Hallo, Füchsin!
> Aus der kosmischen Warte gibt es kein Gut oder Böse,
> sondern die Frage ist, in welchem Umfang etwas förderlich > ist, für einen möglichst großen Kreis.
> Diese Sicht würde allerdings meistens die geistige
> Kapazität des Menschen überfordern
Ja, das meinte ich eben - dass ich wohl vermute, dass es absolut gesehen kein Böse und Falsch gibt, dass dies aber keine menschliche Perspektive ist und damit eine, die dem Menschen nicht zusteht, und dier er, selbst wenn er es wollte, nicht einnehmen kann. Ich bin jedenfalls noch keinem Menschen begegnet, der sowohl gesagt hat, dass es kein Gut und Böse gäbe in Wirklichkeit (das sagen doch einige) als auch dies auch in seinem Leben praktiziert hätte - dergestalt, dass er/sie konsequent darauf verzichtet hätte, diverse Missstände etc. anzuprangern. (Denn ohne Gut und Böse gibt es klarerweise auch keine Missstände.)
> und so beschränkt sich der Mensch meist darauf, was FÜR
> IHN und nur für ihn selbst nützlich ist und was nicht. Er > folgt dem, was er als nützlich ("gut") erachtet.
So total egoistisch sind eigentlich nur die wenigsten Menschen, also wenn jemand etwas, das für ihn selbst nützlich ist als für andere schädlich erkennt, würden die meisten diesen Weg nicht einschlagen.
> Je weiter einer entwickelt ist, desto weiter baut er
> diese "Grenze" aus und schließt auch Angehörige, Freunde, > Umwelt etc. in diese Nützlichkeitsrechnung mit ein.
Das mit dem Grenzenausweiten sehe ich auch so, allerdings sehe ich das nicht unbedingt als eine "Nützlichkeitsrechnung". Allein von diesem materialistischen Standpunkt der "Nützlichkeit" gesehen, wäre es wahrscheinlich tatsächlich "nützlicher" für eine Gesellschaft, zu foltern, töten und zu morden, indem sie Folter und Todesstrafe verwendet. Es würde z.B. Gefängniskosten und die Kosten für den Unterhalt dieser Menschen so eingespart werden können. Allerdings empfände ich ein solches Vorgehen als unzivilisiert und menschenverachtend. Angriffe gegen Leib und Leben sind - aus meiner beschränkt menschlichen Sicht - wirklich nur in unmittelbaren Notwehrsituationen zu rechtfertigen. Und wenn ich dein obiges Beispiel mit der Ausweitung hernehme, so kann ich auch sagen, dass es Zeichen eines solchen spirituellen Bewusstseins ist, wenn diese Ausweitung plötzlich dort stoppt, wo das Gegenüber kein junges, unschuldiges, sympathisches Kind ist, sondern ein "abstoßendes, unsympathisches, erwachsenes Monstrum". (Das ist hier jetzt nicht auf das Aussehen gemünzt, sondern auf das Wissen um die Verbrechen dieses Menschen.) Oder, wo man nicht nur um seine Nächsten und seine Nachbarn menschlich behandelt, sondern auch seine Feinde.
>Die jeweilige Gesellschaft legt als Kollektiv auch einen >Kanon an ethischen Grenzen auf. Darum finden die einen >Steinigung, Handabhacken und Hinrichtungen noch immer für >ethisch geboten, die andere Kultur kocht Katzen bei >lebendigem Leib ohne jede Reue zum Verspeisen, während >wider eine andere Kultur schon den Genuss von Tierkadavern >für widerlich und gräulich hält. Was als "gut und böse, >richtig oder falsch" angesehen wird, richtet sich eben >nach dem (spirituellen) Bewusstseinszustand der jeweiligen >Person. Es sind fließende Grenzsetzungen.
Ja.
> Es gibt Menschen, die sich als Menschen betrachten, in Wahrheit aber noch ein ziemlich tierisches (egoistisches) Niveau haben. M. E. zeigt sich geistige Entwicklung darin, für immer mehr Lebewesen und Lebensformen - inkl. sich selbst - das Beste zu wollen.
Ja, siehe oben und auch mein ausführliches Posting weiter unten. Da habe ich z.B. ausgeführt, dass es bereits Todesfälle durch Maßnahmen gab, die noch nicht einmal als Folter gedacht waren (in D, Ö, und F), und dass ein Befürworten der Folter in diesem Fall ein Freibrief für ähnliches in anderen Fällen wäre und es früher oder später auch zu Todesfällen kommen würde, und früher oder später, auch zu Todesfällen Unschuldiger. Wir reden hier ja nicht von ein paar Watschen, sondern von Folter.
> Da jeder Mensch sich irgendwo im Evolutionsfluss >befindet, kannst du (und wirst du) deine eigene Meinung >haben, die nicht unbedingt hier und heute mit meiner >konform sein muss. Ich pflege eine etwas kosmischere Sicht >zu haben. (Das bedeutet, ich habe diese früheren Meinungen >bereits durchlaufen.) Auch ich habe übrigens das Recht auf >meine eigene momentane Meinung.
