannst Du ihm auch helfen, seine
Angelegenheiten, die er nicht abschließen konnte,
noch zu ordnen. Denk dran: das könntest Du nicht
mehr, wenn Du Selbstmord begehst… Du wirst seine
Antworten innerlich hören, wie Gedanken, die aus Dir
kommen, oder auch als Stimme von außerhalb. Doch
Du wirst schnell spüren, was von Dir und was von ihm
kommt. Achte auch auf Träume, auf Geräusche
(Knacken, Schläge…). Du kannst auch zu jeder Zeit laut
mit ihm sprechen und ihn in Dein Tun miteinbeziehen.
Der Tod ist im Leben allgegenwärtig. Wir müssen
daher mit dieser Situation umgehen lernen, selbst
wenn es die liebsten Menschen in unserem Leben
betrifft – oder auch uns selbst. Aber es hilft die
Gewißheit, daß sie nicht fort sind, sondern ganz nah
bei uns, nur können wir sie nicht sehen. Klar, der
körperliche Verlust, sie nicht mehr angreifen zu können,
ist sehr, sehr schmerzlich. Wir müssen diese Leere
erst überwinden lernen, und das dauert seine Zeit. Das
berühmte "Trauerjahr" ist nicht zufällig so gewählt –
einmal alle Jahreszeiten ohne den Liebsten
durchmachen zu müssen.
Gib Dir die Zeit, die Du benötigst, um Deine Trauer zu
leben. Tu es bewußt. Aber gib nicht auf! Du wirst gereift
aus diesem Prozeß hervorgehen und die Welt mit
anderen Augen sehen. Und denk an die drei kleinen
Kinder, denen Du hilfst, ihren Lebensweg zu gehen!
In Liebe,
myrrhe
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