@Sebastian
Yvette schrieb am 25. März 2005 um 14:30 Uhr (832x gelesen):
Hi Sebastian
Bisher hab ich meine Hellsicht eher stilistisch verwendet, da das Wahrgenommene realen (zukünftigen) Szenen entspricht, also eigentlich etwas ausserhalb von mir, das Ziel, worauf sich meine Hellwahrnehmung gerichtet hat. Das geschieht jedoch nur insofern kontrolliert, dass ich mich auf jemanden oder etwas konzentrieren kann und dann etwas sehe. Doch wie beim äusseren Sehen, wo einem z.B. bei einem Spaziergang unzählige Bilder unkontrolliert entgegenkommen, ist es auch bei der Hellsicht. Ich kann also nicht durch eine Stadt gehen, ohne in diesem oder jenen Winkel ein vergangenes oder zukünftiges Ereignis zu sehen.
Einmal ging ich durch eine Stadt und wollte meine Geschichte bewusst zusammenfantasieren. In einer bestimmten Gasse der Altstadt, nur etwa 2 m lang, kam mir das Bild eines Mordanschlags entgegen, so, als sähe ich es physisch vor mir. Es war ein orthodoxer Jude, wie ich sogleich an seiner Kleidung und den Ohrenlocken feststellen konnte, der rücklings von einem metzgerhaften Typen erstochen wurde. Da ich mir vornahm, diesmal den Roman frei zu erfinden, tat ich es auch als solches ab. Als ich jedoch zuhause den Fernseher anschaltete, hörte ich von einem Mord an einem orthodoxen Juden, wobei gleichzeitig die vergangenen Morde/Anschläge an Juden auf einer Karte gezeigt wurden, in der Stadt, wo ich gerade gewesen war. Dreimal kannst Du raten: In der besagten kleinen kurzen Gasse wurde tatsächlich ein Jude rücklings erstochen, von einem Metzger. Es wäre sehr geschmacklos gewesen, diesen Mordanschlag, der noch nicht so lange zurückliegt, als Stoff zu benutzen. Und wäre es ein zukünftiger Mordanschlag, dann wär es bei Entdeckung der Parallele echt unheimlich für die meisten.
Ein weiteres Problem kommt hinzu: der psychokinetische Effekt. Wenn ich mich intensiv mit einem Thema beschäftige, hat das auch Auswirkungen, d.h. es ist immer eine Kombination von Trend wahrnehmen und Trend auslösen. Es ist wie mit dem besagten Flügelschlag des Schmetterlings, der das Wetter beeinflusst.
Deshalb versuche ich nun, die Hellsicht selbst stofflich zu verarbeiten, d.h. nicht so sehr das Ziel, das Gesehene, sondern eher die Art und Weise, wie ich sehe. Das Ziel ist ja eigentlich ziemlich unspektakulär und unterscheidet sich von realen Ereignissen nur dadurch, dass es noch nicht geschehen ist. Die Hellwahrnehmung selbst ist jedoch etwas, das den meisten unzugänglich ist, vergleichbar mit dem Traum, den Kafka zu seinem Stil UND Stoff machte.
Ich kann zwar Zeitabstände abschätzen, aber das Risiko, dass es dann doch früher eintrifft, gerade wegen des psychokinetischen Effekts, ist zu gross, denn die Arbeit an einem Roman ist sehr aufwendig und ich will nichts mehr vergeblich machen. Und es ist auch kein tolles Gefühl, wenn die Zeit einem so im Nacken sitzt. Wenn es zu weit in der Zukunft liegt, ist bei Erscheinen des Buches die Zeit noch nicht reif und dann bleibt der Erfolg auch aus. Wie gesagt, die Welt ist parapsychologisch noch absolut in den Kinderschuhen.
Bye, Yve

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