Klar hast du das Recht auf deine eigene Meinung. Ich hab nur darauf hingewiesen, dass du zuerst vehement den Standpunkt verfochten hast, dass es das Gute und Böse nicht gibt, anschließend aber eine ganz einseitige Sichtweise dessen vertreten hast, was du für den "guten" und "richtigen" Standpunkt in dieser Sache hältst. Diese beiden Dinge passen für ich irgendwie nicht zusammen.
> Dein Zitat:> Dass die Leute verblendet sind und auf
> Seiten der Täter stehen, glaube ich eher weniger, frag mal Menschen auf der Straße - ich bin mir ziemlich sicher, dass die Meisten das Verhalten des Polizisten gutheißen werden und sich nicht im klaren darüber sind, was das, weitergedacht, für Folgen hätte. (...)
> Ich denke nicht, dass man Menschenrechte so einfach, wenn es einem gerade passt, außer Kraft setzen kann. (...) In mindestens 70 Ländern der Welt wird bis heute gefoltert. Da vermischt du aber Fakten ganz schön. Nicht eine >Sekunde lang tut dir das (sterbende) Kind leid, alles was >dich hier interessiert ist, ob der Täter Prügel bezieht >oder nicht. Dich interessieren nur die Rechte des Täters.
Diese Argumentation finde ich nicht sehr fair. Weil ich in dem Text hier nichts über das sterbende Kind geschrieben hab, heißt das nicht, dass ich kein Mitleid mit ihm hätte. Ich habe in der FAZ - da steht sehr viel zu dem Fall - jetzt nachgelesen: jener Beamte, der die Befragung eigentlich begonnen hatte, hatte dort ausgesagt, dass er sich sicher war, den Täter am kommenden Tag (eben jenem, wo ihm von diesem anderen Beamten die Folter angedroht wurde) zu einer Aussage bewegen zu können, ein hinzugezogener Psychologe hatte von Folterdrohungen abgeraten. Ein Beamter, der sich freiwillig bereiterklärt hatte, die Folterungen gegebenenfalls auf Geheiß durchzuführen, hätte eigens eingeflogen werden sollen oder wurde eingeflogen - alle anderen angefragten Beamten hatten sich geweigert.
Es hätte durch diese Folterungen leicht passieren können, dass der Täter irgendein falsches, weit weg liegendes Versteck angegeben hätte (was er schon einmal gemacht hatte), auch hätte er durch die Folterungen vernehmungsunfähig werden können - was wäre denn dann gewesen? Angenommen, das Kind hätte tatsächlich noch gelebt, und der Täter wäre während der Vernehmung bewusstlos und/oder sonstwie vernehmungsunfähig geworden - das ist ja keineswegs ein unwahrscheinliches Szenario, da es "ein bisschen Folter" ja nicht gibt - wie wäre die Situation dann zu beurteilen?
Und da der Täter nicht auf frischer Tat ertappt worden war, kann man auch nicht sagen, dass es "eindeutig" war, dass er der Täter war - für seine Täterschaft sprachen den Zeitungsberichten zufolge massive Indizien - das war auch bei einigen jener in den USA zum Tode Verurteilten der Fall, deren Unschuld sich Jahre später herausstellte. Übrigens waren auch im konkreten Fall zunächst vier unschuldige Tatverdächtige (1 Mädchen, 3 Männer) inhaftiert worden, deren Wohnungen mitten in der Nacht von einem Trupp vermummter Männer mit Maschinenpistolen gestürmt wurden.
>Das erinnert mich an Belgien, Fall Dutroux: man hatte ihn >zwar wegen etwas anderes inhaftiert, der sagte kein Wort >darüber, dass inzwischen in seinem Keller zwei kleine >verschleppte Mädchen elendiglich verhungerten. Motto: ohne >Leichen kein Beweis. Und auch in diesem Fall hätte der >Täter niemals verraten, wo das Kind ist, denn das wäre >einem Geständnis gleichgekommen. Aber solche Kleinigkeiten >interessieren dich offenbar nicht, und, auch wenn ich >verstehe, warum du so denkst, bringt mich das doch auf die >Palme!
Im Fall Dutroux war nicht der Nichteinsatz von Folter, sondern Schlampigkeit der Behörden der Grund dafür, dass die Mädchen nicht entdeckt wurden. Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung waren sie noch am Leben. (Zitat "Videos, Ketten, große Mengen Schlafmittels und frauenärztliche Instrumente konnten den Argwohn der Beamten nicht wecken." - dies nur einer von vielen Ermittlungsfehlern in diesem Fall.) Du kannst doch wohl nicht im Ernst fordern, dass man jetzt jeden Inhaftierten foltern dürfen solle, weil der ja möglicherweise noch nebenher ganz andere Straftaten begangen hat und man so möglicherweise Leben retten könne? Würdest d u denn derartige Foltermaßnahmen eigenhändig durchführen?
