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Handlesen: Die Kunst des Handlesens (*) Humor: Humor (rubrik)
Du kommst da durch. Du wirst. Aber es wird dauern.
Otto schrieb am 11. Mai 2001 um 22:32 Uhr (511x gelesen):

Hallo Moni,

zunächst möchte ich Dir sagen, daß ich Dich so gut verstehen kann. Beileidsbekundungen wären Floskeln, aber ich verstehe Dich, weil mir in kurzer Folge Menschen weggestorben sind, die ich mit jeder Faser meines Herzens geliebt habe: meine Mutter, meine Schwester und mein Bruder. Teils unter erbärmlichen Umständen, so daß ihr Sterben mir heute schlimmer erscheint als die Tatsache ihres Todes.

Intellektuelles wie Bücher oder Internet werden Dir nicht helfen. Wenn das Herz blutet, kann der Verstand kein Trostpflaster sein. Nichts, was von außen kommt, kann Dir helfen. Das ist etwas, das Du selbst bewältigen mußt.

Zuerst: Lasse Deinen Gefühlen freien Lauf, weine, tobe, hadere mit dem Schicksal, fluche Gott und die Ungerechtigkeit.

Dann: Versuche Dir klarzumachen, daß ER es nicht wollen würde, wenn Du durch Deine Trauer selbst unfähig würdest, Dein Leben zu meistern.

Nun bin ich dabei, Ratschläge zu erteilen, wo ich meinte, Ratschläge brächten nichts.

Laß mich also berichten, wie ich mit dem Tod geliebter Menschen umgegangen bin:

Ich habe gebrüllt, geschrien, geweint, Gott und die Welt verflucht. Manchmal wünschte ich mir die Möglichkeit, diese verdammte Welt zu zerstören, manchmal wollte auch ich auch nur einfach sterben.

Gerade als der Wunsch, selbst zu sterben, am größten war, wurde mir bewußt, daß es um mich herum Menschen gibt, die auch daran leiden würden und mich brauchen.
Das hat mir geholfen, meine Gefühle zu relativieren.

Und wieder habe ich gelitten wie ein Tier. Ich habe stundenlang an den Gräbern gesessen, ich habe Orte aufgesucht, an denen ich mit ihnen zusammen gewesen bin.
Ich habe Ihnen nie versandte Briefe geschrieben und all das darin gesagt, was ich ihnen nie zu ihren Lebzeiten gesagt habe, weil es eben Dinge gibt, die zu sagen unsere Konventionen nicht erlauben.
Oder weil sich keine Gelegenheit ergibt.

Ich habe Kirchen aufgesucht, mich in die letzte Reihe gesetzt und ganz einfach versucht, mit mir selbst ins Reine zu gelangen.

Egoistisch gesehen, ging es in den ersten Wochen nach ihrem Tod in erster Linie darum, selbst zu überleben und zu "funktionieren".

Die Gräber haben mir sehr geholfen. Es waren Stätten des Erinnerns. Aber darin lagen keine herzwarmigen und liebenden Menschen. Nur Hüllen von etwas, das noch bei mir ist, und das mir wertvoll ist. Ich fühle, in den Gräbern liegen nicht SIE, nur ihre toten Körper. SIE haben mich nie verlassen, ich fühle heute noch ihre Liebe und höre ihre Stimmen, wenn ich nicht weiter weiß. Ich habe gelernt, daß Wissenschaft und Intellekt nur Hilfskonstrukte und Krücken sind in einer Welt, in der man es uns abgewöhnt hat, dem zu vertrauen, das tief in uns sitzt und das uns ausmacht. Nenne es von mir aus den göttlichen Funken. Oder Ehrfurcht oder Glauben.

Ich bin Atheist. Ich verwerfe den schrecklichen Gott des Alten Testamentes. Jesus als Hippie wäre mir schon sehr viel sympathischer.

Ich glaube an keine Religion und keine Doktrin. Schon überhaupt nicht an das Dogma eines "liebenden" Gottes. Eine solch selbstverliebte Entität, der es wichtig ist, angebetet und beglaubt zu werden, Opfer zu erhalten, sich ob der Gottheit anbeten und verehren zu lassen. Nein.

Aber ich weiß um Liebe. Und ich weiß, daß, wenn ich selbst durch das große Licht gehe, all die, die ich geliebt und die mich geliebt haben, die vor mir gingen, auf mich warten werden. Ich fühle Vertrauen zu ihnen und habe keine Angst vor einer Hölle. Sie werden mich bei der Hand nehmen und mich geleiten.

Deshalb habe ich keine Angst mehr vor dem Tod. Nur noch vor den Umständen meines Sterbens. Davor aber furchtbar. Ersticken wäre mir am schlimmsten. Bitte verzeih: Auch ich fahre Motorrad. Hätte ich Krebs oder wüßte sonst nicht weiter, wäre mir ein schneller Tod auf dem Sattel sehr angenehm. Bitte verzeih, aber es ist meine ehrliche Überzeugung, daß ich das Sterben auf dem Motorrad dem auf einer Intensivstation vorziehen würde. Es ist meine Überzeugung, die nichts mit dem Sterben Deines Freundes zu tun hat.

Liebe Moni, Dein Beitrag hat mich angerührt Deshalb habe ich meine Anonymität des Netzes aufgegeben und mit Echtadresse gepostet. Wenn Du magst, schreibe mir, und ich werde antworten.

Vielleicht sind auch andere in diesem Brett, die Tiefergehendes besprechen wollen, das nicht unbedingt einer großen Öffentlichkeit zugänglich sein soll.

Auch ich leide noch und suche nach Wegen und Anregungen. Daher danke ich für jede persönliche Nachricht und freue mich auf jede Gelegenheit zum Gedankenaustausch.

Dir Moni, möchte ich empfehlen (schon wieder eine Belehrung, aber eine, zu der ich stehe):

Bitte, versuche, die nächsten 24 Stunden zu überstehen. Danach die nächsten 24 Stunden.

Es wird eine Zeit kommen, in der Du weniger daran denkst, dann eine, in der Du kaum noch daran denkst, dann eine, in der Du im Monat nur noch einmal daran denkst.

Dann eine, wenn Du Verantwortung trägst für weitere Menschen, Deine Kinder vielleicht, einen Ehemann - für Menschen eben.
Du wirst dann nicht mehr daran denken, aber es wird Dich geformt haben.

Leider, weil wir nur aus Schmerzen lernen, nicht aber aus Fun. Leider, weil Du nun die Zeit Deiner Schmerzen durchleben mußt. Aber Du wirst es schaffen. Tag für Tag ein kleiner Schritt, das Leben steht vor Dir, das große Licht kann noch auf Dich warten.

Ich sende Dir meine besten Grüße und mein Verstehen.
Sei respektvoll und ohne Hintergedanken umarmt.

Ich wünsche Dir alles Gute.

Otto


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