Re: Folter
myrrhe schrieb am 22. November 2004 um 7:57 Uhr (571x gelesen):
Ich lehne jede Art der Folter ab.
Das, was du beschreibst, Blaze, ist klar der konstruierte Fall, der früher bei Anträgen zum Zivildienst den Antimilitaristen gestellt wurde:
"Was würdest du tun, wenn du mit deiner Freundin im Wald wärst, hättest eine Pistole dabei, und jemand würde deine Freundin überfallen, um sie zu vergewaltigen?"
Hätte die Antwort gelautet: "natürlich hätte ich geschossen, es ist ja Notwehr" - wäre der Wehrdienst beschlossene Sache gewesen.
Mein Mann antwortete damals:
"Ein Waffengegner hat keine Pistole dabei."
Folter ist - wie immer du es drehen magst - immer eine Sache der inneren Einstellung des Menschen. Oder noch schärfer gesagt: Hat ein Mensch die Chance zur Folter und den (scheinbaren) Grund dazu, so können seine Schattenseiten zutage treten.
Wie wir nach dem Irakkrieg gesehen haben.
Wie wir zur Nazizeit auf den Straßen gesehen haben.
Wie wir in den KZs gesehen haben.
Wir sollten uns immer im klaren sein, daß solche Situationen unser Inneres widerspiegeln. Unsere eigene Bereitschaft zu Gewalt, zu Aggression - die wir ja so leugnen in uns, weil wir so gut sind. Es ist der Schatten, unsere unbewußte Seite. Viel lagert da noch, ungehoben.
Ich wiederhole: ich bin gegen Folter - ja.
Doch ich selbst weiß sehr genau, wie wenig ich mein Inneres kenne.
Beachten wir auch:
Folter muß nicht ein Bedrohung des eigenen Lebens sein.
Körperliche Folter ist verboten - doch seelische? wo wird seelische Folter überhaupt als solche gesehen?
Mobbing zum Beispiel ist seelische Folter.
Jemanden "fertig machen", über lange Jahre, subtil, mit freundlichen Worten, ohne Liebe: auch das ist seelische Folter.
Wir sollten den Begriff der Folter viel genauer und viel weitgespannter sehen.
Früher folterte man körperlich.
Heute foltert man seelisch.
Ich sehe wenig Unterschied.
Gruß myrrhe

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Diskussionsverlauf:
- Folter ~ Midnightghost - 21.11.2004 23:43 (42)