> In diesem Fall - im Gegensatz zu anderen realen >Folterorten - wusste die Polizei genau, dass es der >richtige Täter war und das er das (inzwischen sterbende) >Kind hatte, aber dem Täter war das scheißegal: ohne Leiche >kein Beweis.
Das Kind war bereits am ersten Entführungstag ermordet worden. Und obwohl der Täter am 29.9. mit dem Auto das Lösegeld abholte und man wusste, dass er das Kind in seiner Gewalt hatte, wurde er erst einen Tag später festgenommen.
Und gerade in diesem Fall hätte man die Tat vermutlich durch ein Eingreifen zu einem viel, viel früheren Zeitpunkt verhindern können, wenn z.B. das Jugendamt oder der Pfarrer die Missbrauchsvorwürfe der Opfer ernstgenommen und adäquat reagiert hätten:
http://www.regenbogenwald.de/news/2002-0910.htm
Derartige Dinge werden aber selbst heute noch gerne vertuscht.
> "Opfer" und "Opfer" sind hier nicht gleichzusetzen -
> unschuldiges Kind, dem der tatsächlich der Tod droht (und > das auch gestorben ist), gegen bockigen egoistischen
> Kriminellen, dem nur Prügel angedroht werden. Sie sind
> keineswegs gleichwertig. Der Kriminelle ist für seine
> Lage direkt selbst verantwortlich. (Das Thema Karma
> lassen wir hier mal außer Acht.)
Dass der Täter schwere Schuld auf sich geladen hat, und das Kind unschuldig war, steht wohl außer Frage. Dennoch sind die Leben der beiden insofern absolut gleichwertig, als - nach meiner Meinung - beide das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit haben. Das ist ein Menschenrecht, das allen Menschen zusteht - auch solchen, die selbst das Recht gebrochen haben. Und nochmal - es ging hier nicht bloß um Ohrfeigen oder Prügel, es ging u.a. um das Spritzen eines "Wahrheitsserums".
Dass das ungerecht ist, dass jemand, der einen anderen ermordet, mit dem Leben davonkommt ist keine Frage - es ist genauso ungerecht, wie, dass ein Mörder, der vier Menschen umgebracht hat, lebenslang bekommt, und ein anderer, der zwölf Menschen umgebracht hat, ebenfalls lebenslang. Wirkliche Gerechtigkeit in dem Sinn, dass die Maßnahmen in einem 1:1-Verhältnis den Vergehen/Verbrechen zuordenbar sind, gibt es nicht. Was ich auch schon mal gesagt habe: Auge um Auge, Zahn um Zahn ist für mich kein akzeptabler Handlungsleitsatz - auch dann nicht, wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.
> Überhaupt nichts gemeinsam hat dieser Fall mit Folter in > anderen Teilen der Welt zu tun, wo Unschuldige
> verschleppt werden und psychische und physische Folter
> über sich ergehen lassen müssen, um Dinge zu verraten,
> die sie womöglich gar nicht mal wissen - oder nur darum, > um die Leute zu terrorisieren, einzuschüchtern und zu
> vergraulen.
Er hat z.B. sehr, sehr viel mit der Todesstrafendebatte zu tun. Und es ist ein Unterschied, ob Foltern absolut tabu ist, oder es mal hier, mal dort eine Ausnahme gibt.
Gibt dir das nicht zu denken, dass die Folterbilder aus den USA um die Welt gingen und das offenbar n i c h t abschreckend wirkte, sondern jetzt sogar in der deutschen Bundeswehr in einer Kompanie - mit 5 Haupttätern und insgesamt 21 Tätern (!) - die Rekruten misshandelt wurden, und das Ganze nur durch Zufall aufflog, weil von der Vielzahl der Betroffenen nur ein einziger überhaupt dachte, dass das wohl nicht rechtens zur Ausbildung gehören konnte und daher nachfragte??? (http://www.recht.de/index.php3?menue=Aktuell&artikel=041123122517.tq3y8f4n.html) Warum glaubst du, wird denn derartiges plötzlich so "salonfähig"?
Was wäre, wenn die anderen vier Verdächtigen gefoltert worden wären? Schließlich wäre das auch in bester Absicht und zum Wohle des Kindes geschehen. Sie hätten zwar das Versteck mit Sicherheit nicht gewusst, aber wohl früher oder später eines erfunden, um den Qualen zu entgehen - gerade deswegen, weil man unter Folter eben jede beliebige Aussage erzwingen kann, ist sie auch, von menschenrechtlichen Aspekten abgesehen, so wertlos.
Das hat wie gesagt, mit mangelndem Mitleid für das Opfer und übergroßer Gnade für den Täter nichts zu tun. Ich würde auch als Selbstbetroffene, wenn mir oder jemandem, der/die mir nahesteht in meinem Umfeld Gewalt angetan wird, da differenzieren, zwischen dem, wie ich emotional und unmittelbar auf eine solche Gewalttat reagiere und dem was rechtens ist - letzteres schützt eine/n selbst und die Gesellschaft nämlich davor, allzu unbesonnen Dinge zu tun, etwa Gewalttaten, die nicht wiedergutzumachen sind.
Alles Liebe,
Chord